
Über postakute Folgeerkrankungen nach Covid-19 gibt es auch drei Jahre nach Pandemiebeginn Wissenslücken. Eine im Fachmagazin „Frontiers in Epidemiology“ publizierte Kohortenstudie auf der Basis von AOK-Abrechnungsdaten widmete sich dieser Thematik. Die Forschenden untersuchten, ob Personen mit einer SARS-CoV-2-Infektion während der ersten Coronawelle in Deutschland in den darauffolgenden zwölf Monaten häufiger wegen einer Folgeerkrankung in ärztlicher Behandlung waren als Menschen ohne erfasste SARS-CoV-2-Infektion.
Daten von mehr als 230.000 Erwachsenen ausgewertet
Die Forschergruppe analysierte AOK-Abrechnungsdaten bezüglich Symptome, Diagnosen und Behandlungen von PatientInnen, die aufgrund von Covid-19 ambulant (n = 32.378) oder stationär (n = 5.998) behandelt werden mussten. Da Post/Long-Covid-Symptome nicht spezifisch für Covid-Erkrankte sind, wurden diese mit einer Vergleichsgruppe von Nichtinfizierten mit möglichst gleichen Eigenschaften im Verhältnis 1:5 gematcht. So umfasste die Studienpopulation insgesamt 230.256 Erwachsene.
Mehr gesundheitliche Spätfolgen nach SARS-CoV-2-Infektion
Vier Wochen oder länger nach der akuten SARS-CoV-2-Infektion wurden bei den Betroffenen mehr gesundheitliche Spätfolgen verzeichnet als in der Gruppe der Nichtinfizierten. Bei den ambulant behandelten Covid-19-PatientInnen lag der Anteil 8,4 Prozentpunkte höher (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 7,7–9,1), bei den stationär Behandelten waren es sogar 25,5% (95%-KI 23,6–27,4).
Überdies wiesen die Coronaerkrankten im Vergleich zur Kontrollgruppe der Nichtinfizierten eine erhöhte Sterblichkeit auf. Bei den stationären PatientInnen lag das Chancenverhältnis (Odds-Ratio [OR]) bei 1,7 (95%-KI 1,5–1,8), bei den ambulant Behandelten bei 1,5 (95%-KI 1,3–1,6).
Respiratorische Erkrankungen, thromboembolische Ereignisse und Müdigkeit
Bei den CoronapatientInnen mit ambulanter Therapie traten vor allem Geschmacks- und Geruchsverlust, interstitielle Atemwegserkrankungen, Dyspnoe und Fatigue auf, ebenso mussten mehr Arzneimittel zur Behandlung respiratorischer Störungen verschrieben werden. Bei den stationär Behandelten waren interstitielle Atemwegserkrankungen, Sauerstoff- und antiobstruktive Therapien sowie Lungenembolien mit einer Antikoagulanzien-Behandlung am häufigsten.
Im Vergleich zu SARS-CoV-2-freien Personen wurde in der ambulanten Gruppe öfter eine neu aufgetretene Demenz diagnostiziert, nicht aber kognitive Funktionseinschränkungen und Sprachstörungen. Die stationäre Gruppe wies im Vergleich zur coronanaiven Kontrollgruppe mehr Demenzdiagnosen, kognitive Funktionsbeeinträchtigungen und Sprachstörungen auf.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Behandlung von Post/Long-Covid
Auf der Symptomebene bestätigte sich der in der Literatur beschriebene ausgeprägte Symptomkomplex in den Bereichen Lunge, Neurokognition/psychische Gesundheit und Müdigkeit, so die Autorengruppe. Aufgrund der Vielfältigkeit der Beschwerden und Diagnosen, sei eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit bei der Behandlung von Post/Long-Covid erforderlich.