Erkennung schwerer COVID-19-Verläufe im Urin?

Bei Urin- und Serumanalyse fiel auf, dass COVID-19 Patienten, die später eine intensivmedizinische Therapie benötigten, zuvor erhöhte Urinkonzentrationen an Erythrozyten, Albumin und Leukozyten sowie ein erniedrigtes Serum-Antithrombin-III und eine schwere Hypalbuminurie zeigten.

Urinanalyse

Hintergrund

Je mehr man über COVID-19 weiß, desto klarer wird, dass es sich um eine Multiorganerkrankung handelt. Neben Lungen und Herz sind häufig auch die Nieren betroffen.

Spezialisten um Prof. Oliver Gross, Oberarzt der Abteilung Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) war aufgefallen, dass COVID-19 Patienten, die später intensivmedizinisch betreut werden mussten, zuvor erhöhte Konzentrationen an Erythrozyten, Albumin und Leukozyten im Urin aufwiesen. Zudem zeigten diese Patienten niedrige Antithrombin-III-Spiegel im Serum und schwere Hypalbuminurien, welche ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und Lungenödeme anzeigen.

COVID-19 Patienten, die auf Normalstation behandelt werden konnten, zeigten hingegen eine unauffällige Urinanalyse und normwertige Antithrombin-III- und Serumalbuminspiegel.

Die Göttinger Experten gehen davon aus, dass die Nephritis durch eine Infektion der Nierenzellen mit dem Erreger SARS-COV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus-2) verursacht wird, da der Virusrezeptor, das membranständige ACE2, auch von Podozyten exprimiert wird. Dazu passt, dass auch post-mortem Untersuchungen von COVID-19 Patienten histologische Veränderungen der Niere zeigten.

Die Autoren führen den schweren Erkrankungsverlauf und die schlechte Prognose dieser Patienten auf ein Capillary-Leak Syndrom zurück. Dieses kann zu einer Hypervolämie, Atemversagen und zum Tod führen.

Daher ist es entscheidend dieses frühzeitig zu erkennen und präventiv zu therapieren.

Diagnostischer Algorithmus zur frühen Detektion eines Capillary Leak Syndroms

Die Studienautoren haben vor diesem Hintergrund einen diagnostischen Algorithmus zur Detektion eines Capillary-Leak Syndroms entwickelt:

Als erster Schritt wird empfohlen bei allen Patienten mit Verdacht oder Nachweis auf eine SARS-COV-2-Infektion den Urin auf Leukozyten, Albumin und Erythrozyten zu untersuchen.

„Ist auch nur einer von drei Parametern schwer verändert, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Erkrankten auf Normalstation zeitnah verschlechtern, auf die Intensivstation verlegt werden müssen oder sich der Verlauf auf Intensivstation noch verschlechtert“, erklärt Prof. Dr. Oliver Gross.

Sind die Werte unauffällig ist von einem geringeren Dekompensationsrisiko auszugehen.

Die Urinuntersuchung sollte gemäß den Experten alle drei Tage wiederholt werden, bis der Patient genesen ist. Sollten bei den Wiederholung zwei der drei Parameter pathologisch sein, sollte eine Testung auf Anzeichen eines Capillary-Leak Syndroms erfolgen (Serumalbumin <2,0mg/dl und Antithrombin III <70%). Sind beide Werte pathologisch, liegt ein hohes Risiko für die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung des Patienten vor. Ist ein Kriterium erfüllt, stufen die Autoren das Risiko als intermediär ein. Die Patienten mit einem mittleren und hohen Risiko sollten täglich untersucht werden.

Schritte die auf ein intermediäres oder hohes Risiko für ein Capillary-Leak-Syndrom folgen sollten

Bei den Risikopatienten sollten präventive Maßnahmen in Betracht gezogen werden und frühzeitig eine Nierenersatztherapie evaluiert werden, um eine Volumenüberladung zu reduzieren/vermeiden. Insbesondere sollten die Patienten gescreent werden auf:

  1. ein interstitielles Lungenödem, welches im Rahmen der Volumenüberlastung entstehen kann;
  2. Zustand einer Immunsuppression, im Rahmen der renalen Verluste von Immunglobulinen;
  3. Herzkreislaufinsuffizienz, durch die Hypoalbuminämie;
  4. vermindertes Ansprechen auf Medikamente, auf Grund der eingeschränkten Plasmaproteinbindung und
  5. thromboembolische Ereignisse auf Grund der Antithrombin-Defizienz.

Ob sich der Algorithmus zur Vorhersage komplizierter COVID-19 Verläufe bewährt, wird seit Ende April in einer deutschen Multicenterstudie (NCT 04347824) überprüft.

Fazit

Prof. Dr. Simone Scheithauer,  Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der UMG  erklärt: „Wenn sich die Befunde des Ärzteteams der UMG bestätigen, hätte dies einen nachhaltigen Effekt. So könnte künftig bereits im Vorfeld die Notwendigkeit einer kommenden Behandlung auf Intensivstation vorhergesagt werden.“.Außerdem könnten Patienten früher und zutreffender für spezielle Therapien zugeordnet werden (auch bei Medikamentenstudien). „Durch das frühe Erkennen des capillary-leak Syndroms könnten symptomatische präventive Therapien eingeleitet werden und so vielleicht sogar lebensbedrohliche Verläufe verhindert werden“, so Scheithauer.

Die Ergebnisse einer deutschen Multicenterstudie, die derzeit die Effizienz des Algorithmus zur Vorhersage komplizierter COVID-19 Verläufe überprüft, bleiben abzuwarten.

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