
Schon zu Beginn der Pandemie wurde diskutiert, ob ein möglicher Therapie-Ansatz des Zytokinsturms, der gekennzeichnet ist durch eine massive Inflammation, hohes Fieber und meist deutlich erhöhte Interleukin-6 (IL-6)- und Ferritin-Spiegel, eine Blockade von IL-6 sein könnte.
Es folgten eine Reihe klinischer Studien, die die Wirkung dieser IL-6-Blocker wie bspw. Tocilizumab (RoActemra) und Sarilumab (Kevzara) untersuchten, doch es zeichnete sich zunächst ein widersprüchliches Bild ab. Zuletzt konnte jedoch die britische RECOVERY-Studie einen signifikanten Überlebensvorteil für hospitalisierte Patienten unter Tocilizumab zeigen: Innerhalb von 28 Tagen starben unter Standardtherapie 694 Patienten (33%), aber nur 596 Patienten (29%) unter Tocilizumab.
Mitte Mai 2021 wurde der monoklonale Antikörper Tocilizumab schließlich auch in die S3-Leitlinie zur stationären Therapie von schwer kranken COVID-19-Patienten mitaufgenommen und erhielt in den USA eine Notfallzulassung zur Behandlung hospitalisierter Erwachsener und Kinder ab zwei Jahren mit COVID-19.
Hintergrund der WHO-Empfehlung
Eine neue Analyse von 27 randomisierten Studien mit fast 11.000 Patienten ergab, dass die Behandlung von hospitalisierten COVID-19-Patienten mit Medikamenten, die die Wirkung von Interleukin-6 blockieren (wie die Interleukin-6-Antagonisten Tocilizumab und Sarilumab), das Mortalitätsrisiko und die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung reduziert.
Nach 28 Tagen wurden 1407 Todesfälle von 6449 Patienten registriert, die auf IL-6-Antagonisten randomisiert wurden, und 1158 Todesfälle von 4481 Patienten, unter Standard- Behandlung oder Placebo (OR 0,86 [95 % CI 0,79–0,95]; P = 0,003). Dies entspricht einem absoluten Mortalitätsrisiko von 22% für IL-6-Antagonisten im Vergleich zu 25% unter der Standard-Behandlung oder Placebo.
Die Interleukin-6-Antagonisten waren am wirksamsten, wenn sie zusammen mit Kortikosteroiden verabreicht wurden. Bei hospitalisierten Patienten verringerte die Verabreichung eines dieser Arzneimittel zusätzlich zu Kortikosteroiden das Sterberisiko um 13% im Vergleich zur alleinigen Anwendung von Kortikosteroiden.
Nach Aussage der WHO bedeutet dies, dass es pro tausend Patienten 15 Todesfälle weniger geben wird und auf tausend schwerkranke Patienten sogar 28 weniger Todesfälle. „Die Wahrscheinlichkeit einer mechanischen Beatmung bei schweren und kritischen Verläufen ist im Vergleich zur Standardversorgung um 28% reduziert. Dies bedeutet, dass von tausend Patienten 23 weniger Patienten eine mechanische Beatmung benötigen.“