
Hintergrund
Der monoklonale Antikörper Vilobelimab wurde von der deutschen Firma InflaRx mit Sitz in Jena und München entwickelt. Er bindet den Komplementfaktor C5a und soll so eine überschießende Immunreaktion, wie sie zuweilen bei schwerer Covid-19-Erkrankung vorkommt, dämpfen. Eine übersteigerte Abwehrreaktion des angeborenen Immunsystems kann zu Sepsis und Organversagen führen. Laut einer Pressemitteilung des Unternehmens liegt die Sterberate in diesen Fällen bei etwa 40 Prozent.
Im Fachmagazin The Lancet Respiratory Medicine wurde jetzt die Auswertung von Daten der Phase-III-Studie PANAMO veröffentlicht, einer der weltweit größten randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studien mit invasiv mechanisch beatmeten, schwerkranken Covid-19-Patienten. Demnach zeigt Vilobelimab gegenüber Placebo einen signifikanten Überlebensvorteil innerhalb der ersten 28 Behandlungstage.
Zielsetzung
Vilobelimab hat sich bereits in einer Phase-II-Studie bei beatmeten Covid-19-Patienten als sicher erwiesen. In der Phase-III-Studie sollte überprüft werden, ob der monoklonale Anti-C5a-Antikörper zusätzlich zur Standardbehandlung die Überlebenschancen dieser Patientengruppe verbessert.
Methodik
Die multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie umfasste 368 Covid-19-Patienten, die invasiv mechanisch beatmet wurden (maximal 48 Stunden nach der Intubation) und ein paO2/FiO2-Verhältnis von 60–200 mmHg aufwiesen. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip 1:1 randomisiert und erhielten zusätzlich zum derzeitigen Behandlungsstandard bestehend aus Antikoagulanzien, Dexamethason und Immunmodulatoren entweder Vilobelimab (bis zu sechs 800-mg-Infusionen) oder eine Placebo-Behandlung.
Als primäres Ergebnis war die Gesamtmortalität nach 28 Tagen in der vollständigen Studienpopulation definiert. Die Sicherheitsanalysen bezogen alle Patienten, die mindestens eine Infusion entweder mit Vilobelimab oder mit Placebo erhalten hatten, ein.
Ergebnisse
Nach 28 Tagen sank die Gesamtmortalität unter Vilobelimab im Vergleich zur Scheinbehandlung statistisch signifikant. In der Verumgruppe starben 54 von 177 Patienten (31%) innerhalb der ersten 28 Tage, im Placebo-Arm 77 von 191 Patienten (40%). Die 28-Tage-Gesamtmortalitätsrate lag in der Vilobelimab-Gruppe bei 32 Prozent (95%-KI: 25–39) und bei 42 Prozent (95%-KI: 35–49) im Kontroll-Arm (HR 0,73; 95%-KI: 0,50–1,06; p=0,094). In der vordefinierten Analyse ohne Standortstratifizierung reduzierte Vilobelimab die Gesamtmortalität nach 28 Tagen signifikant (HR 0,67; 95%-KI: 0,48–0,96; p=0,027).
Schwere unerwünschte Wirkungen waren bei 59 Prozent in der Vilobelimab- und bei 63 Prozent in der Placebo-Gruppe zu verzeichnen – am häufigsten akutes Nierenversagen (20 vs. 21%), Pneumonie (22 vs. 14%) und septischer Schock (14 vs. 16%).
Fazit
Zusätzlich zur Standardbehandlung verbessert Vilobelimab das Überleben von invasiv mechanisch beatmeten Covid-19-Patienten und führt zu einer deutlichen Verringerung der Sterblichkeit, resümiert die Arbeitsgruppe um Erstautor Professor Dr. Alexander Vlaar von der Universität Amsterdam und Seniorautor Professor Dr. Niels Riedemann, Gründer und Geschäftsführer von InflaRx.
Somit könne Vilobelimab als zusätzliche Therapie für diese Klientel in Betracht gezogen werden. Jetzt seien weitere Forschungen zur Rolle von Vilobelimab und C5a bei anderen Virusinfektionen, die ein akutes Atemnotsyndrom verursachen, erforderlich, so die Wissenschaftler.
Professor Dr. Martin Witzenrath, stellvertretender Vorsitzender der Abteilung für Infektionskrankheiten und Beatmungsmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Leiter der PANAMO-Studie, kommentierte:
„Wir benötigen weiterhin dringend Behandlungen, die den am schwersten betroffenen kritisch kranken und invasiv beatmeten Covid-19-Patienten helfen können, die an einem durch eine virale Sepsis verursachten Lungenversagen leiden und die trotz der angewandten Standardbehandlung immer noch hohe Sterblichkeitsraten im Bereich von 40 Prozent aufweisen. Die Ergebnisse der PANAMO-Studie zeigen ein robustes Signal für eine verbesserte Überlebensrate durch C5a-Hemmung bei diesen hochgradig gefährdeten Patienten.“