Weniger Routineimpfungen in der Corona-Pandemie

Die besonderen Umstände in der COVID-19-Pandemie haben zu Unterbrechungen von Impfserien und einem erheblichen Rückgang von Routineimpfungen bei Kindern geführt. Ende 2020 warteten weltweit 8,5 Millionen Kinder auf eine DTP3-Impfung und 8,9 Millionen Kinder auf eine MCV1-Impfung.

Impfung Baby

Hintergrund

Die globalen Anstrengungen, während der COVID-19-Pandemie, die Übertragung von SARS-CoV-2 zu reduzieren, um Erkrankungsfälle und Todesopfer zu vermeiden, haben beträchtliche Auswirkungen auf die weltweite Gesundheitsversorgung. Beispielsweise führte das Aussetzen von Routineimpfungen bei Millionen Kindern zu Impflücken. Eine im Fachmagazin The Lancet publizierte Modellierungsstudie untersuchte die verabreichten Dosen von Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfstoffen (DTP3) und Impfstoffen zum Schutz vor Masern (MCV1). Verglichen mit den erwarteten Versorgungslücken für anspruchsberechtigte Kinder im Jahr 2020 wurden pandemiebedingt zusätzlich 8,5 Millionen Kinder nicht routinemäßig mit DTP3 und 8,9 Millionen Kindern nicht routinemäßig mit MCV1 geimpft [1].

Zielsetzung

Die Studiengruppe um Kate Causey vom Institute for Health Metrics and Evaluation der University of Washington in Seattle erforschte, in welchem Umfang die COVID-19-Pandemie bis Dezember 2020 Routineimpfungen auf globaler, regionaler und nationaler Ebene beeinflusste. Im Detail analysierten sie die Impfraten der dritten DTP3-Impfdosis gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis und die erste Dosis von MCV1-Vakzinen zum Schutz vor Masern.

Methodik

Die Untersuchung basiert auf einer Befragung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in der Länder die Auswirkungen auf grundlegende Gesundheitsdienste bewerteten. Demnach gaben 90 Prozent von 105 Nationen pandemieassoziierte Einschränkungen an [2]. Unter Verwendung dieser und weiterer administrativer Daten sowie Berichten aus elektronischen Immunisierungsprogrammen konnte die Arbeitsgruppe die Unterbrechungen der Routineimpfungen im Jahr 2020 abschätzen.

Ergebnisse

Gemäß der Modellierungsstudie lag die geschätzte Durchimpfungsrate 2020 weltweit für DTP3 bei 76,7 Prozent (95%-KI: 74,3–78,6) und für MCV1 bei 78,9 Prozent (95%-KI: 74,8–81,9). Daraus ergibt sich für die DTP3-Impfung ein pandemiebedingtes Defizit von 7,7 Prozent (95%-KI: (6,0–10,1) im Vergleich zu den erwarteten Impfraten ohne COVID-19-Einfluss. Für die MCV1-Impfung wurde ein Minus von 7,9 Prozent (95%-KI: 5,2–11,7) ermittelt.

Von Januar bis Dezember 2020 haben Kinder schätzungsweise 30 Millionen Dosen von DTP3 und 27,2 Millionen Dosen MCV1 verpasst. Die höchsten monatlichen Einschnitte bei den Durchimpfungsraten wurden im April 2020 erfasst. In diesem Zeitraum sank die globale Anzahl der verabreichten Impfdosen an DTP3 um 31,3 Prozent und an MCV1 um 30,1 Prozent. Bis Dezember 2020 näherte sich die Impfrate den erwarteten Werten zunehmend an.

Höchster Rückgang in Südasien

Die stärksten jährlichen Auswirkungen betrafen Südasien, Nordafrika, den Nahen Osten, Lateinamerika und die Karibik. Der höchste Impfrückgang weltweit wurde in Südasien verzeichnet. Dort brach die Zahl der verabreichten DTP3-Dosen im April 2020 um 58,3 Prozent und die der MCV1-Dosen um 43,1 Prozent ein.

Die geringsten jährlichen Rückgänge der Impfstoffabgabe registrierte Afrika südlich der Sahara (-3,8 Prozent für DPT3 und -4,4 Prozent für MCV1). Dies ließe sich mit den dort vergleichsweise niedrigen COVID-19-Infektionsraten im Untersuchungszeitraum erklären.

Fazit

Die routinemäßigen Impfdienste standen 2020 – dem Jahr mit der weitreichendsten und größten globalen Pandemie in der jüngeren Geschichte – vor enormen Herausforderungen. Das SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 führten in vielen Ländern zu einer Regression der Routineimpfungen impfpräventabler Infektionskrankheiten. Obwohl die neuesten Daten in einigen Regionen auf eine Erholung der Impfraten hindeuten, sind Ende 2020 immer noch Millionen von Kindern zu wenig oder gar nicht gegen vermeidbare Krankheiten geimpft.

Erschwerend hinzu kommt, dass bereits im Jahr 2019 – unabhängig von der Coronapandemie – die Zielvorgabe von 90 Prozent Durchimpfungsrate unterschritten wurde. Jeder weitere Rückgang der Impfraten erhöht das gesundheitliche Risiko. Um Millionen Kinder vor vermeidbaren Krankheiten zu schützen, sind weltweit konzertierte Aufhol- und Erweiterungsbemühungen bei den Routineimpfungen notwendig.

Autor:
Stand:
26.07.2021
Quelle:
  1. Causey, K. et al. (2021): Estimating global and regional disruptions to routine childhood vaccine coverage during the COVID-19 pandemic in 2020: a modelling study. Lancet 2021 Jul 14; S0140-6736(21)01337-4; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01337-4.
  2. Weltgesundheitsorganisation (WHO): Pulse survey on continuity of essential health services during the COVID-19 pandemic: interim report. 27. August 2020.
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