Erhöhtes Risiko für Demenz durch Migräne?

Bei Migränepatienten zeigen sich Veränderungen im Hirngewebe, die mit einem erhöhten Risiko für kognitive Störungen assoziiert sind. Ob Migräne darüber hinaus einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz darstellt, untersuchte eine aktuelle Studie.

Migräneattacke

Hintergrund

Patienten mit Migräne leiden unter starken Kopfschmerzen sowie autonomen Begleitsymptomen und sind je nach Intensität und Häufigkeit der Attacken mehr oder weniger stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Doch das ist nicht alles, denn Migränepatienten sind prädisponiert für weitere Erkrankungen.

Aufgrund der vaskulären Komponente in der Pathogenese der Migräne wird seit Längerem untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Migräne und dem Auftreten vaskulärer Erkrankungen gibt.

So zeigen beispielsweise zwei Studien aus dem Jahr 2018, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte haben. Das Schlaganfallrisiko ist besonders bei Migränepatienten mit Aura erhöht.

Im Hirngewebe von Migränepatienten zeigen sich im MRT Hyperintensitäten in der weißen Substanz und schlaganfallähnliche Läsionen, sogenannte stumme Infarkte. Solche magnetresonanztomographischen Veränderungen im Hirngewebe gehen mit einem erhöhten Risiko für kognitive Störungen einher. Ob Migräne jedoch direkt und unabhängig von diesen Veränderungen das Demenzrisiko erhöht, wurde bisher nur in kleinen retrospektiven Studien untersucht.

Zielsetzung

Ein Team um Dr. Kristen George vom Department für Epidemiologie der Universität von Kalifornien in Davis untersuchte eine mögliche Assoziation zwischen Migräne und Demenz [1].

Methodik

In der prospektiven Kohortenstudie wurde die Migräneanamnese mittels Fragebogen ermittelt. Die Symptome wurden gemäß den Kriterien der International Headache Society erfasst.

Ausschlusskriterien waren eine bereits bestehende Demenz und Schlaganfälle.

Die Diagnose Demenz wurde in der Studie durch kognitive Tests, neuropsychologische Untersuchungen und durch die klinische Beurteilung von Verdachtsfällen gestellt. Die Berechnung der Inzidenz ergab sich aus den bestätigten Fällen, telefonischen Verlaufskontrollen sowie der Dokumentation von Klinikdiagnosen und Todesursachen. Auch das Vorliegen möglicher Geschlechtsunterschiede sowie weiterer Kovariablen wurde untersucht.

Ergebnisse

Insgesamt gingen 12.495 Teilnehmer in die Studie mit ein, 1.397 Teilnehmer litten unter Migräne. Das Alter der Studienteilnehmer lag zwischen 51 und 70 Jahren und die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 21 Jahre.

Die Prävalenz für eine Demenz zeigte sich in der Studienpopulation wie folgt:

  • Teilnehmende ohne Migräne 18,5% (1.821/9.955)
  • Teilnehmende mit Migräne 16,7% (233/1.397)
  • Teilnehmende mit schweren Nicht-Migräne-Kopfschmerzen 15,8% (196/1.243).

Im Ergebnis zeigte sich keine Assoziation zwischen Migräne und der Demenz-Inzidenz (Hazard Ratio 1,04).

Einfluss von Kovariablen

Weiterhin wurde ein möglicher Einfluss verschiedener Kovariablen analysiert, darunter beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungsstatus und verschiedene Erkrankungen (Hypertension, Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit). Dabei zeigten sich keine statistisch signifikanten Interaktionen zwischen Migräne, Demenz und den verschiedenen Kovariablen.

Fazit

In dieser prospektiven Kohortenstudie zeigte sich, dass trotz der bekannten Veränderungen im Hirngewebe bei Migränepatienten keine Assoziation zwischen Migräne und Demenz besteht. Die Autoren betonen allerdings, dass die Studiendaten keine Aussage darüber erlauben, ob weitere Charakteristika wie die Anzahl und Intensität der Migräneattacken oder das Alter zu Beginn der Migräne mit einem erhöhten Risiko einer Demenz assoziiert sind.

„Trotz der Tatsache, dass Migränepatienten in seltenen Fällen Veränderungen im Hirngewebe aufweisen, haben die Betroffenen kein höheres Risiko, eine Demenz zu entwickeln“, fasst Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Studienergebnisse zusammen [2]. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Hinweise darauf, dass die bei Migränepatienten auftretenden Veränderungen in der weißen Substanz eine klinische Bedeutung oder einen Krankheitswert haben“, so der Experte.

Quelle:
  1. George et al. (2020): Migraine Headache and Risk of Dementia in the Atherosclerosis Risk in Communities Neurocognitive Study. Headache, DOI: https://doi.org/10.1111/head.13794
     
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Pressemeldung, 20.05.2020
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