
Die häufigste Form von Demenz, Alzheimer, ist bislang nicht heilbar. Gleiches gilt für andere neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Multiple Sklerose. Durch den demografischen Wandel nimmt die Zahl von Demenzkranken kontinuierlich zu. Für das Jahr 2050 prognostizieren Experten vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen einen Anstieg auf 2,4-2,8 Millionen Demenz-Patienten alleine in Deutschland. Umso verständlicher ist es, dass die Hoffnungen auf eine kausale Alzheimer-Therapie groß sind.
Wie funktioniert die transkranielle Pulsstimulation?
Eine Therapieform, die Heilung verspricht, ist die sogenannte transkranielle Pulsstimulation (TPS). Dabei handelt es sich um eine gepulste ultraschallbasierte Methode, welche das Gehirn nicht invasiv stimuliert. Dazu wird eine spezielle Ultraschallsonde genutzt, die über eine sehr kurze Zeit (30 µs) Ultraschallpulse mit einer Frequenz von 5 Hz emittiert, welche die Regeneration des Nervensystems stimulieren soll. Das Konzept basiert auf über 10 Jahren Forschungsarbeit an der Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie der Medizinischen Universität Wien in der Arbeitsgruppe von Prof. Roland Beisteiner. Im Online-Informationsportal „Alzheimer-Demenz Deutschland“ wird die TPS als „eine innovative und zukunftsweisende Behandlungs-Option“ bezeichnet. Im deutschsprachigen Raum wir die Therapie bereits an über 42 Standorten angeboten
Evidenzlage zur TPS bei Alzheimer
Wie immer lohnt es sich, die zugrunde liegenden Studien anzuschauen. Das haben Experten der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) nun getan. Die Ergebnisse ihrer Prüfung fassen sie in einer kritischen Stellungnahme zusammen [1]. Seit 2019 wurden insgesamt sechs Studien zu den Forschungsdaten veröffentlicht.
Geringe Teilnehmerzahl
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass vier der neun Studien auf Untersuchungen einer relativ kleinen Kohorte von 35 Teilnehmern mit einer wahrscheinlichen Alzheimer-Demenz beruhen. Die Teilnehmer erhielten die TPS über einen Zeitraum von 2-4 Wochen mit drei Sitzungen pro Woche mit je 6.000 Pulsen pro Sitzung. Der zu stimulierende Bereich wurde individuell festgelegt und umfasste Regionen des „Alzheimer-Netzwerks“ inklusive des dorsolateralen präfrontalen Kortex und des Default Mode Netzwerks [2]. Es zeigten sich signifikant positive Wirkungen auf die neurokognitiven Leistungen der Teilnehmer, was mittels CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease, korrigierter Gesamtscore) gemessen wurde. Neben den positiven Effekten auf die kognitiven Domänen „Gedächtnis“ und „verbale Funktionen“ traten im Bereich der visuo-konstruktiven Leistungen negative Effekte auf. Weitere Studien stellen Sekundäranalysen dieser Primärstudie [3, 4].
Aktuelle Datenlage kritisch
Die DGKN kritisiert in ihrer Stellungnahme folgende Punkte:
- Bislang nur eine Pilotstudie mit geringer Teilnehmerzahl ohne Verblindung und Randomisierung [2]
- Evidenzbasierte Ansatz sollte auch für medizintechnische Therapien gelten; multizentrische, randomisierte, kontrollierte doppelt-verblindete Phase-II/III-Studien mit signifikanten Ergebnis für den primären Wirksamkeitsendpunkt nötig
- Biologische und neurophysiologische Wirkung bislang nur in Ansätzen untersucht
- Kurze Nachbeobachtungsdauer von lediglich 3 Monaten.
„Sieht man sich die publizierten Studien im Detail an, so gibt es derzeit definitiv noch keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit der neuen Methode. Für einen Wirksamkeitsnachweis der neuen Therapie sind placebokontrollierte, randomisierte verblindete Studien mit höherer Patientenzahl und längerer Nachbeobachtungszeit erforderlich. Es ist daher aktuell nicht gerechtfertigt, TPS als neue effektive Therapieform der Alzheimer-Erkrankung oder anderer Erkrankungen des Gehirns anzusehen und zu bewerben“, so das Fazit von Prof. Ulf Ziemann, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie, Co-Direktor am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen und Vorstandmitglied der DGKN [1].
Prävention im Fokus
Es bleibt demnach dabei, dass es bislang keine wirksame Therapie gegen Alzheimer gibt. Umso wichtiger ist die Prävention. Viele Risikofaktoren lassen sich beeinflussen, insgesamt zwölf modifizierbare Risikofaktoren hat eine Expertenkommission benannt. Dazu zählen unter anderem die Therapie von Bluthochdruck, Adipositas und Depressionen sowie ausreichend körperliche und geistige Aktivität.