
Hintergrund
Es ist bekannt, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren den kognitiven Abbau begünstigen können. So zeigten vorangegangene Studien, dass Bluthochdruck, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen und Adipositas im mittleren Lebensalter mit einem erhöhten Risiko für kognitiven Abbau und Demenz im hohen Alter verbunden sind. Die Gehirnalterung und der alterungsbedingte Abbau kognitiver Funktonen vollziehen sich jedoch über Jahrzehnte. Ergebnisse aus longitudinalen Studien weisen darauf hin, dass Symptome des Abbaus bestimmter kognitiver Fähigkeiten, wie die Prozessgeschwindigkeit und exekutive Funktionen, bereits im mittleren Alter in Erscheinung treten können[1].
Kognitiver Abbau im mittleren Alter
Bislang wurde aber noch nicht untersucht, ob die genannten kardiovaskulären Risikofaktoren, dass Risiko für das Auftreten kognitiven Beeinträchtigungen bereits im mittleren Lebensalter erhöhen können, bzw. den kognitiven Abbau so beschleunigen, dass die Einbußen im mittleren Alter messbar sind. Forscher um Dr. Kristine Yaffe von der Universität Kalifornien in San Francisco gingen dieser Frage nun in einer Teilstudie im Rahmen der laufenden Coronary Artery Risk Development in Young Adults (CARDIA) Studie nach[2].
Zielsetzung
Die Forscher überprüften die Hypothese, ob kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes, Cholesterinämie, Adipositas und Rauchen die Wahrscheinlichkeit für eine Beschleunigung des kognitiven Abbaus bereits im mittleren Lebensalter erhöhen.
Methoden
CARDIA ist eine Multicenter-Langzeitstudie zur Untersuchung von Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit (KHK) in einer Kohorte von US-Bürgern. Die 5115 Teilnehmer wurden im Alter von 18-30 Jahren zwischen 1985 und 1986 rekrutiert. Sie waren zu diesem Zeitpunkt kardiovaskulär gesund. In die aktuelle Teilstudie wurden CARDIA-Teilnehmern eingeschlossen, die sowohl im Jahr 25 nach Beginn der Langzeitstudie (2010-11) als auch 5 Jahre später eine kognitive Testreihe vollständig durchlaufen hatten. Teilnehmer, die selbst von einem Schlaganfall berichtet hatten, wurden ausgeschlossen. Die kardiovaskulären Risikofaktoren wurden in klinischen Untersuchungen und über Selbstauskunft erhoben.
Kognitive Tests
Zur Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer wurden eigens zentral geschulte Interviewer eingesetzt. Sie führten mit den Teilnehmern bei beiden Terminen folgende kognitive Tests durch:
- Zahlen-Symbol-Test (Digit Symbol Substitution Test [DSST]) zur Feststellung der Prozessgeschwindigkeit und der exekutiven Funktionen
- Farb-Wort-Interferenz-Test (Stroop Test) als ergänzender Test zu Feststellung exekutiver Funktionen
- Rey Auditory Verbal Learning Test (RAVLT) als verbaler Lern- und Merkfähigkeits-Test (VLMT)
Zur Analyse wendeten die Autoren sowohl ein nicht-adjustiertes als auch ein adjustiertes logistisches Regressionsmodell an. Letzteres wurde um Kovariaten, wie Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Bildung, Depressionssymptome, körperliche Aktivität und Alkoholkonsum, bereinigt.
Ergebnisse
In die finale Analyse wurden 2.675 Teilnehmer im mittleren Alter von 50,2 Jahren eingeschlossen. Weiblichen Geschlechts waren 57,1% (n= 1528) und 55,3% (n=1479) waren von weißer Hautfarbe.
Die Prävalenz für kardiovaskuläre Risikofaktoren betrug Baseline für Hypertonie 30,9%, für Diabetes 10,9%, für Adipositas 42,5%, 9,3% für hohe Cholesterinwerte und 15% für aktives Rauchen.
Beschleunigter kognitiver Abbau
Bei 5% der Teilnehmer (n=143) wurde beim Follow up nach 5 Jahren ein beschleunigter kognitiver Abbau festgestellt. Dabei waren in der multivariaten adjustierten Analyse Rauchen um 65% (adjusted odds ratio [AOR]=1,65; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,00-2,71], Hypertonie um 87% (AOR=1,87; 95% CI 1,26-2,75) und Diabetes um 145% (AOR=2,45; 95% CI 1,54-3,88) mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit für einen beschleunigten kognitiven Abbau assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit eines beschleunigten kognitiven Abbaus nahm auch mit der Anzahl der kardiovaskulären Risikofaktoren zu: bei 1-2 Risikofaktoren um 94% und bei ≥ 3 Risikofaktoren sogar um 251%.
Fazit
In einer Pressemitteilung der American Academy of Neurology erklärte Yaffe:„ Die meisten öffentlichen Präventionsprogramme (hinsichtlich kognitiven Abbaus) fokussieren auf Personen im höheren Alter, unsere Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass die kognitive Leistungsfähigkeit über die gesamte Lebenspanne beobachtet werden sollte.“ Personen mit kardiovaskulären Risikofaktoren sollten daher frühzeitig auf ihre kognitiven Risiken hingewiesen werden und zu einem gesünderen Lebensstil ermutigt werden.