
Anlässlich des Kopfschmerztages am 5. September informiert die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemeldung über nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Therapie von Kopfschmerzen. Denn häufig werde, so die Experten, zu schnell zur Schmerztablette gegriffen, was bei zu häufiger Einnahme aber den Kopfschmerz verschlechtern kann. Man spricht in diesem Fall von MOH (Medication Overuse Headache). Seit 2018 existiert hierzu auch eine Leitlinie.
Vorgehen bei Kopfschmerzen
Viele Menschen leiden an Kopfschmerzen. Treten Kopfschmerzen häufig auf oder sind chronisch (Auftreten an mehr als 15 Tagen pro Monat über drei Monate), sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen. Aufgrund der verschiedenen Kopfschmerzarten und -ursachen ist eine genaue Diagnose zur Einleitung einer adäquaten Therapie wichtig. Dabei helfen den Ärzten präzise Beschreibungen der Patienten, die u.a. folgende Fragen beantworten sollten:
- Ist der Schmerz stechend oder dumpf?
- Geht der Kopfschmerz mit Übelkeit einher?
- Wie häufig und in welchen Situationen tritt der Kopfschmerz auf?
- Wie oft wurden Schmerzmittel eingenommen?
Am häufigsten werden Spannungskopfschmerz und Migräne diagnostiziert.
Spannungskopfschmerz
Als Ursache für Spannungskopfschmerz wird das Zusammenspiel von verhärteter Nackenmuskulatur und Stress vermutet. Von einer Chronifizierung spricht man, wenn der Schmerz an mehr als 15 Tagen pro Monat auftritt. Betroffen davon sind etwa 15% der Bevölkerung, nicht chronisch tritt der Spannungskopfschmerz bei 40 – 90% der Bevölkerung auf.
Viele Menschen greifen schnell zu Analgetika, was auch meistens eine schnelle Linderung herbeiführt. Allerdings besteht die Gefahr eines MOH, wenn die Schmerzmittel über ein Vierteljahr an mehr als 10 Tagen pro Monat eingenommen werden. „Daher lohnt es sich, auch nichtmedikamentöse Maßnahmen auszuprobieren, zumal bekannt ist, dass die Kombination aus pharmakologischer Therapie und Stressbewältigungstraining erfolgreicher ist als die alleinige Einnahme von Tabletten“, erklärt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, ein international renommierter Kopfschmerzexperte und Pressesprecher der DGN.
Entspannungstechniken bei Spannungskopfschmerz
Nichtmedikamentöse Maßnahmen, die von den Leitlinien als wirksam eingestuft werden, sind EMG-basierte Biofeedback-Therapien und Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation (PMR). Vermutlich seine auch Physiotherapie und medizinische Trainingstherapie wirksam. „Diese Verfahren zeigen erst langfristig Wirkung, aber auch in der Akutsituation gibt es eine Alternative für Schmerztabletten: Vielen Menschen mit Spannungskopfschmerzen hilft es, wenn sie großflächig auf Nacken und Schläfen Pfefferminzöl auftragen“, so der Experte. Natürlich sei es nicht in jeder Situation möglich, auf die Einnahme von Schmerzmitteln zu verzichten. Vielmehr solle der Einsatz von Entspannungstechniken und Biofeedback bei der Reduktion der Anfallshäufigkeit unterstützen, damit die Schmerzmitteleinnahme weniger häufig erforderlich ist. Hilft die alleinige Therapie mit Schmerzmitteln nicht, so hat sich z.B. die Dauertherapie mit Amitriptylin als wirksam erwiesen.
Migräne
Migräne ist durch heftige, meist einseitig lokalisierte, periodisch auftretende Kopfschmerzattacken gekennzeichnet. Nach Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft dauert eine Migräne-Kopfschmerzphase zwischen 4 und 72 Stunden. Begleitet wird der Kopfschmerz von typischen autonomen Begleiterscheinungen, beispielsweise Übelkeit, Erbrechen oder Photophobie.
Auch in der Migräne-Therapie besteht die Gefahr eines MOH. Triptane, die häufig in der Therapie von Migräne eingesetzt werden, können ebenfalls zu einem Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz führen.
Ausdauersport, Entspannungstechniken und Vermeiden von Triggern
„Daher sollten Menschen mit Migräne alles daran setzen, die Anzahl der Migräneanfälle zu reduzieren, indem sie die ihnen bekannten Auslöser („Trigger“) meiden und die in den Leitlinien empfohlenen nicht-medikamentösen Maßnahme zur Anfallsprophylaxe ernst nehmen und konsequent umsetzen, und zwar: regelmäßig Ausdauersport zu treiben“, so Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.
Auch Migräne-Patienten sollten eine medikamentöse Therapie immer durch nichtmedikamentöse Verfahren der Verhaltenstherapie (z.B. Entspannungsverfahren) ergänzen. „Durch eine solche Anfallsprophylaxe, dem Vermeiden von bekannten individuellen Triggern, wie z.B. visuellen Reizen oder Rotwein, dem regelmäßigen Ausdauersport und mit Entspannungsverfahren schaffen es viele Patienten mit Migräne, ihre Anfallsfrequenz so zu senken, dass sie nicht an mehr als 10 Tagen Medikamente einnehmen müssen. Kommt es aber zu einem Migräneanfall, ist es wichtig, so früh wie möglich die Tabletten einzunehmen, dann sind sie wirksamer“.
Antikörper zur Migräneprophylaxe
Mittlerweile gibt es für Patienten, die stark durch Migräne betroffen sind, auch eine weitere Option in Form von Antikörpern, die zur Prophylaxe eingesetzt werden können. Erhältlich sind Emgality (Galcanezumab), Aimovig (Erenumab) und Ajovy (Fremanezumab).
„Seit Mitte des letzten Jahres sind verschiedene Antikörpertherapien auf den Markt, die bei Patienten, die darauf ansprechen, sehr wirksam Migräneanfällen vorbeugen und deutlich zur Lebensqualität beitragen. Allerdings spricht nur etwa die Hälfte der Betroffenen auf die Therapie an. Deshalb, aber auch letztlich auch wegen der hohen Therapiekosten sollten vorher alle anderen Optionen ausgeschöpft worden sein, bevor diese Migränespritzen zum Einsatz kommen. Wichtig ist, dass bei jeder Kopfschmerzerkrankung auch die nichtmedikamentösen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Daran möchten wir am Kopfschmerztag erinnern“, so das abschließende Fazit von Professor Diener.