Risiken neurologischer Erkrankungen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie fordert angesichts von Ergebnissen der Global Burden of Diseases-Studie die Stärkung von Versorgungsstrukturen und Präventionsprogrammen, um dem Trend zur Zunahme neurologischer Erkrankungen entgegenzuwirken. Die Studie zeigt, dass Demenz, Parkinson und andere neurologische Erkrankungen etwa 60% der EU-Bürger betreffen.

Gehirn

Die 2016 veröffentlichte Global Burden of Diseases-Studie (GBD) zeigte, dass neurologische Erkrankungen einen großen und zunehmenden Anteil an der weltweiten Gesundheitslast ausmachen. Die European Academy of Neurology (EAN) hatte eine Studie beauftragt, welche die neurologische Krankheitslast in der Europäischen Union mit der von ganz Europa und weltweit vergleicht. Die Daten wurden nun im Fachjournal „The Lancet Public Health“ publiziert [1]. Die Unterscheidung zwischen EU und Europa ergibt sich dadurch, dass das von der WHO erfasste europäische Gebiet wesentlich mehr Länder umfasst als die EU.

Regionale Unterschiede erkennen

Die Prävalenz der meisten neurologischen Erkrankungen nimmt mit steigendem Alter zu. Die Bevölkerung in der EU ist älter als in anderen Regionen der Welt, wodurch die Region ein wichtiges Setting zur Untersuchung der Dynamiken der Krankheitslast neurologischer Erkrankungen darstellt. Gleichzeitig ist es wichtig nationale und regionale Entwicklungen zu untersuchen, um die Gesundheitspolitik für die Stärkung von Versorgungsstrukturen und Präventionsprogrammen zu sensibilisieren.

Krankheitslast von Demenz, Epilepsie & Co.

In der Studie wurde die Krankheitslast neurologischer Erkrankungen anhand verschiedener Parameter erfasst:

  • Inzidenz
  • Prävalenz
  • Mortalität
  • Durch Behinderung verlorene Lebensjahre (DALYs [disability-adjusted life-years], addiert die durch Mortalität verlorenen Krankheitsjahre und die Jahre mit krankheitsbedingt verminderter Lebensqualität).

Untersucht wurde die Krankheitslast verschiedener neurologischer Erkrankungen, etwa Alzheimer und andere Formen von Demenz, Epilepsien, Migräne und Spannungskopfschmerz, Multiple Sklerose, Parkinson, maligne Hirntumoren, Motoneuronenerkrankungen wie beispielsweise ALS, Infektionen des Nervensystems und Schlaganfälle.

60% der EU-Bürger haben mindestens eine neurologische Erkrankung

Im Jahr 2017 waren in der EU 307 Millionen Menschen an mindestens einer neurologischen Erkrankung erkrankt. Bei einer Gesamtbevölkerung von 512,4 Millionen entspricht dies 60% der Bevölkerung. Die Gesamtzahl von DALYs, die durch neurologische Erkrankungen ausgelöst wurden, liegt bei 21 Millionen in der Europäischen Union und im gesamten europäischen WHO-Gebiet bei 41,1 Millionen.

Dritter Platz nach kardiovaskulären Krankheiten und Krebs

Im europäischen WHO-Gebiet verstarben 1,97 Millionen Menschen an einer neurologischen Erkrankung und in der EU 1,1 Millionen Menschen. In der EU machen neurologische Erkrankungen 13,3% aller DALYs und 19,5% der Gesamttodesfälle aus. Sie landen damit an dritter Stelle nach kardiovaskulären Erkrankungen, etwa Koronare Herzkrankheit oder Hypertonie, und Krebserkrankungen.

Schlaganfälle, Demenz und Kopfschmerzen häufig verantwortlich

Die drei häufigsten DALY-Ursachen in der EU waren Schlaganfälle, Demenz und Kopfschmerzen. Bei Männern war die Krankheitslast größer als bei Frauen und der Altersgipfel lab bei 80-84 Jahren.

Krankheitslast nimmt für Einzelpatienten teils ab

„Die Prävalenz neurologischer Erkrankungen ist hoch – die hohe Zahl hat uns selbst überrascht – und sie wird aufgrund des demografischen Wandels weiter ansteigen“, fasst Studienautor Professor Dr. Günther Deuschl die Ergebnisse der Studie zusammen [2]. „Wir können an der Studie zahlreiche Trends erkennen: Einige Krankheiten nehmen ab, wie etwa die Hirnentzündungen, aber die sowieso schon häufigen Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, M. Alzheimer, M. Parkinson) nehmen quantitativ zu. Bemerkenswert ist, dass die Krankheitslast für den Einzelpatienten für einige Erkrankungen aber abnimmt.“

Schlaganfälle sind hierfür ein gutes Beispiel. Im Zeitraum von 1990-2017 kam es zu einer Reduktion der DALYs für den einzelnen Patienten um 54%. Hierin spiegeln sich eine verbesserte Prävention sowie Fortschritte in der Therapie wider. Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung nimmt die Patientenzahl aber dennoch zu. „Die Daten legen nahe, dass neurologische Versorgung und Prävention wirksam sind und stellen ein klares Signal dafür da, für alle neurologischen Erkrankungen bessere Krankheitsversorgung und Forschung zu etablieren“, so Deuschl.

Präventionsprogramme, Versorgungsstrukturen und Forschung stärken

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) sieht, aufgrund der Studienergebnisse, die Notwendigkeit des Ausbaus von Versorgungsstrukturen und der Stärkung von Forschungsvorhaben. „Da die Erkrankungszahlen weiter steigen, ist es von besonders hoher Bedeutung, gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden effektive Präventionsprogramme auf den Weg zu bringen. Dem trägt die DGN mit einer speziellen Kommission zu dieser Thematik Rechnung“, so Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN [2].

Quelle:
  1. Deuschl et al. (2020): The burden of neurological diseases in Europe: an analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. The Lancet Public Health.
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Pressemeldung, 07.10.2020
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