Rote-Hand-Brief zu Terlipressin

Die Zulassungsinhaber terlipressinhaltiger Arzneimittel informieren über ein erhöhtes Risiko für schwere oder letale Ateminsuffizienz sowie Sepsis bzw. septischen Schock bei Patienten mit hepatorenalem Syndrom Typ 1.

Rote-Hand-Brief

Die Zulassungsinhaber terlipressinhaltiger Arzneimittel informieren in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über folgenden Sachverhalt.

Zusammenfassung

  • Terlipressin kann bei Patienten mit hepatorenalem Syndrom Typ 1 (HRS-1) mit höherer als bisher bekannter Häufigkeit eine schwere oder letale Ateminsuffizienz auslösen.
  • Terlipressin kann bei Patienten mit HRS-1 das Risiko für Sepsis/septischen Schock erhöhen.
  • Die Gabe von Terlipressin ist bei Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung, d.h. mit einem Ausgangswert für Serumkreatinin [sCr] ≥442 µmol/l (5,0 mg/dl), zu vermeiden, es sei denn, der individuelle Nutzen überwiegt die Risiken. Grund dafür sind die verminderte Wirksamkeit, erhöhte Mortalität und das erhöhte Risiko von Nebenwirkungen, die bei diesen Patienten festgestellt wurden.
  • Die Gabe von Terlipressin ist bei Patienten mit ACLF (Acute-on-Chronic Liver Failure) Grad 3 und/oder einem MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) ≥39 zu vermeiden, es sei denn, der individuelle Nutzen überwiegt die Risiken. Grund dafür sind die verminderte Wirksamkeit, erhöhte Mortalität und das erhöhte Risiko für Ateminsuffizienz, die bei diesen Patienten festgestellt wurden.
  • Patienten mit neu auftretenden Atembeschwerden oder Verschlechterung einer bereits vorliegenden Atemwegserkrankung müssen stabilisiert werden, bevor die erste Dosis von Terlipressin verabreicht wird. Diese Patienten müssen während der Behandlung engmaschig überwacht werden. Falls die Patienten respiratorische Symptome entwickeln, sollte eine Reduktion der Dosis von Humanalbumin erwogen werden (falls dieses angewendet wird). Bei schweren oder nicht abklingenden Symptomen sollte Terlipressin abgesetzt werden.
  • Die Patienten sind engmaschig auf Infektionszeichen und -symptome zu überwachen.
  • Terlipressin kann als intravenöse (i.v.) Dauerinfusion verabreicht werden. Bei Verabreichung von Terlipressin als intravenöse Dauerinfusion ist die Rate schwerwiegender Nebenwirkungen möglicherweise niedriger als bei Verabreichung als intravenöser Bolus.

Hintergrund zu den Sicherheitsbedenken

Terlipressin ist indiziert zur Behandlung des hepatorenalen Syndroms Typ 1 (HRS-1), Ösophagusvarizenblutungen und Blutungen im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen, insbesondere im Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt. Die Indikationen unterscheiden sich in den einzelnen EU-Ländern.

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) der EMA hat im Anschluss an die Ergebnisse der CONFIRM-Studie eine Überprüfung der Sicherheit von Terlipressin bei der Behandlung von HRS-1 durchgeführt.

CONFIRM-Studie

CONFIRM war eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Terlipressin plus Albumin, die in den USA und Kanada durchgeführt wurde. In der Studie erhielten Patienten Albumin zusammen mit Terlipressin.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt der Studie wurde erreicht: Bei 63 von 199 Patienten (32%) im Terlipressin-Arm, verglichen mit 17 von 101 (17%) im Placebo-Arm, wurde ein Rückgang des HRS nachgewiesen (p=0,006). Bei einer zusätzlichen sekundären Zielgröße, der Mortalität bis zu 90 Tagen, wurde allerdings kein Nutzen unter Terlipressin gezeigt. Bis Tag 90 waren 101 Patienten (51%) in der Terlipressin-Gruppe und 45 Patienten (45%) in der Placebo-Gruppe verstorben.

Erhöhte Mortalität durch Atemwegserkrankungen

Mortalität innerhalb von 90 Tagen aufgrund von Atemwegserkrankungen jeglicher Ursache trat bei 22 Patienten (11%) in der Terlipressin-Gruppe und bei 2 Patienten (2%) in der Placebo-Gruppe auf. Die Inzidenz von Ateminsuffizienz jeglicher Ursache war in der Terlipressin-Gruppe höher als in der Placebo-Gruppe (Ateminsuffizienz: 20 Patienten (10%) vs. 3 Patienten (3%); akute Ateminsuffizienz: 8 Patienten (4%) vs. 2 Patienten (2%)). Ateminsuffizienz ist eine bekannte Nebenwirkung von Terlipressin, die in der Studie festgestellte Häufigkeit von Ateminsuffizienz war jedoch höher als in der Fach- und Gebrauchsinformation ursprünglich angegeben.

Erhöhtes Sepsis-Risiko

Darüber hinaus zeigte sich in der Studie ein Missverhältnis bei Ereignissen von Sepsis/septischem Schock jeglicher Ursache. Für vierzehn Patienten (7%) im Terlipressin-Arm wurden schwerwiegende unerwünschte Ereignisse jeglicher Ursache im Zusammenhang mit Sepsis und septischem Schock gemeldet, während solche Ereignisse bei keinem der Patienten im Placebo-Arm auftraten. Acht von vierzehn Patienten mit Sepsis im Terlipressin-Arm starben infolge des Ereignisses. Sepsis/septischer Schock ist bisher nicht mit Terlipressin in Zusammenhang gebracht worden, und der genaue Mechanismus ist nicht bekannt.

Risiko bei Nieren- und Leberfunktionsstörungen

Der PRAC stellte außerdem fest, dass in klinischen Studien bei der Anwendung von Terlipressin zur Behandlung von HRS-1 bei Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung (Ausgangswert für Serumkreatinin [sCr] ≥442 µmol/l (5,0 mg/dl)) und bei Patienten mit ACLF Grad 3 eine verminderte Wirksamkeit, erhöhte Mortalität und ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse beobachtet wurden. Das Risiko für Ateminsuffizienz war besonders ausgeprägt bei Patienten mit ACLF Grad 3 und/oder einem MELD-Score ≥ 39.

Trotz der Einschränkungen der CONFIRM-Daten, einschließlich der Analysenart (Post-hoc-Analyse) sowie möglicher Unterschiede in der klinischen Praxis in der EU, gelten die Belege als ausreichend, um die Notwendigkeit einer Aufnahme von Empfehlungen bezüglich der Schwere der Nieren- und Leberfunktionsstörung bei Patienten mit HRS-1 in die Fach- und Gebrauchsinformation zu untermauern.

Applikationsart beeinflusst Verträglichkeit

Der PRAC berücksichtigte außerdem Daten aus einer offenen, randomisierten, kontrollierten Studie von Cavallin et al., die den Schluss nahelegten, dass die Verabreichung von Terlipressin als intravenöse Dauerinfusion im Vergleich zur Verabreichung mittels intravenöser Bolusinjektion mit einer niedrigeren Rate therapiebedingter unerwünschter Ereignisse möglicherweise assoziiert ist. Der Unterschied in der Ansprechrate auf Terlipressin zwischen den Gruppen (Dauerinfusion vs. Bolusinjektion) war statistisch nicht signifikant.

Aktualisierung der Produktinformationen

Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und nach der Beratung durch eine Sachverständigengruppe aus Ärzten mit Expertenwissen im Bereich HRS-1 kam der PRAC zu dem Schluss, dass die Fach- und Gebrauchsinformation aktualisiert werden müssen, um das Risiko von Ateminsuffizienz und Sepsis/septischem Schock bei der Anwendung von Terlipressin zur Behandlung von HRS-1 zu reduzieren.

Die Fach- und Gebrauchsinformation für terlipressinhaltige Arzneimittel werden um einen Warnhinweis zur Anwendung von Terlipressin bei Patienten mit sCr ≥5 mg/dl und ACLF Grad 3 und/oder einem MELD-Score ≥39 ergänzt. Außerdem werden Informationen und Anweisungen zum Risiko von Sepsis/septischem Schock und Ateminsuffizienz aufgenommen. Zusätzlich wird intravenöse Dauerinfusion als alternative Art der Anwendung von Terlipressin mit einer Anfangsdosis von 2 mg Terlipressinacetat/24 Stunden und der Erhöhung der Dosis auf höchstens 12 mg Terlipressinacetat/24 Stunden aufgenommen.

Aufforderung zur Meldung von Nebenwirkungen

Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung an den Zulassungsinhaber, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder die entsprechende Arzneimittelkommission zu melden.

Die Kontaktdaten der Zulassungsinhaber sowie weitere Informationen können dem beigefügten Rote-Hand-Brief entnommen werden.

PDF öffnenRote-Hand-Brief zu Terlipressin

Autor:
Stand:
01.12.2022
Quelle:

Zulassungsinhaber terlipressinhaltiger Arzneimittel: Rote-Hand-Brief zu Terlipressin

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