Versorgung mit medizinischem Cannabis verbessern

Die Therapie mit medizinischen Cannabinoiden hat sich in verschiedenen Indikationen bewährt, dennoch wird diese Behandlung vielen Patienten verwehrt. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin will mit einer Initiative zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen.

Cannabis als Arzneimittel

Hintergrund

Medizinische Cannabinoide wirken. Das hat auch der Abschlussbericht der Begleiterhebung zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln bestätigt, bei dem Daten der vergangenen fünf Jahre ausgewertet wurden und den das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Juli dieses Jahres veröffentlichte.

Allein bei der Behandlung chronischer Schmerzen erzielten Therapien mit Medizinischen Cannabinoiden in 75% der Fälle eine Linderung der Symptome und in 70% eine Verbesserung der Lebensqualität. In der Palliativmedizin haben sich die Wirkstoffe sowohl in der Schmerzbehandlung als auch zur Linderung von Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Tumorkachexie bewährt. Unter Cannabinoid-Behandlung konnten darüber hinaus die Dosierungen anderer Arzneimittel, wie beispielsweise Opioiden, reduziert werden [1,2].

DGS-Schmerzinitiative 2022/2023

Trotz dieser guten Ergebnisse erhalten viele Patienten, denen eine Cannabinoid-Therapie möglicherweise helfen könnte, immer noch keine Zusage zur Kostenübernahme seitens ihrer Krankenkasse. Um den Patienten den Zugang zu medizinischen Cannabinoiden zu erleichtern, aber auch um die Qualität der Cannabinoid-Verschreibungen zu verbessern, hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) die „DGS-Schmerzinitiative 2022/2023: Für eine Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung mit medizinischen Cannabinoiden“ in Kooperation mit Fachverbänden und der Industrie am 1. Juli 2022 ins Leben gerufen. Die Hintergründe, die Ziele und die einzelnen Projekte im Rahmen dieser Initiative stellten Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS und Dr. med. Johannes Horlemann Präsident der DGS auf einer digitalen Pressekonferenz am 31. August 2022 vor.

Herausforderung Antragsverfahren

Fünf Jahre nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes 2017 haben Patienten und Ärzte immer noch hohe bürokratische Hürden zu überwinden und zum Teil lange Wartezeiten zu überstehen, wenn sie eine Genehmigung für eine Therapie mit Medizinischen Cannabinoiden bei den Krankenkassen beantragen. „Wir möchten dazu beitragen, die bürokratischen Hürden zu senken, um so den Patientinnen und Patienten, bei denen Standardtherapien ausgeschöpft sind, den Zugang zu Cannabinoiden zu erleichtern,“ erklärt Horlemann eines der zentralen Ziele der DGS-Schmerzinitiative 2022/2023. Das Antragsverfahren ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, vor der Ärzte und Patienten stehen.

Herausforderung Versorgungsqualität

Die Begleiterhebung zeigt auch, dass medizinische Cannabinoide, insbesondere Cannabisblüten, mitunter mit viel zu hohen THC-Gehalten verschrieben wurden. Schürmann erklärte hierzu: „Grundsätzlich sind Blüten therapeutisch schwerer steuerbar und beinhalten ein höheres psychisches Abhängigkeitspotential. Bei Jugendlichen unter 25 Jahren besteht zudem die erhöhte Gefahr von Psychosen.“

Schürmann erkennt auch in der inhalativen Behandlung erhebliche Nachteile: „Orale Therapien weisen im Vergleich zu Blüten eine längere Halbwertszeit auf. Das hat bei gleichbleibendem Wirkspiegel den Vorteil, dass wesentlich weniger Nebenwirkungen und besonders weniger ZNS-Störungen auftreten. Gleichzeitig kann die Schmerzunterdrückung konstant niedrig gehalten werden.“ Die nicht optimale Verordnungspraxis rührt nicht zuletzt von einer fachlichen Unsicherheit vieler Ärzte her, die sich erst seit kurzer Zeit mit den äußerst vielfältigen medizinischen Cannabinoiden befassen.

Wissenslücken füllen

Um die Qualität der Versorgung mit medizinischem Cannabis zu verbessern, hat die DGS bereits eine PraxisLeitlinie veröffentlicht, die auch aktuell überarbeitet wird. Die neue Fassung wird voraussichtlich im 3./4. Quartal 2022 erscheinen. Auf der Basis der PraxisLeitlinie erstellt die DGS darüber hinaus einen PraxisLeitfaden mit aktuellen Informationen für eine evidenzbasierte Behandlung, der sich an die in der Erst-Versorgung tätigen Ärzte richtet.

Eine Plattform mit aktueller wissenschaftlicher Literatur soll dieses Angebot in Zukunft ergänzen. Zusätzlich zu diesen schriftlichen Empfehlungen zur Therapie mit medizinischen Cannabinoiden bietet die DGS zahlreiche CME-Fortbildungsprojekte zum Thema an. Darunter auch ein spezielles Curriculum, das den erfolgreichen Absolventen die Teilnahme an Selektivverträgen mit den bestimmten Krankenkassen ermöglichen soll.

Selektivverträge Cannabis

Selektivverträge mit den Krankenkassen sollen qualifizierten Ärzten die Verordnung von medizinischem Cannabis vereinfachen und die Wartezeit der Patienten auf die Therapie verkürzen. Die DGS hat parallel zum Start der Initiative einen ersten Selektivvertrag mit der AOK Rheinland/Hamburg abgeschlossen.

Die Qualität der Therapieentscheidung wird durch das oben erwähnte Curriculum und die regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen gewährleistet. Bei dem Curriculum handelt es sich um eine 20-stündigen CME-zertifizierten Weiterbildung mit anschließender Lernerfolgskontrolle. Das Projekt Selektivvertrag wird von Schmerzinitiative weiterbegleitet und -entwickelt. Horlemann hofft mehr Krankenkassen von dem Projekt zu überzeugen.

Vorbehalte abbauen

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis, betonte Horlemann wiederholt, dass die Anwendung von medizinischem Cannabinoiden und der Freizeitkonsum von Cannabis strikt getrennt werden müssen: „In Abgrenzung zum Freizeitkonsum wollen wir den Einsatz medizinischer Cannabinoide auf ein solides und seriöses Fundament stellen“, so Horlemann. Die strikte Trennung sei von großer Bedeutung, um noch existierende Vorbehalte in der Gesellschaft vor allem aber auf der politischen Entscheidungsebene abzubauen. Die DGS- Schmerzinitiative setzt hierbei auf eine verstärkte vielfältige Öffentlichkeitsarbeit und den direkten Austausch mit den politischen Institutionen.

Autor:
Stand:
13.09.2022
Quelle:
  1. Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (2022): DGS-Schmerzinitiative 2022/2023: Für eine Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung mit medizinischen Cannabinoiden. Digitale Pressekonferenz am 31.08.2022
  2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (2022): Abschlussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln. Begleiterhebung Abschlussbericht.
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