Pflanzliche Aquaretika sorgen für eine gesteigerte Harnbildung und können die Heilung fördern.
Zu den pflanzlichen Aquaretika zählen unter anderem Birkenblätter, Brennnesselkraut, chinesische Kräuter, Gartenbohnenhülsen, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Orthosiphonblätter, Liebstöckelwurzel mit Rosmarin und Tausendgüldenkraut, Petersilienkraut und -wurzel, Queckenwurzelstock, Schachtelhalmkraut und Wacholderbeeren. Letzte sind aufgrund möglicher Nierenschädigung nicht zur Langzeitprävention geeignet [1]. Eine gesteigerte Harnbildung kann bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege die Heilung fördern [13].
Studienlage
Zu den pflanzlichen Aquaretika liegen bisher keine Studien mit größeren Patientenkollektiven oder zur Langzeitprävention mit validen Daten vor. Die S3-Leitlinie spricht für diese Arzneimittel daher keine Empfehlung aus [1].
Echtes Goldrutenkraut
Echtes Goldrutenkraut ist indiziert zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege, sowie zur Prävention und Behandlung von Harnsteinen und Nierengrieß. Es muss darauf geachtet werden, dass innerhalb von 24 Stunden genug Flüssigkeit aufgenommen wird, damit mindestens 1,5 ml Urin ausgeschieden werden.
Bestandteile der Droge sind Flavonoide, Saponine und Phenylglykoside. Als belegt gelten eine diuretische, schwach spasmolytische und antiphlogistische Wirkung [13]. Letztere wird den Flavonoiden zugeschrieben [8].
Was gibt es zu beachten?
Präparate mit Echtem Goldrutenkraut (Cystinol long, Solidago Steiner Lösung) sollten nicht in Kombination mit synthetischen Diuretika angewendet werden [12] und sind nicht geeignet zur Durchspülungstherapie bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit. Aufgrund fehlender Daten wird eine Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren sowie in Schwangerschaft und Stillzeit nicht empfohlen [9-11].
Studienlage
Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bescheinigt Echtem Goldrutenkraut als Tee oder Extrakt (Flüssigextrakt DEV 1:1, Ethanol/Wasser 25% v/v; Tinktur DEV 1:5, Ethanol/Wasser 45% v/v, Trockenextrakt DEV 5-7:1, Ethanol/Wasser 30-60% v/v) einen Traditional use zur Erhöhung der Harnmenge als adjuvante Therapie bei leichten Harnwegsbeschwerden über zwei bis vier Wochen [12]. In-vitro-Studien weisen auf eine spasmolytische und antimikrobielle Effekte hin, die Wirksamkeit wurde bisher aber nicht ausreichend in kontrollierten randomisierten klinischen Studien nachgewiesen [7].
Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel und Orthosiphonblätter
Den Bestandteilen von Hauhechel, Orthosiphon und Goldrutenkraut wird eine diuretische Wirkung zugeschrieben. Goldrute wirkt zusätzlich schwach spasmolytisch und antiphlogistisch. Orthosiphon enthält eine größere Menge Kaliumsalze (ca. 3%). Ein Phytopharmakon mit definierter Zusammensetzung aus Extrakten der genannten Arzneidrogen (Aqualibra) kann in Form von Filmtabletten zur Durchspülung bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege angewendet werden [8,13].
Studienlage
Die Zulassungsstudie von Aqualibra stammt aus den Jahren 1991/92. In der multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studie waren 122 Patientinnen im Alter von 18 bis 75 Jahren mit einer akuten, unkomplizierten Harnwegsinfektion (Erstinfektion oder Rezidiv) eingeschlossen, die alle typischen Symptome sowie eine Keimzahl von 104 bis 106 KBE/ml Urin aufwiesen.
Nach sechstägiger Einnahme von Aqualibra oder Placebo wurde bei 64,5% der Verum- und 25,4% der Placebogruppe eine Keimzahlreduktion von mehr als zwei Zehnerpotenzen pro ml Urin nachgewiesen (p<0,0001) [13]. Die Studiendaten wurden 2019 neu analysiert (NCT04032574) und zeigten bereits nach einem Behandlungstag einen signifikanten Rückgang der Symptome, insbesondere der Dysurie, im Vergleich zu Placebo (p=0,0086). Auch benötigten weniger Patientinnen der Verumgruppe eine Antibiotikatherapie (15,3% vs. 49,2%, p=0,0001) [4].
Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblätter
Einem traditionellen pflanzlichen Arzneimittel mit definierter Zusammensetzung aus Extrakten von Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern (Canephron N) werden antientzündliche, spasmolytische, antinozizeptive, antibakterielle und diuretische Eigenschaften zugesprochen.
Die traditionelle Anwendung erfolgt zur unterstützenden Behandlung und zur Ergänzung spezifischer Maßnahmen bei leichten Beschwerden im Rahmen von entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege sowie zur Durchspülung der Harnwege zur Verminderung der Ablagerung von Nierengrieß. Patienten ab 12 Jahren nehmen dreimal täglich zwei Tabletten ein [14].
Studienlage
In einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie (NCT02639520) wurde Canephron N mit dem Antibiotikum Fosfomycin Trometamol zur Behandlung akuter unkomplizierter unterer Harnwegsinfektionen verglichen. Es nahmen etwa 650 Frauen zwischen 18 und 70 Jahren mit typischen Symptomen einer neu diagnostizierten Infektion an der Studie teil. Die Frauen wurden in eine Canephron- (n=325) und eine Fosfomycingruppe (n=334) randomisiert und über 38 Tage therapiert.
Bei 83,5% (n=238) der Canephron- und 89,8% (n=272) der Fosfomycin-Gruppe war innerhalb dieser 38 Tage keine zusätzliche Antibiotikatherapie nötig, die Nebenwirkungsraten waren vergleichbar. Unter Betrachtung einer Nichtunterlegenheitsspanne von 15% war Canephron dem Antibiotikum bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen nicht unterlegen (Differenz Nicht-Antibiotika-Raten: -6,26%; 95%-KI -11,99 bis -0,53; p=0,0014) [5].
Kranjčec, Papeš & Altarac. D-mannose powder for prophylaxis of recurrent urinary tract infections in women: a randomized clinical trial. World J Urol 32, 79–84 (2014). DOI: 10.1007/s00345-013-1091-6
Wagenlehner, Abramov-Sommariva, Höller, Steindl, Naber. Non-Antibiotic Herbal Therapy (BNO 1045) versus Antibiotic Therapy (Fosfomycin Trometamol) for the Treatment of Acute Lower Uncomplicated Urinary Tract Infections in Women: A Double-Blind, Parallel-Group, Randomized, Multicentre, Non-Inferiority Phase III Trial. Urol Int 2018;101:327–336. DOI: 10.1159/000493368
Vahlensieck, Lorenz, Schumacher-Stimpfl, Fischer, Naber. Effect of a Herbal Therapy on Clinical Symptoms of Acute Lower Uncomplicated Urinary Tract Infections in Women: Secondary Analysis from a Randomized Controlled Trial. Antibiotics 2019, 8(4), 256; DOI: 10.3390/antibiotics8040256
Neubeck (2019) Evidenzbasierte Selbstmedikation, 4. Auflage, Deutscher Apothekerverlag