Die aktuell zahlreichen Lieferengpässe stellen ein enormes Problem für die Patientenversorgung dar, insbesondere im pädiatrischen Bereich. Kurz vor Weihnachten veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ein Eckpunktepapier mit Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung sowie Vermeidung von Lieferengpässen. Eine davon ist die Auflösung der Festbeträge für unverzichtbare Kinderarzneimittel. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) will diese Maßnahme nun ab Februar 2023 für drei Monate umsetzen.
Keine Festbeträge für Ibuprofen, Paracetamol und Antibiotika
Zunächst sollen die Festbeträge für bestimmte Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie Suppositorien oder flüssige Darreichungsformen mit Antibiotika ausgesetzt werden. Insgesamt sind 180 Präparate aus 10 Festbetragsgruppen betroffen. Dadurch sollen kurzfristig Aufzahlungen bei Verordnung von Kinderarzneimitteln vermieden werden. Mehrkosten für beispielsweise Kinderhustensäfte werden seit Mitte Dezember von den Kassen übernommen.
Reibungslose Umsetzung in Apotheken
Die datentechnische Umsetzung in den Apotheken wurde mit den zuständigen Datenstellen abgestimmt, sodass laut GKV-Spitzenverband eine reibungslose Umsetzung möglich ist.
Lauterbach erwartet sofortige Wirkung
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach verspricht sich eine unmittelbare Wirkungen durch das Aussetzen der Festbeträge sowie weitere Maßnahmen. Dazu zählt einerseits, dass die Apotheken vermehrt Rezepturarzneimittel herstellen sollen. Der GKV-Spitzenverband hat den Krankenkassen dringend empfohlen, den Apotheken im Zeitraum der Lieferengpässe die höheren Kosten der Rezepturen zu erstatten. Die entsprechenden Verschreibungen sollen zudem bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Praxen gesondert berücksichtigt werden. Zum anderen soll der Austausch nichtverfügbarer Kinderarzneimittel in den Apotheken erleichtert werden.
Kurzfristige Lösung
Der GKV-Spitzenverband weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich beim Aussetzen der Festbeträge nur um eine kurzfristige Lösung handele. In dieser Zeit müssten die Lieferprobleme bei der Arzneimittelversorgung strukturell angegangen werden.
Der Verband sieht sowohl den Gesetzgeber als auch die Pharmaindustrie in der Verantwortung. „Die Pharmaindustrie erhält durch die Aussetzung Zeit, die bestehenden Produktions- und Lieferprobleme in den Griff zu bekommen. Die Aussetzung der Festbeträge ist kein Freifahrtschein für Gewinnmaximierung. Wir werden hier genau hinschauen, wie die Aussetzung der Festbeträge wirkt.“, heißt es in einem Statement.
Auch der Geschäftsführer des Pharmaverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, zeigte sich skeptisch und erklärte gegenüber dem Handelsblatt das Problem der Engpässe werde durch die Aussetzung der Festbeträge nicht kurzfristig gelöst. Es gebe keine Ware, die kurzfristig auf den Markt kommen könne, nur weil sich der Preis für drei Monate erhöhe.
Apotheken fordern mehr Entscheidungsspielraum
Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa ebenfalls verhalten. Ob sich die Liefersituation durch die geplante Preislockerung spürbar entspanne, sei fraglich, da es oft nur wenige Hersteller gebe und somit das Angebot dieser Arzneimittel insgesamt begrenzt sei. Sie fordert kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken etwa bei der eigenen Herstellung von Medikamenten.