EMA-Statement: Biosimilars sind austauschbar

Die Europäische Arzneimittelagentur hat in einem Statement erklärt, dass in der EU zugelassene Biosimilars austauschbar sind. Die automatische Substitution in Apotheken liegt allerdings in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Pfeile entgegengesetzt

Biosimilars sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, die zu ihrem Referenzarzneimittel zwar pharmazeutisch äquivalent, aber aufgrund der Herstellungsweise nicht identisch sind. Bisher ist ein Austausch zwischen Biosimilar und Referenzprodukt dann möglich, wenn die nationale Zulassungsbehörde diesen genehmigt hat, was auch seit mehreren Jahren praktiziert wird. Das EU-Arzneimittelregulierungsnetz hat jedoch festgestellt, dass bei den betroffenen Interessengruppen Unsicherheiten zum Austausch von Biosimilars herrschen. Da bisher keine EU-weiten Empfehlungen vorliegen, hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Kooperation mit der Heads of Medicines Agencies (HMA) nun ein offizielles Statement hierzu abgegeben. Dieses soll mehr Klarheit für Gesundheitsberufe bringen und das europäische Herangehensweise an dieses Thema harmonisieren.

Zugelassene Biosimilars sind austauschbar

Als Austauschbarkeit wird im Sinne des Statements der Wechsel von einem Arzneimitteln zu einem anderen mit gleicher klinischer Wirkung verstanden. Nach Ansicht der EMA und HMA sind alle in der EU zugelassenen Biosimilars austauschbar, sowohl in Bezug auf das Referenzarzneimittel als auch ein anderes Biosimilar desselben Referenzproduktes.

Es wird jedoch ausdrücklich betont, dass die (automatische) Substitution in Apotheken ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nicht in den Zuständigkeitsbereich der EMA, sondern der einzelnen Mitgliedsstaaten fällt.

Erfahrung und Belege für Austauschbarkeit

Die Erfahrung mit Biosimilars geht auf 15 Jahre Prüfverfahren von über hundert Kandidaten und die Überwachung der 86 seit 2006 zugelassenen Biosimilars zurück. Laut EMA wurde durch die klinische Praxis ein sehr tiefes Verständnis für diese Arzneimittel entwickelt und der Wechsel zwischen Biosimilars ist üblich geworden. Die Austauschbarkeit wurde zudem in klinischen Studien bestätigt. Inzwischen wurden Sicherheitsdaten aus mehr als einer Million Patientenbehandlungsjahren analysiert und ergaben keine Sicherheitsbedenken.

Keine Switch-Studien nötig

Da Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität von Biosimilars mit den Eigenschaften der Referenzprodukte vergleichbar sind, sind zusätzliche systematische Switch-Studien nach Ansicht von EMA und HMA nicht erforderlich, um die Austauschbarkeit auf der Verordnungsebene zu belegen.

Aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und der erfolgreichen Erfahrungen mit Biosimilars in der klinischen Praxis im Laufe der Jahre befürworten die beteiligten Fachausschüsse daher, dass alle in der EU als Biosimilars zugelassene Arzneimittel austauschbar verschrieben werden können. Das erleichtere einer größeren Anzahl Patienten den Zugang zu biologischen Arzneimitteln, um Krankheiten wie Krebs, Diabetes und rheumatischen Erkrankungen besser behandeln zu können.

Nationale Entscheidung zur automatische Substitution

Wie bereits erwähnt, liegt die Entscheidung in Bezug auf die automatische Substitution von Biosimilars bei den einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland sollte mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die automatische Substitution im August 2022 eingeführt werden. Dazu sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für Apotheken und Praxen „Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel [...] unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit“ konzipieren.

Kritik an automatischer Substitution

Sachverständige der medizinischen Wissenschaft und Praxis, Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen sowie der Berufsvertretungen der Apotheker und Ärzteschaft äußerten bereits mehrfach Kritik an diesem Vorhaben. Bemängelt wurde insbesondere, dass ein Austausch von Biosimilar und Referenzarzneimittel mit einer Rabattvertrags-gesteuerte automatischen Substitution nicht vergleichbar sei. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) geäußert, da sich Biosimilars in nicht nur in Beschaffenheit und Zusammensetzung, sondern auch der Handhabung (z.B. Dosisstärken, Applikationshilfen, Lagerbedingungen, Spritzenentsorgung) unterscheiden.

Entscheidung verschoben

Da die Stellungnahmen laut dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einer genauen Überprüfung durch den G-BA bedürfen, wurde die Entscheidung über die Austauschbarkeit der Biosimilars um ein Jahr verschoben.

Autor:
Stand:
21.09.2022
Quelle:
  1. AMK: Stellungnahme zur vorgesehenen Rabattvertrags-gesteuerten „automatischen Substitution“ von Biologika/Biosimilars in  öffentlichen Apotheken (02.03.2022)
  2. BMG: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (zuletzt abgerufen am 21.09.2022)
  3. BMG: Stellungnahmen zum Referentenentwurf GSAV (zuletzt abgerufen am 21.09.2022)
  4. EMA: Biosimilar medicines can be interchanged (19.09.2022)
  5. EMA: Statement on the scientific rationale supporting interchangeability of biosimilar medicines in the EU (19.09.2022)
  6. G-BA: Zusammenfassende Dokumentation über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): § 40a (neu) – Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln (20.08.2020)
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