
Das Antibiotikum Amoxicillin mit und ohne Clavulansäure ist insbesondere als pädiatrische Formulierung seit Mitte November 2022 in den meisten EU-Mitgliedstaaten knapp. Gründe für diesen Engpass sind laut EMA zum einen die gestiegene Nachfrage angesichts der vielen Atemwegsinfektionen und zum anderen Verzögerungen bei der Herstellung, eine unzureichende Produktionskapazität (Personalmangel) sowie ähnliche Probleme.
Doch nun zeigen die Maßnahmen der Exekutiv-Lenkungsgruppe für Arzneimittelknappheit und -sicherheit (Executive Steering Group on Shortages and Safety of Medicinal Products, MSSG) der EMA sowie der Arbeitsgruppe Wirkung. Beide Teams hatten die Situation seit letztem Herbst beobachtet und sich mit den Amoxicillin-Lieferkettenpartnern zwecks möglicher Abhilfemaßnahmen wie z. B. Erhöhung der Produktionskapazität ausgetauscht.
Positiver Trend, höheres Amoxicillin-Angebot, Abmilderung der Engpässe
Als Ergebnis der Überwachungs- und Eindämmungsmaßnahmen konnte die MSSG folgende Fortschritte feststellen:
- In vielen, jedoch nicht allen Mitgliedstaaten ist ein positiver Trend bezüglich der Verfügbarkeit von Amoxicillin und der anderen Antibiotika zu beobachten. Grundlage für diese Einschätzung bilden Berichte, die von den Staaten vorgelegt wurden. Die Informationen, um welche Staaten es sich hier handelt fehlen.
- Die EU-Regulierungsbehörden erwarten, dass sich das Amoxicillin-Angebot in den kommenden Wochen und Monaten erhöhen wird z. B. durch zusätzliche Lieferungen und erhöhte Produktionskapazitäten. Zuvor hatte sich die Behörde mit den wichtigsten, an der Lieferkette von Amoxicillin beteiligten Parteien getroffen, um u. a. regulatorische Unterstützung zu leisten, beispielsweise durch rasche Verfahren zur Umsetzung von Änderungen an alternativen Rohstoffquellen, Produktionsstätten, Verpackungsmaterialien. Zudem hatten sie von den großen Herstellern positive Rückmeldungen erhalten.
- Die Engpässe wurden abgemildert durch die Nutzung bestimmter Flexibilitätsregelungen, wie z. B. die vollständige oder teilweise Befreiung von bestimmten Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften für Arzneimittel oder die Möglichkeit, Arzneimittel abzugeben, die in dem Mitgliedstaat nicht zugelassen sind.
Die EU-Mitgliedstaaten gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Infektionsgeschehen bald abklingen wird, was die derzeit erhöhte Nachfrage nach Antibiotika verringern dürfte.
Amoxicillin-Mangel kein schwerwiegendes Ereignis
Zudem kam der Ausschuss für Arzneimittelknappheit zu dem Schluss, dass die derzeitige Amoxicillin-Knappheit nicht als „schwerwiegendes Ereignis“ entsprechend der Verordnung (EU) 2022/123 anzusehen ist und dass die derzeitigen Abhilfemaßnahmen die Versorgungslage kurzfristig entspannt. Grundlage für diese Einschätzung bildet die von mehreren Mitgliedstaaten festgestellte Verbesserung bei einigen Indikatoren. Die MSSG möchte aber ihre Bemühungen fortsetzen und intensivieren.
EMA rät Antibiotika mit Bedacht einzusetzen
Damit es in der nächsten Wintersaison nicht zu einer Wiederholung kommt, möchte die MSSG sich zudem das ganze Jahr über für eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den EU-Staaten einsetzen. Zudem weist die EMA Angehörige der Heilberufe darauf hin, dass:
- bei Engpässen in den meisten Fällen Alternativen zur Verfügung stehen
- Antibiotika mit Bedacht eingesetzt werden sollten, um ihre Wirksamkeit zu erhalten und eine antimikrobielle Resistenz zu vermeiden
- Antibiotika, einschließlich Amoxicillin, nur zur Behandlung bakterieller Infektionen verschrieben werden dürfen. Bei viralen Infektionen wie Erkältung oder Grippe sind sie unwirksam.
- nicht zu viel Amoxicillin bestellt werden darf, damit sich die Situation nicht weiter verschlimmert.
- weitere Ratschläge, einschließlich der Information über geeignete Alternativen, eventuell auch bei der zuständigen nationalen Behörde erhältlich sind.
Da Apotheker für Kinder selbst ein Präparat herstellen können, sollen die Patienten diese danach fragen.