
Die Ampelkoalition hat einen Änderungsantrag zum Entwurf eines »Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen« (Pflegebonusgesetz) auf den Weg gebracht, der vorsieht, die Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken zur Regelversorgung zu machen. Während die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) das Vorhaben befürwortet, plädieren die Bundesärztekammer (BÄK) sowie der Deutsche Hausärzteverband dafür, dass das Impfen eine ärztliche Aufgabe bleibt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
In einem neuen §20c des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sollen die rechtlichen Grundlagen für die Grippeschutzimpfungen in Apotheken geregelt werden. Die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung durch Apotheken als Leistungserbringer werden in §132e des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) festgelegt. Details zu qualitativen Anforderungen sollen durch Änderungen des Apothekengesetzes (ApoG) sowie der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) definiert werden.
Impfungen nur durch angestellte Apotheker
Der neue §35a ApBetrO macht dabei deutlich, dass die Durchführung der Grippeschutzimpfungen an öffentliche Apotheken geknüpft ist. Die ABDA regt in ihrer Stellungnahme zum geplanten Änderungsantrag an, weiterhin klarzustellen, dass die impfenden Apotheker zum pharmazeutischen Personal der Apotheke gehören müssen und nicht als freie Mitarbeiter angestellt werden dürfen.
ABDA befürwortet Vorhaben
"Es ist erneut in der politischen Diskussion, dass Apotheken Grippeschutzimpfungen im Rahmen der Regelversorgung anbieten sollen. Aus unserer Sicht wäre das eine sinnvolle niedrigschwellige Ergänzung des umfangreichen ärztlichen Impfangebots.“, so ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Derzeit impfen Apotheken bundesweit gegen das Coronavirus. Zudem laufen in acht Bundesländern Pilotprojekte zu Grippeschutzimpfungen.
Erhöhung der Impfquoten durch Apotheken
Die Apotheken könnten dazu beitragen, die Impfquoten zu erhöhen, die für die Allgemeinheit von herausragender Bedeutung sind, heißt es in der Stellungnahme der ABDA. Dies hätten auch die Erfahrungen mit den Impfungen in Apotheken in anderen Ländern gezeigt. „Voraussetzung ist natürlich, dass sie eine mit der Ärzteschaft abgestimmte Fortbildung absolviert haben.“, so die ABDA-Präsidentin.
Ärzte kritisieren Impfungen in Apotheken
Die Ärzteschaft hingegen spricht sich klar gegen die Pläne der Ampelkoalition aus. Bereits vor der Einführung von COVID-19-Impfungen in Apotheken sowie Zahn- und Tierarztpraxen hatte die BÄK gefordert, dass Impfungen ausschließlich im humanmedizinischen Sektor durchgeführt werden. Auch in der aktuellen Stellungnahme heißt es, es sei kontraproduktiv das hohe Qualitätsniveau der Impfleistungen in Deutschland zu senken und das Impfrecht auf andere Professionen des Gesundheitswesens zu übertragen.
Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt argumentiert vor allem damit, dass sich Kenntnisse und Fähigkeiten zum Umgang mit Impfkomplikationen sowie Risikopatienten wie Schwangeren, Immunsupprimierten oder chronisch Kranken nicht in Tagesseminaren vermitteln ließen.
Arztpraxen für Grippeschutzimpfungen ausreichend
Zudem führt Reinhardt an, dass es in Deutschland derzeit nur 20.000 Apotheken gibt, von denen nur ein Teil die Anforderungen zur Durchführung einer Impfung erfüllen könne. Im Vergleich dazu seien mehr als 160.000 Ärzte im ambulanten Versorgungsbereich tätig, rund ein Drittel davon Hausärzte. Damit stünden ausreichend Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung.
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, ist der Meinung, dass das Projekt Corona-Impfung in den Apotheken gescheitert sei. Es sei eine Infrastruktur aufgebaut worden, die von den Menschen nicht nachgefragt werde. Mit den Grippeimpfungen würde nun der gleiche Fehler wiederholt.
Impfquoten zu gering
Seit Ende Dezember 2021 sinkt die Anzahl der täglich verabreichten Impfdosen gegen das Coronavirus kontinuierlich. Während am 15. Dezember mit insgesamt 1,7 Mio. Dosen die bislang meisten Impfungen an einem Tag durchgeführt wurden, lag die Anzahl zu Beginn der COVID-19-Impfungen in Apotheken am 8. Februar 2022 noch bei 525.000 und am 26. April bei 66.000 Impfungen. Zwar stieg die Anzahl abgegebener Influenza-Impfstoffdosen in der Grippesaison 2020/21 gegenüber dem Vorjahr deutlich an, die Impfquote ist jedoch weiterhin zu niedrig.
Fokus auf Patienteninformation
Das Problem der zu niedrigen Impfquoten liegt laut des BÄK-Präsidenten bei der Aufklärung und Informationen der Patienten. "Zur Erhöhung der Durchimpfungsrate in Deutschland sind keine zusätzlichen Impfangebote notwendig, sondern gut verständliche und auf die verschiedenen Zielgruppen angepasste Informationen über das Impfen, die im Internet, auf sozialen Netzwerken, in Arztpraxen und gerne auch in Apotheken zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Impfung selbst muss aber aus Gründen des Patientenschutzes eine ärztliche Aufgabe bleiben.“
Impfberatung durch Apotheken
Auch Weigeldt betonte, dass man gemeinsam diskutieren müsse, wie Impfangebote ausgestaltet werden könnten, um insbesondere Bevölkerungsgruppen zu erreichen, bei denen die Impfquoten derzeit noch zu niedrig sind. „Hier könnten Apothekerinnen und Apotheker bei der Impfberatung eine wichtige Rolle übernehmen.“, so der Vorsitzende des Hausärzteverbandes.