Gallengangskarzinom

Gallengangskarzinome zählen zu den biliären Malignomen. Ihre Prognose ist insgesamt ungünstig, jedoch besser, wenn der Krebs frühzeitig erkannt wird.

Gallenblase

Definition

Die Gallengangskarzinome (Cholangiokarzinome, CCA) sind bösartige Tumoren der Gallenwege. Sie zählen wie die Gallenblasenkarzinome zu den biliären Malignomen. Unterschieden werden sie anhand ihrer anatomischen Lokalisation in intrahepatische (iCCA) und extrahepatische (eCCA) Gallengangskarzinome. Die extrahepatischen Gallengangskarzinome lassen sich weiter unterteilen in perihiläre und distale CCAs, von denen die perihilären den Klatskin Tumoren entsprechen. Alle Typen zählen zu den biliären Tumoren, zu denen ebenfalls die Gallenblasenkarzinome zählen. Die Prognose ist überwiegend schlecht. Deshalb ist eine Früherkennung sehr wichtig.

Epidemiologie

Gallengangskarzinome sind seltene Erkrankungen. Im Jahr 2016 wurden beispielsweise etwa 3.600 Menschen mit einem extrahepatischen Gallengangskarzinom diagnostiziert. Auf das intrahepatische CCA entfielen weitere 2000 Patientinnen und Patienten. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Die Gesamtinzidenz in Deutschland liegt bei etwas mehr als 5.500 Neuerkrankungen pro Jahr bzw. auf Europa, Australien und die USA gesehen bei 0,3-3,5/100.000 Einwohnenden. In den letzten 20 Jahren ist die Inzidenz von vor allem den intrahepatischen Tumoren angestiegen, bei Frauen war sie insgesamt jedoch leicht rückläufig.

Das Risiko, an einem CCA zu erkranken, steigt mit zunehmendem Lebensalter kontinuierlich an. Ein häufiger Risikofaktor sind primär sklerosierende Cholangitiden. Sie erhöhen das kumulative 10-Jahresrisiko, an einem CCA zu erkranken, deutlich.

Ursachen

Für die biliären Karzinome sind viele Risikofaktoren bekannt. Beim intra- und extrahepatischen CCA sind das:

Pathogenese

Die Entstehung von Gallengangskarzinomen ist, wie bei vielen Krebsarten, komplex. Eine wichtige Rolle spielen proinflammatorische Zytokine, Wachstumsfaktoren, infektiöse Agenzien und Gallensäure. Es sind aber auch genetische Aberrationen bekannt, die intrazelluläre Signalwege stören und deregulieren. Intrahepatische CCA weisen zudem gehäuft Veränderungen von IDH1/2, EPHA2 und BAP1 auf sowie FGFR2. Bei den extrahepatischen CCAs sind es vor allem Mutationen von ARID1B, PRKACA und BRAF. Mutationen in den Genen TP53 und RAS treten lokalisationsunabhängig auf. Viele der CCAs entstehen vermutlich auf dem Boden von Präkanzerosen.

Symptome

Die frühen Stadien der verschiedenen Gallengangskarzinome sind zumeist symptomlos. Erst in fortgeschrittenem Stadium macht sich die Erkrankung bemerkbar. Zu den Symptomen zählen ein schmerzloser Ikterus mit entfärbtem Stuhl, dunkelgefärbtem Urin und Pruritus, eine Cholestase, unspezifische Oberbauchschmerzen, Ödeme und Aszites. Auch eine ausgeprägte B-Symptomatik mit Fieber, Gewichtsverlust und Nachtschweiß kann auftreten.

Diagnostik

Am Anfang jeder guten Diagnostik steht die Anamnese. Sie wird gefolgt von einer körperlichen Untersuchung. Hierbei fällt ein positives Courvoisier-Zeichen mit einer prallelastisch tastbaren, schmerzlosen Gallenblase unter dem Rippenbogen auf.

Die weitere Diagnostik stützt sich vor allem auf apparative Diagnostik und histologische Diagnosesicherung. Sie folgt einem festen Diagnosealgorithmus.

Bei einem ersten Verdacht wird zumeist eine sonographische Untersuchung durchgeführt. Um die Tumorausdehnung einschätzten zu können, sollte nun eine Schnittbildgebung erfolgen. Das MRT hat sich hierbei als besonders gut erwiesen. Mittels Endoskopie, beispielsweise ERCP, Endosonographie, Cholangioskopie, PTCD kann die Diagnose weiter erhärtet werden.

Bevor nun eine Operation angestrebt wird, erfolgt zunächst ein Staging-CT von Thorax, Abdomen und Becken. Ist der Tumor operabel und die Behandlungsindikation kurativ, schließt sich ein kontrastmittelverstärktes MRT an sowie die histologische Diagnosesicherung. Diese kann auch intraoperativ erfolgen, wenn ein hinreichender Verdacht auf ein Gallengangskarzinom besteht. Ist die Diagnose in der konventionellen Histologie nicht eindeutig, muss sie immunhistologisch und ggfs. molekularpathologisch abgesichert werden - die Sensitivität von histologischen und zytologischen Verfahren liegt bei invasiven Karzinomen der distalen Gallenwege lediglich bei 60 bis 70%.

Kann nicht kurativ behandelt werden, wird die Diagnose histologisch gesichert und die Betroffenen zur Therapie überführt.

Klassifikation

Die Klassifizierung der verschiedenen Gallengangskarzinome erfolgt in allen Fällen anhand der anatomischen Lokalisiation und gemäß der histologischen Differenzierung nach aktueller WHO-Klassifikation. Bei intrahepatischen Gallengangskarzinomen wird zwischen „small duct“ (phänotypisch den kleinen Gallengängen ähnlich) und „large duct“ (den extrahepatischen Gallengängen vergleichbar) Typen unterschieden. Hinsichtlich der anatomischen Lage gilt:

  • Distale extrahepatische Gallengangstumoren: distal der Mündung des D. Cysticus in den D. Choledochus
  • Perihilläre: Tumoren des D. hepaticus dexter und sinister sowie D. hepaticus communis
  • Intrahepatische CCAs: Ausgang von den intrahepatischen Gallenwegen proximal des D. Hepaticus Dexter bzw. sinister

Ebenso müssen Mischformen wie gemischt neuroendkorine/nichtneuroendokrine Neoplasien (MINEN) und kombinierte Hepato-Cholangiokarzinome (cHCC/CCA) herausgefiltert werden.

Perihiläre Tumoren, auch Klatskintumoren genannt, werden zusätzlich nach Bismuth-Corlette in die Typen I-IV eingeteilt oder nach Janargin-Blumgart/MSK-Klassifikation in die Klassen T1-T3.

Bismuth-Corlette:

  • Typ I: Tumor betrifft den Ductus hepaticus communis, jedoch nicht die Hepatikusgabel
  • Typ II: Tumor befällt zusätzlich die Hepatikusgabel
  • Typ IIIa: Tumor befällt Hepatikusgabel sowie den rechten Hauptast
  • Typ IIIb: Tumor befällt Hepatikusgabel sowie den linken Hauptast
  • Typ IV: Tumor befällt Hepatikusgabel und beide Hauptäste

Janargin-Blumgart:

  • T1: Ausbreitung unilateral bis in die Gallengänge 2. Ordnung
  • T2: Ausbreitung unilateral bis in die Gallengänge 2. Ordnung und ipsilaterale Pfortaderbeteiligung oder Atrophie
  • T3: Ausbreitung bilateral bis in die Gallengänge 2. Ordnung oder Ausbreitung unilateral bis in die Gallengänge 2. Ordnung und kontralateral Pfortaderbeteiligung oder Atrophie oder Beteiligung des Pfortaderhauptstammes

Differenzialdiagnosen

  • Metastasen extrahepatischer Karzinome
  • Hepatozelluläres Karzinom
  • Gallengangsadenome
  • Adenomyomatose
  • Chronische Cholezystitis

Therapie

Methode der Wahl ist, soweit möglich, bei allen Gallengangskarzinomen die operative Entfernung. Den Tumor radikal chirurgisch zu entfernen ist die einzige kurative Behandlung, vorausgesetzt es bestehen noch keine Fernmetastasen. Falls möglich und sinnvoll, sollte immer eine R0-Resektion erfolgen. Wie viel operiert werden muss, ist abhängig von der Tumorart und der Ausbreitung. Alle Therapien erfolgen nach Beurteilung und Empfehlung eines interdisziplinären Tumorboards.

In Einzelfällen kann vor der eigentlichen Operation bereits eine präoperative biliäre Drainage eingelegt werden. Ein solcher Fall sind Cholangitiden oder symptomatische Gallenwegsverschlüsse.

Operative Therapie

Das Cholangiokarzinom oder Gallengangskarzinom sollte, wenn immer möglich R0 reseziert werden. Wie umfangreich operiert und entfernt werden muss, hängt von der Lokalisation und Ausbreitung ab. Liegt es intrahepatisch, ist eine erweiterte anatomische Leberteilresektion nötig. Dabei werden möglicherweise betroffene Lymphknoten mit entfernt. Bei perihilären CCAs erfolgt eine Rechtsresektion samt Lymphadenektomie. Distale CCAs erfordern meist eine Duodenohemipankreatektomie.

Tritt ein Rezidiv isoliert intrahepatisch auf, kann erneut operiert werden, falls eine R0-Resektion möglich wäre. Ist dies nicht der Fall, kommen andere Verfahren wie die thermische Ablation zum Einsatz.

Interventionelle Verfahren

Neben klassischen Operationen können auch interventionelle Verfahren eingesetzt werden. Sie kommen vor allem bei inoperablen Tumoren oder Rezidiven zum Tragen. Dazu zählen perkutane Thermoablationen, intraarterielle Therapien und biliäre Drainagen. Diese Therapien sollten vorab in einem Tumorboard besprochen werden.

Systemtherapie

Biliäre Tumoren allgemein haben ein hohes Rezidivrisiko (40-80%). Das ist vor allem nach R1-Resektion, bei einem Tumorstadium N1 oder einem G3-Grad der Fall. In diesem Fall sollte adjuvant nach der Operation mit Capecitabin über sechs Monate behandelt werden.

Als Erstlinientherapie wird eine Kombination aus Gemcitabin und Cisplatin gegeben. Diese Kombination kann auch bei palliativer Situation und gutem Allgemeinzustand gegeben werden. Versagt die Erstlinientherapie, hängt es vom Allgemeinzustand der Patientinnen und Patienten ab, ob eine medikamentöse Zweitlinientherapie versucht wird. Falls diese möglich wäre, empfiehlt die Leitlinie das FOLFOX-Schema.

Nachsorge

Wurde der Primärtumor reseziert oder abladiert, sollte nach vier bis zwölf Wochen ein biphasisches CT oder ein dynamisches MRT zur Kontrolle durchgeführt werden. Anschließend erfolgen im ersten Jahr alle drei Monate Kontrollen mittels Bildgebung (biphasisches CT oder dynamisches MRT). Im zweiten Jahr können diese auf alle drei bis sechs Monate ausgeweitet werden, ab dem dritten Jahr einmal im Jahr bis zum Ende des fünften Jahres.

Prognose

Die Prognose der Gallengangskarzinome ist sehr schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate der biliären Malignome liegt zwischen 5 und 15%. Wird die Krebserkrankung in einem frühen Stadium erkannt und angemessen behandelt, kann jedoch eine 5-Jahres-Überlebensrate von 75% erreicht werden. Wichtig sind eine R0-Resektion und engmaschige Kontrollen.

Prophylaxe

Je früher ein biliäres Karzinom erkannt wird, umso besser ist häufig die Prognose. Einige Risikofaktoren sind heutzutage bekannt dafür, besonders häufig in Karzinome überzugehen. Deshalb gilt für die Prophylaxe:

Besteht eine primär sklerosierende Cholangitis (PSC), sollte regelmäßig sonographisch kontrolliert werden. Den Tumormarker CA19-9 alle 6-12 Monate zu bestimmen und MRT- oder MRCP-Untersuchungen im gleichen Intervall durchzuführen, kann als Teil einer Screeningstrategie erwogen werden.

Weiter Risikofaktoren wie Gallenblasenpolypen, eine Porzellangallenblase, das Caroli-Syndrom oder Gallensteine sind vorrangig bei der Prophylaxe und Früherkennung von Gallenblasenkarzinomen wichtig. Nähere Informationen dazu finden sich im Text zu dem Krankheitsbild „Gallenblasenkarzinome“.

Hinweise

Bei bestehenden Risikofaktoren wie einer PSC sollten regelmäßige Kontrollen erfolgen.

Autor:
Stand:
28.06.2022
Quelle:
  1. Leitlinienprogramm Onkologie. S3-Leitlinie - Diagnostik und Therapie des hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome. AWMF-Registernummer 032-053OL. Langversion 2.0 - Juni 2021.
  2. Rizvi S., Gores G.J. Pathogenesis, diagnosis, and management of cholangiocarcinoma. Gastroenterology 2013, 145:6. DOI: 10.1053/j.gastro.2013.10.013.
  3. Sinn M. Et al. Billiäre Karzinome - Karzinome der Gallengänge und der Gallenblase. Onkopedia. Online. Oktober 2021 [zuletzt aufgerufen am 28. Dezember 2021].

 

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