Hämochromatose

Patienten mit Hämochromatose lagern zu viel Eisen im Organismus ein. Häufige Folgen sind Leberzirrhose, Arthropathien, Hyperpigmentierung der Haut und die Entwicklung eines Diabetes mellitus.

Hämochromatose

Definition

Hämochromatose (ICD-10 E83.1) ist eine Stoffwechselstörung, bei der vermehrt Eisen im oberen Dünndarmabschnitt resorbiert wird. Daraus resultieren eine chronisch erhöhte Eisenkonzentration im Blut und eine progrediente Akkumulation von Eisen bzw. eisenhaltigen Verbindungen in verschiedenen Organsystemen. Andere Bezeichnungen der Erkrankung sind Eisenspeicherkrankheit oder Bronzediabetes. Ursachenabhängig werden die primäre (hereditäre und angeborene Form) und die sekundäre (erworbene Form) Hämochromatose unterschieden. In den meisten Fällen wird die Erkrankung vererbt. Typische Krankheitszeichen sind Hepatomegalie, eine dunkle Hautpigmentierung, Ausbruch eines Diabetes mellitus, erhöhte Infektanfälligkeit, Impotenz, Müdigkeit und ausgeprägte Erschöpfungszustände. Als Spätkomplikationen der Eisenanreicherung können Leberzirrhose und ein konsekutives hepatozelluläres Karzinom, Kardiomyopathien, Arthropathien und hormonelle Störungen auftreten. Die Diagnose erfolgt mittels biochemischer Laborparameter, genetischer Untersuchung und einer Leberbiopsie. Therapeutisch werden zur Entleerung der Eisenspeicher Aderlässe vorgenommen. Bei der sekundären Form kommen – nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und regelmäßigem Monitoring der Eiseneliminationstherapie – Chelatbildner wie Deferoxamin oder Deferasirox zur Anwendung [1].

Hinweis: In der Dermatologie beschreibt Hämosiderose alle zellulären Hämosiderinablagerungen. Im Rahmen der Hämochromatose wird der Begriff zuweilen für eine Eisenanreicherung ohne Gewebeschaden bzw. das Vorstadium der Hämochromatose verwendet.

Epidemiologie

Die Mehrzahl der Patienten mit Hämochromatose erkrankt an der hereditären Form. Die hereditäre autosomal-rezessiv vererbliche Hämochromatose vom Typ I ist mit einer Prävalenz von 2–5/1.000 Einwohnern die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit der kaukasischen Bevölkerung. Die Prävalenz der homozygoten Merkmalsträger wird in Deutschland und Mitteleuropa auf 1:200 bis 1:500, die der heterozygoten auf 1:10 bis 1:20 geschätzt. Die Penetranz ist unvollständig. Insgesamt zeigen etwa 60–75% der Anlageträger Anzeichen einer Eisenüberladung.

Männer erkranken mit einem Verhältnis von 10:1 wesentlich häufiger und auch früher an einer klinisch manifesten Hämochromatose. Dies ist vor allem auf den physiologischen Eisenverlust bei der Menstruation zurückzuführen. Das Hauptmanifestationsalter liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr. Bei Frauen setzen die Beschwerden in der Regel erst nach der Menopause ein. Ab diesem Zeitpunkt ist eine raschere Progression der Erkrankung erkennbar [1][2][3][4].

Ursachen

Bei der Hämochromatose werden zwei Hauptformen unterschieden: die angeborene oder hereditäre (primäre) und die erworbene (sekundäre) Form. Die hereditäre Variante ist wesentlich häufiger zu finden und wird deshalb auch als klassische Eisenspeicherkrankheit bzw. Hämochromatose vom Typ I bezeichnet. Sie beruht nahezu immer auf einem Defekt auf dem Chromosom 6 lokalisierten Hämochromatose-Gen (HFE-Gen). Bis heute sind ca. 20 verschiedene Mutationen des HFE-Gens beschrieben. Die Allelfrequenz in der deutschen Bevölkerung beträgt 3,9% für C282Y bzw. 14,8% für H63D [1].

HFE-Genotypen

C282Y/C282Y: Rund 85–90% aller Hämochromatose-Patienten sind homozygot für C282Y (ohne vollständige Penetranz). Auch wenn die meisten Merkmalsträger im Laufe des Lebens auffällige Eisenserumparameter entwickeln, erkrankt nur ein Teil der Patienten an einer klinisch manifesten Hämochromatose (Männern > Frauen).

C282Y/H63D: Diesen Genotyp weisen etwa 3–5% der Hämochromatose-Patienten auf (Compound-Heterozygotie). Die Penetranz ist gering, symptomatisch werden nur 1–2% der Merkmalsträger.

C282Y/+: Eine heterozygote C282Y-Mutation birgt kein erhöhtes Erkrankungsrisiko.

H63D/H63D: Bei dieser Variante ist die Penetranz gering. Symptomatische Merkmalsträger zeigen nur eine dezente Eisenakkumulation [1].

Seltene Hämochromatose-Formen

Deutlich seltener liegt die Ursache in einer Mutation der Gene für Hämojuvelin (HJV), Hepcidin (HAMP), Ferroportin (SLC11A3), H-Ferritin (FTH1) und den Transferrinrezeptor-2 (TfR2). Diese Varianten führen ebenfalls zu einer erhöhten Eisenanreicherung in den Organen oder verstärken die Eisenakkumulation.

Abhängig vom betroffenen Gen wird die Hämochromatose als Typ 2 bis 5 klassifiziert [1]:

  • Hämochromatose Typ 2a: HJV-Gen-Defekt auf Chromosom 1 (juvenile Form)
  • Hämochromatose Typ 2b: HAMP-Gen-Defekt auf Chromosom 19 (juvenile Form)
  • Hämochromatose Typ 3: TFR2-Gen-Defekt auf Chromosom 7
  • Hämochromatose Typ 4: SLC11A3-Gen-Defekt auf Chromosom 3 (Ferroportin-Krankheit)
  • Hämochromatose Typ 5: FTH1-Gen-Defekt auf Chromosom 11

Die Hämochromatose 2a und 2b betreffen primär pädiatrische Patienten. Die Typen 3 und 4 finden sich vor allem in Italien. Die Eisenüberladung infolge einer Typ-5- Hämochromatose wird meist als Zufallsbefund bei symptomlosen Betroffenen diagnostiziert [5].

Neonatale Hämochromatose

Die neonatale Hämochromatose ist eine äußerst seltene Variante der Eisenspeicherkrankheit und unterscheidet sich stark von den anderen Formen. Sie manifestiert sich schon im Neugeborenenalter und verläuft in der Regel letal. Oft entwickelt sich bereits 48 Stunden nach der Geburt ein schweres Leberversagen mit Hyperbilirubinämie, Blutungszeichen, Ödemen, Aszites, Hypoglykämie und Laktatazidose bei nicht erhöhten Transaminasen. Der Verdacht auf das Vorliegen einer neonatalen Hämochromatose ergibt sich aus den Transaminasen-Normwerten. Die Diagnose wird mit dem Befund einer generalisierten Eisen-Überladung bestätigt. Die Pathogenese der Eisenakkumulation ist bislang noch nicht erforscht. Als Auslöser werden autoimmune Reaktionen diskutiert. Hinweise auf einen genetischen Defekt gibt es nicht [6].

Sekundäre Hämochromatose

Bei der sekundären Hämochromatose ist die Eisenanreicherung auf andere Erkrankungen/Situationen zurückzuführen. Dazu gehören: [1][7]

  • chronische Hämolysen
  • Thalassaemia major
  • sideroblastische Anämie
  • chronische hämolytische Anämie
  • häufige Vollblut- oder Erythrozyten-Transfusionen
  • Porphyria cutanea tarda
  • Hepatitis B
  • Hepatitis C
  • Alkoholabusus
  • nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH)
  • vermehrte parenterale Eisenzufuhr
  • überschüssige Eisenaufnahme mit der Nahrung

Pathogenese

Nachfolgend wird nur auf die klassische hereditäre Form bzw. Typ-I-Hämochromatose eingegangen.

Die C282Y-Mutation der hereditären Hämochromatose führt zu einer erniedrigten Bildung von Hepcidin (hepatic bacteri cidal protein) in der Leber. Hepcidin bindet an Plasmamembranen der Mukosazellen in der Dünndarmschleimhaut und reguliert die Aufnahme, Verteilung und Elimination von Eisen. Genauer steuert das Protein die Eisenabgabe aus den Enterozyten der Dünndarmmukosa und die Freisetzung von Eisen aus dem Abbau von alten Erythrozyten in Makrophagen. In den Dünndarmzellen wird das Eisen entweder als Depot-Eisen in Ferritin gespeichert oder – gebunden an den Eisentransporter Ferroportin – an das Transferrinmolekül abgegeben. An Transferrin gebunden zirkuliert das Eisen im Blut. Hepcidin hemmt diesen Abgabemechanismus. Weniger Hepcidin bedeutet also, dass mehr Eisen ins Blut übergeht und zu parenchymatösen Organen gelangt, beispielsweise in Leber, Herz, Gonaden und Pankreas. Einen speziellen Ausscheidungsprozess für Eisen gibt es nicht. Physiologisch wird das Spurenelement in geringer Menge durch Zellabschilferung (insbesondere im Darm) ausgeschieden. Das reicht bei einer Hämochromatose allein nicht aus, um die erhöhte Eisenresorption auszugleichen.

In Zahlen: Gesunde Menschen nehmen pro Tag circa 1–2 mg Eisen auf. Hämochromatose-Patienten resorbieren täglich etwa 4–5 mg. Innerhalb eines Jahres summiert sich die Mehraufnahme von Eisen auf rund 1 g, nach 20 Jahren ergibt sich demnach ein Eisenüberschuss von 20 g. Das Gesamtkörpereisen kann von 4 g auf bis zu 80 g ansteigen. Sobald das Speichereiweiß Ferritin abgesättigt ist, wird der Überschuss an Eisen in freier (zelltoxischer) Form im Gewebe abgelagert. Im Verlauf von 25 bis 50 Jahren akkumulieren anstelle von 4 g Speichereisen 15–80 g.

Im weiteren Krankheitsverlauf resultieren aus der fortwährend positiven Eisenbilanz Zell- und Gewebeschäden sowie Organinsuffizienzen [8][9].

Symptome

Obwohl es sich um eine hereditäre Erkrankung handelt, zeigen Patienten mit Hämochromatose oft erst um das 40./50. Lebensjahr Beschwerden. Die erhöhte intestinale Eisenresorption führt im Verlauf von Jahrzehnten zu Eisenablagerungen in verschiedenen Geweben und Organen, insbesondere in Leber, Myokard, Pankreas, Gelenken, Gonaden und Hypophyse.

Leberbeteiligung

Eine ausgeprägte Eisenakkumulation in der Leber induziert die Bildung von Fettsäureradikalen, die zu einer Apoptose der Hepatozyten führen. Dadurch werden Kupffer-Zellen (Makrophagen) aktiviert und vermehrt pro-inflammatorische Zytokine ausgeschüttet – mit der Folge einer erhöhten Kollagenbildung und Umwandlung des Lebergewebes. Hinweisgebende Symptome sind:

  • Hepatomegalie
  • Druckgefühl oder Schmerzen im Oberbauch
  • Appetitlosigkeit
  • Gewichtsverlust ohne erkennbare Ursache
  • Völlegefühl nach dem Essen
  • Unverträglichkeit von Fett und Alkohol
  • Blähungen
  • Diarrhoe
  • erhöhte Blutungsneigung (Zahnfleisch- und Nasenbluten, Hämatome)
  • Abgeschlagenheit, Müdigkeit

Aus einer Leberfibrose kann sich eine Leberzirrhose und im Endstadium ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln. [1][5][9]

Extrahepatische Manifestationen

Typische extrahepatische Manifestationen sind:

  • Kardiomyopathien mit Herzinsuffizienz, Arrhythmien
  • Glukoseintoleranz, Insulininsuffizienz, Diabetes mellitus
  • Hypogonadismus (primär/sekundär) mit erektiler Dysfunktion, Abnahme der Libido und Impotenz
  • Störungen im Menstruationszyklus, vor allem vorzeitige Menopause und Amenorrhoe
  • Hypothyreoidismus
  • Arthralgien, Arthropathien (insbesondere der Grund- und Mittelgelenke von Zeige- und Mittelfinger, der Sprung- und Hüftgelenke)
  • Hyperpigmentierung der Haut (Bronzediabetes)
  • Porphyria cutanea tarda (PCT) mit Zeichen der Photodermatose (oft Blasen am Handrücken, die narbig abheilen), Melanodermie und vergröberten Gesichtsfalten

Zu den unspezifischen Symptomen zählen ausgeprägte Müdigkeit, Leistungsabfall, Vergesslichkeit, Antriebsschwäche, depressive Verstimmungen, vermehrte Erschöpfungszustände und eine erhöhte Infektanfälligkeit [1][5][8].

Diagnostik

Die Diagnose einer Hämochromatose basiert neben der Anamnese und Klinik auf laborchemischen und genetischen Untersuchungen. Früher war die Leberbiopsie diagnostisches Standardmittel. Bei eindeutiger Klinik, typischer laborchemischer Konstellation und dem Nachweis der Genmutation (HFE-Genotypisierung) ist diese nicht mehr zwingend erforderlich. Sie bleibt allerdings weiterhin indiziert, um das Ausmaß der Leberschädigung zu bestimmen. Ferner müssen die extrahepatischen Manifestationen diagnostisch abgeklärt werden [1][9].

Labor und Genetik

In der Hämochromatose-Diagnostik stehen die Laborparameter des Eisenstoffwechsels (Eisenkonzentration, Ferritin, Transferrinsättigung) und die Transaminasen im Vordergrund. Liegt die Transferrinsättigung über 45% und sind erhöhte Serumferritinspiegel messbar, ist eine Hämochromatose wahrscheinlich. Fällt diese Konstellation zweimal auf, gibt die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik folgenden Algorithmus vor [1]:

HFE-Genotypisierung

Bei der HFE-Genotypisierung wird zunächst nach C282Y und H63D gesucht.

Bei den Genotypen C282Y/ C282Y, C282Y/H63D und H63D/H63D erfolgt die AST-Bestimmung.

  • Bei Patienten unter 40 Jahren und einer normalen AST-Konzentration werden eine Wertekontrolle und ggfs. prophylaktische Aderlässe empfohlen.
  • Bei Patienten über 40 Jahren mit einer erhöhten AST-Konzentration und/oder einer auffälligen Sonografie folgen therapeutische Aderlässe.

Gleichzeitig sollte mittels Leberbiopsie der Fibrosegrad evaluiert werden.

Bei den Genotypen C282Y/WT, H63D/WT und WT/WT besteht ein dringender Verdacht auf hereditäre Hämochromatose. Hier sind eine Leberbiopsie und eine weiterführende Genotypisierung (HFE, ggfs. HJV, HAMP, TRF2 und SLC11A3) indiziert [1].

Indirekte serologische Marker

Bei einer Hämochromatose sind folgende Blutparameter verändert [1]:

Serumferritin

Der Ferritinspiegel im Serum verhält sich normalerweise proportional zur Menge des im Körper gespeicherten Eisens. Er gibt also zuverlässig Auskunft über die Eisenspeicher im Organismus. Die Normalwerte liegen zwischen 20 und 100 μg/L. Patienten mit einer hereditären Hämochromatose zeigen deutlich erhöhte Serumferritinspiegel, oftmals > 1000 μg/L. Dass Hämochromatose-Patienten trotz eines erhöhten Eisenspeichers einen normalen Serumferritinwert haben, kommt nur äußerst selten vor.

Serumeisenkonzentration (Fe)

Bei einer hereditären Hämochromatose ist die Eisenkonzentration im Serum üblicherweise erhöht und liegt meist bei > 170 μg/ml bzw. 30 μmol/L. Da die Serumeisenkonzentration nicht mit dem Eisenspeicher korreliert, ist ihre Aussagekraft sehr begrenzt.

Transferrinsättigung (TS)

Die Transferrinsättigung ist der aussagekräftigste Serumparameter. Der Wert gibt an, zu wie viel Prozent die gesamte Transferrinbindungskapazität mit Eisen gesättigt ist. Aufgrund der verminderten Hepcidin-Produktion und der dadurch erhöhten enteralen Eisenresorption steigt die Transferrinsättigung – und zwar unabhängig vom Erkrankungsstadium.

Die Transferrinsättigung ergibt sich aus: TS = (Serumeisenkonzentration (Fe) )/(Gesamteisenbindungskapazität (TIBC).). Da die Bestimmung der TIBC aufwendig und nicht Teil der Blut-Routineanalyse ist, kann hier alternativ auch der Wert für die ungesättigte Eisenbindungskapazität (UIBC) herangezogen werden (TS=Fe/(Fe+ + UIBC)).

Bei einer TS > 45% wird die Sensitivität für den Nachweis einer hereditären Hämochromatose mit 0.98 angegeben (bei Frauen etwas geringer) [1].

Leberbiopsie

Bei der Untersuchung des Leberbiopsats ist neben der histologischen Darstellung der Eisenakkumulation die biochemische Bestimmung der hepatischen Eisenkonzentration (HIC) aussagekräftig. Wegen der Eingriffsrisiken sollten Leberbiopsien aber heute nur noch zurückhaltend durchgeführt werden. In Einzelfällen kann sie dennoch sinnvoll sein – jedoch immer nur nach und nie vor einer molekulargenetischen Diagnose. Eine Leberbiopsie ist nicht indiziert, um lediglich einen positiven Befund der Serummarker und der molekulargenetischen Untersuchung zu bestätigen. [1]

Patienten mit positivem molekulargenetischem Befund

Bei positivem molekulargenetischem Befund kann eine Leberbiopsie gerechtfertigt sein, wenn eine TS > 45 % und ein Serumferritinspiegel > 1000 μg/L, ein Patientenalter > 40 Jahre, ein abnormer AST-Wert und/oder weitere Risikofaktoren wie Alkoholabusus oder eine Hepatitis-Infektion eine deutliche Leberschädigung vermuten lassen und das Ausmaß der Schädigung (Zirrhose, hepatozelluläres Karzinom) nicht mit nicht-invasiven Methoden ermittelt werden kann [1].

Patienten mit negativem molekulargenetischem Befund

Bei negativem molekulargenetischem Befund kann eine Leberbiopsie gerechtfertigt sein, wenn die klinischen Parameter stark auf eine Eisenüberladung hinweisen und aufgrund weiterer nicht-invasiver Untersuchungen nicht entschieden werden kann, ob eine hereditäre oder eine sekundäre Hämochromatose vorliegt [1].

Alternativverfahren zur Leberbiopsie

Alternativ zur Leberbiopsie kann der Lebereisengehalt mit nicht-invasiven technischen Verfahren bestimmt werden, etwa mit der biomagnetischen Lebersuszeptometrie (SQUID-Biomagnetometer) und Magnetresonanztomographie (MRT).

Bei der ambulant durchführbaren Lebersuszeptometrie wird die durch das Hämosiderin- und Ferritin-Speichereisen geprägte magnetische Suszeptibilität der Leber (und Milz) direkt gemessen und das Volumen dieser Organe bestimmt. Nachteilig sind die hohen Therapiekosten und die mangelnde Verfügbarkeit der Geräte.

Der zunehmende Einsatz nicht-invasiver Tests wie der MRT R2* hat die Quantifizierung der hepatischen Eisenablagerungen erleichtert. Eine relativ neue MR-Methode ist die Lebereisenmessung mit FerriScan. FerriScan weist eine hohe Spezifität und Sensitivität auf und und wird weder von Entzündungen noch von einer Leberfibrose oder -zirrhose beeinflusst. Bei diesem Verfahren wird das Bild einer gewöhnlichen Magnetresonanztomographie so analysiert, dass sich ein repräsentativer Wert für die Eisenkonzentration der gesamten Leber ergibt [10][11][12].

Extrahepatische Diagnostik

Zum Ausschluss einer kardialen Beteiligung sollte das Herz mittels Elektrokardiografie (EKG) und Echokardiographie untersucht werden. Zudem ist ein möglicher Diabetes mellitus (Nüchtern-Glukose, HbA1c) auszuschließen. Die Evaluation von bestimmten Hormonkonzentrationen, zum Beispiel Testosteron, TSH, T4, LH und FSH, kann sinnvoll sein. Bei Gelenkbeschwerden sollten die entsprechenden Gelenke geröntgt werden [5][9].

Screening von Familienangehörigen

Bei Patienten mit homozygoter C282Y-Mutation hat sich ein Familienscreening etabliert. Hierbei werden die Eisenstoffwechselparameter bei erstgradigen Verwandten über 18 Jahren untersucht und ein HFE-Gentest durchgeführt [5].

Differenzialdiagnosen

Wichtige Differenzialdiagnosen der hereditären Hämochromatose sind:

  • nicht-alkoholische Fettleber
  • Steatohepatitis
  • metabolisches Syndrom
  • chronische Entzündungen, zum Beispiel Hepatitis C
  • Leberzirrhose infolge eines Alkoholmissbrauchs
  • Tumoren
  • erworbene Erkrankungen des blutbildenden Systems [5]

Eine Hämochromatose lässt sich ausschließen, wenn die Transferrinsättigung unter 45% liegt [7].

Therapie

Die Behandlung der Hämochromatose zielt darauf ab, überschüssiges Eisen zu entfernen und einen Körpereisengehalt von 2–4 g zu erreichen. Darüber hinaus sollten die Patienten möglichst keinen Alkohol trinken. Ferner ist es wichtig, regelmäßig die Ferritinspiegel, Serumeisenkonzentration und Transferrinsättigung zu überprüfen und entsprechende Leber-Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen (inklusive Lebersonografie, Kontrolle der Leberenzyme und ggf. AFP-Bestimmung im Serum) [1][5].

Aderlasstherapie

Therapie der Wahl sind regelmäßige Aderlässe, zum Beispiel alle ein bis zwei Wochen 500 ml (entsprechen etwa 250 mg Eisen) – bis sich der Serumferritinspiegel normalisiert hat. Im Anschluss reicht eine Erhaltungstherapie mit weniger Aderlässen aus. Nach der Entleerung der Eisendepots können sich – ein rechtzeitiger Therapiebeginn vorausgesetzt – fibrotische Veränderungen zurückbilden und Manifestationen in anderen Organen (mit Ausnahme von Arthropathien) bessern. Überdies hilft die Aderlasstherapie, neue Organzellschäden zu verhindern. Unter der Behandlung ist ein Zielwert für Ferritin von circa 50 μg/l anzustreben.

Weiterhin kann die Eisenakkumulation mittels Erythrozytapherese reduziert werden. Die reine Erythrozytenentnahme ist aber deutlich aufwendiger als die übliche Aderlass-Behandlung [5].

Lebertransplantation

Die Indikation zur Lebertransplantation bei Hämochromatose richtet sich nach den Standardkriterien für Leberzirrhose. Kardiale Komplikationen, erhöhte postoperative Infektionsraten und Rezidive primärer Lebertumoren wirken sich negativ auf die Resultate der Organverpflanzung aus. Dementsprechend ist das Outcome bei Patienten mit Hämochromatose schlechter als bei anderen Patientengruppen [5].

Prognose

Aufgrund der niedrigen Penetranz der Hämochromatose ist das tatsächliche Risiko schwerwiegender Folgeerkrankungen relativ gering, insbesondere für Frauen. Der rechtzeitige Beginn einer Aderlasstherapie kann das Fortschreiten von Organveränderungen aufhalten und die Prognose positiv beeinflussen. Setzt die Behandlung bereits im präzirrhotischen Stadium ein, ist die Lebenserwartung mit der gesunder Personen vergleichbar.

Ohne therapeutische Intervention hängt die Prognose von den Organschäden ab. Hierbei stehen die Leberzirrhose und insbesondere das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms, Kardiomyopathien und der Diabetes mellitus im Vordergrund. Haben Hämochromatose-Patienten bereits eine Leberzirrhose oder einen Diabetes entwickelt, ist die Lebenserwartung in der Regel verkürzt. Effektive Aderlässe wirken sich aber auch bei Spätkomplikationen prognoseverbessernd aus [1][5][9][13].

Prophylaxe

Da es sich bei der hereditären Hämochromatose um eine erbliche Erkrankung handelt, kann der Entstehung nicht vorgebeugt werden. Screening-Untersuchungen von Verwandten ersten Grades liefern jedoch Informationen, ob weitere Familienangehörige betroffen sind.

Autor:
Stand:
18.03.2022
Quelle:
  1. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Leitlinie: Molekulargenetische Diagnostik der hereditären Hämochromatose. Register-Nr. 078/012, Stand 12. Oktober 2010; abgerufen am 06. September 2021.
  2. Herrmann, T. et al. (1999): Hämochromatose und Morbus Wilson. Internist 40; 513–21; DOI: 10.1007/s001080050365.
  3. Gan, E. K., Powell, L. W., Olynyk, J. K. (2011): Natural history and management of HFE-hemochromatosis. Sem Liver Dis. 2011 Aug; 31:293–301; DOI: 10.1055/s-0031-1286060.
  4. Niederau, C. (2009): Die hereditäre Hämochromatose. Med Klin 104; 931–46; DOI: 10.1007/s00063-009-1192-6.
  5. Rifai, K. (2016): Hämochromatose. 20:135–8, in Praxis der Hepatologie, Manns, M. P. et al. (Hrsg.), Springer, 2016; DOI: 10.1007/978-3-642-41620-0_142.
  6. Whitington, P. F. (2007): Neonatal Hemochromatosis: A Congenital Alloimmune Hepatitis. Semin Liver Dis. 2007 Aug; 27(3):243–50; DOI: 10.1055/s-2007-985069.
  7. Bischoff, A. (2017): Ist es eine Hämochromatose?, MMW Fortschr Med. 2017 Jun; 159(12):21; DOI: 10.1007/s15006-017-9822-z.
  8. Golka, K. et al. (2016): Hämochromatose. Wichtige Differenzialdiagnose der unspezifischen Leberwerterhöhung, Zbl Arbeitsmed. 2016; 66:171–80; DOI: 10.1007/s40664-016-0101-0.
  9. Kaltwasser, J., Caspary, W. F. (2001): Hämochromatose (hereditäre Hämochromatose, sekundäre Eisenüberladungssyndrome), in Therapie von Leber- und Gallekrankheiten, Caspary, W. F., Leuschner, U., Zeuzem, S. (Hrsg.), Springer, 2001; DOI: 10.1007/978-3-642-56819-0_6.
  10. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der sekundären Eisenüberladung bei Patienten mit angeborenen Anämien. Register-Nr. 025/029, Stand 31. Juli 2015; abgerufen am 06. September 2021.
  11. Wunderlich, A. P. et al. (2016): Nicht invasive MRT-basierte Bestimmung des Leber- Eisen-Gehalts: Methodische Ansätze, Anwendbarkeit in der Praxis und Aussagekraft. Rofo. 2016 Nov; 188(11):1031–6; DOI: 10.1055/s-0042-115570
  12. Kowdley, K. V. et al. (2019): ACG Clinical Guideline: Hereditary Hemochromatosis. Am J Gastroenterol. 2019 Aug; 114(8):1202–18; DOI: 10.14309/ajg.0000000000000315.
  13. Niederau, C. (2009): Die hereditäre Hämochromatose. Med Klin. 2009 Dec; 104(12):931–46; DOI: 10.1007/s00063-009-1192-6.

 

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