Der Ventrikelseptumdefekt ist der häufigste kongenitale Herzfehler. Aufgrund einer Öffnung zwischen linker und rechter Herzkammer entsteht ein Links-Rechts-Shunt. Große Defekte machen sich schon früh mit Dyspnoe und Wachstumsverzögerung bemerkbar. Kleine Kammerwandöffnungen können sich von selbst verschließen.
Bei einem Ventrikelseptumdefekt, kurz VSD, besteht eine pathologische interventrikuläre Verbindung zwischen den beiden Herzkammern. Das Leck ist gewöhnlich im bindegewebigen oberen Viertel der Kammerscheidewand lokalisiert. Das nicht vollständig verschlossene Kammerseptum ermöglicht einen Blutaustausch zwischen den beiden Ventrikeln (Shuntvitium). Die meisten Ventrikelseptumdefekte sind angeboren und werden bereits im Säuglings- und Kindesalter entdeckt. Typische Symptome sind Tachypnoe, vermehrtes Schwitzen und Trinkschwäche sowie Wachstums- und Gedeihstörungen. Geringe Kammerwandöffnungen können sich von selbst verkleinern oder verschließen. Bei größeren VSD ist eine chirurgische Verschlusstechnik erforderlich. Bis ins Erwachsenenalter verbleibende Ventrikelseptumdefekte sind oft Löcher von geringer Ausprägung, bei denen im Kindesalter keine Operationsindikation bestand.
Epidemiologie
Der Ventrikelseptumdefekt ist mit circa 35 Prozent das häufigste angeborene Herzvitium. Frauen sind minimal häufiger betroffen als Männer (m/w = 1:1,3). Kammerwandöffnungen können isoliert oder kombiniert mit anderen Herzvitien auftreten. Etwa 22 Prozent aller Patienten mit einem kongenitalen VSD haben eine bedeutsame begleitende kardiale Fehlbildung. Zudem weist etwa die Hälfte aller komplexen Begleitherzvitien auch einen VSD auf, beispielsweise Fallot-Tetralogie, AV-Kanal oder Transposition der großen Gefäße.
Die Prävalenz des isolierten, kongenitalen Ventrikelseptumdefekts liegt bei 49 Prozent aller angeborenen Herzfehler. Das entspricht einem Vorkommen von 5,27 pro 1000 Lebendgeborenen. Zwei Drittel davon sind kleine oder muskuläre Defekte.
Lokalisation und Klassifizierung
Die Kammerscheidewand besteht aus zwei Septen: einem kleinen hochsitzenden membranösen und einem größeren muskulären Septum. Der perimembranöse Ventrikelseptumdefekt ist mit 70 Prozent der häufigste aller VSD. Bei der Mehrzahl der Fälle liegt die Öffnung direkt unter der Aortenklappe. Muskuläre Defekte sind vollständig von Muskelgewebe umschlossen und treten oft multipel auf (Schweizer-Käse-Defekte). Typische Lokalisationen sind entlang des muskulären Septums, direkt hinter dem membranösen Septum und unterhalb der Pulmonalklappe.
Je nach Lage der interventrikulären Öffnung gibt es folgende Klassifizierungen:
Typ 1: Outlet- bzw. Auslass-Septum (suprakristal, konal, subarteriell, infundibulär, subpulmonal, doubly conmitted, juxta-arteriell)
Typ 2: Perimembranös (konoventrikulär, paramembranös)
Typ 3: Inlet- bzw. Einlass-Septum (AV-Kanal-Typ)
Typ 4: Trabekulär, muskulär (Septum trabeculare)
Größe und Ausmaß eines Ventrikelseptumdefekts werden anhand des Aortenanulusdiameters und mit dem Verhältnis von pulmonalem (QP) zu systemischem Fluss (QS) bewertet:
Kleiner VSD - QP/QS < 1,5:1 - Durchmesser < 25 Prozent des Aortenanulusdiameters - keine wesentliche Vergrößerung der Herzhöhlen - zunächst normaler rechtsventrikulärer und pulmonalarterieller Druck (PAP), Anstieg bis auf ¼ bis ⅓ des Systemdrucks (SP) möglich - Links-Rechts-Shunt während des gesamten Herzzyklus
Mittelgroßer VSD - QP/QS = 1,5–2:1 - Durchmesser 25–75 Prozent des Aortenanulusdiameters - erhebliche Lungenüberperfusion - linker Vorhof und linker Ventrikel deutlich vergrößert, während der rechte Ventrikel seine Größe weitgehend beibehält - Druck im rechten Ventrikel steigt auf ⅓ bis ½ des Systemdrucks (PAP/SP ≤ 0,5)
Großer VSD - QP/QS > 2:1 - Durchmesser > 75 Prozent des Aortenanulusdiameters - Defekt wird nicht mehr restriktiv - Shuntblut wird mit Systemdruck in den rechten Ventrikel und in die Pulmonalarterien geleitet (PAP/SP > 0,5) → Rechtsherzbelastung
Gemäß hämodynamischer Wirkung erfolgt die Einteilung in:
restriktiver VSD: rechtsventrikulärer Druck liegt unterhalb des linksventrikulären Drucks
nicht-restriktiver VSD: Druckangleich auf Ventrikelebene
Ursachen
Die meisten Ventrikelseptumdefekte sind angeboren. In der Embryonalphase schließen sich normalerweise die oberen und unteren Septumanteile zwischen den Herzkammern. Bei einer unvollständigen pränatalen kardialen Entwicklung kommen die Kinder mit einem mehr oder weniger großen Loch in der Kammerscheidewand zur Welt.
Selten können VSD auch spontan nach Traumata auftreten oder infolge iatrogener kardiochirurgischer Eingriffe entstehen.
Pathogenese
Zum pathophysiologischen Verständnis müssen zunächst die unterschiedlichen Druckverhältnisse in Körper- und Lungenkreislauf betrachtet werden. Der Druck des Körperkreislaufs im linken Ventrikel ist etwa 4 bis 5 Mal höher als der Druck im Pulmonalkreislauf der rechten Herzkammer. Dadurch wird – je nach Größe der Ventrikelöffnung – arterialisiertes Blut vom linken Ventrikel über die Öffnung in den rechten Ventrikel gepumpt. Dieser Effekt wird als Links-Rechts-Shunt bezeichnet.
Bei mittleren Defekten steht die Volumenbelastung im linken Ventrikel im Vordergrund. Mit zunehmender Defektgröße steigt die Belastung im pulmonalen Kreislauf und rechten Ventrikel jedoch an. Es folgen:
Erhöhung des diastolischen Volumens im linken Ventrikel
Dilatation und Hypertrophie des linken Ventrikels
Druckanstieg in der Pulmonalarterie
Anstieg des pulmonalarteriellen Gefäßwiderstands
Zunahme der rechtsventrikulären Drucküberlastung
rechtsventrikuläre Hypertrophie
evtl. Lungenödem
Bei einem VSD-Durchmesser von 50–70 Prozent des Aortenwurzeldurchmessers gleicht sich der Druck zwischen beiden Herzkammern an (druckangleichender VSD). Dann hängt der Shunt nur noch vom Pulmonalwiderstand ab. Mit steigender Volumenbelastung im kleinen Kreislauf kommt es zu einer Shunt-Umkehr. Der als Eisenmenger-Reaktion bekannte Effekt ist irreversibel und beschreibt eine Umwandlung des Links-Rechts-Shunts in einen Rechts-Links-Shunt. Dabei fließt das venöse Blut aus dem rechten in den linken Ventrikel und nicht-oxygeniertes Blut wird in den Körperkreislauf gepumpt.
Liegt der VSD in direkter Nähe zur Aortenklappe, können die Aortentaschenklappen in die Kammerwandöffnung prolabieren und eine Aortenklappeninsuffizienz bewirken. Diese Komplikation gilt als Operationsindikation.
Eine bakterielle Endokarditis als Folge des Defekts entwickelt sich meist an der gegenüberliegenden Seite des rechten Ventrikels (Jetläsion).
Symptome
Die Symptome eines Ventrikelseptumdefekts sind von der Kammerwandöffnung und den Widerstandsverhältnissen im kleinen und großen Kreislauf abhängig. Die meisten mittleren bis großen VSD machen sich früh bemerkbar. Mit Abnahme des pulmonalen Widerstands werden bereits junge Säuglinge im zweiten bis dritten Lebensmonat symptomatisch. Sie schwitzen viel, sind schnell erschöpft und das Trinken fällt schwer. Auffallend sind Gedeihstörungen inklusive niedriger Gewichtszunahme, Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen sowie sich wiederholende bronchopulmonale Infekte.
Typisch sind zudem Anzeichen einer Herzinsuffizienz wie thorakale Einziehungen, Hepatomegalie, Tachypnoe, Belastungsdyspnoe und supraventrikuläre oder ventrikuläre Arrhythmien. Bei großen Kammerwandöffnungen kann sich die Herzinsuffizienz schon bei sehr jungen Säuglingen manifestieren.
Ein ausgedehnter Links-Rechts-Shunt – aber auch die Kombination mit weiteren Herzfehlern – führt meist zu einer relativ raschen Druckerhöhung in den Lungengefäßen. Infolge nimmt das Shuntvolumen ab und die Beschwerden verbessern sich scheinbar. Diese Phase ist jedoch nur von kurzer Dauer.
Bei anhaltend pulmonaler Hypertonie entwickeln die Kinder im Rahmen der Shunt-Umkehr eine Zyanose. Weitere Eisenmenger-Symptome sind Ruhedyspnoe, Hämoptoe, Palpitationen, Synkopen und Hirnabszesse sowie Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel und eine Gingivahypertrophie.
Mitunter bildet sich im Krankheitsverlauf eine Stenose im rechtsventrikulären Ausflusstrakt (double chambered right ventricle). Nicht selten entsteht diese Verengung erst nach der korrigierenden Operation. Diese Stenose wird als Morbus Gasul bezeichnet.
Kleine Ventrikelseptumdefekte
Kleine perimembranöse und muskuläre Kammerwandöffnungen sind meist asymptomatisch. Sie können sich in den ersten Lebensjahren verkleinern oder spontan verschließen. Normalerweise fallen sie nur bei Auskultationen im Rahmen von Routineuntersuchungen oder anderen Erkrankungen auf.
Komplikation paradoxe Embolien
Ventrikelseptumdefekte erhöhen das Risiko für Gefäßverschlüsse, da die Öffnung in der Kammerscheidewand paradoxe Embolien ermöglicht. Normalerweise fangen die Pulmonalarterien venöse Thromben und Embolien ab, sodass sie nicht ins Gehirn gelangen. Bei einem VSD können diese Gerinnsel jedoch vom venösen ins arterielle Gefäßsystem übergehen. Ebenso ist der septale Übergang von Tumorzellen, Fruchtwasser und Luft möglich. Unter Umgehung des Pulmonalkreislaufs werden sie über die Aorta in den Körperkreislauf gepumpt. Typische Komplikationen sind Gefäßverschlüsse mit der Folge von Hirninfarkt, Mesenterialinfarkt und Myokardinfarkt.
Diagnostik
Die Diagnose des Ventrikelseptumdefekts sollte folgende Faktoren umfassen:
Lokalisation des Defekts
Abschätzung von hämodynamischen Auswirkungen wie Volumenbelastung im linken Atrium und Ventrikel
Beurteilung der Klappenfunktion, insbesondere der Aortenklappe bei Lagebeziehung zum VSD
Ermittlung des rechtsventrikulären/pulmonalarteriellen Drucks
Nachweis bzw. Ausschluss von begleitenden Herz- und Gefäßfehlbildungen
Abschätzung der Prognose
Planung der Therapie
Neben der Anamnese und Klinik sind bei der VSD-Diagnose die Palpation und Auskultation sowie Echokardiographie, EKG, Röntgen-Thorax, Herzkatheteruntersuchung, Pulsoxymetrie und Kardio-MRT von Bedeutung.
Palpation
Palpatorisch fallen bei hämodynamisch relevanten Defekten häufig ein systolisches Schwirren am linken unteren Sternalrand sowie ein hyperaktiver, verbreiterter und nach unten verlagerter Herzspitzenstoß infolge einer exzentrischen Linkshypertrophie auf.
Beim Eisenmenger-VSD fehlt der linksventrikuläre Impuls oder ist abgeschwächt. Der Pulmonalklappenschluss kann tastbar sein. Über dem rechten Ventrikel und dessen Ausflusstrakt sind manchmal hebende Pulsationen spürbar.
Auskultation
Sobald der pulmonale Widerstand in den ersten Lebenstagen fällt, entwickelt sich typischerweise ein 2–4/6 Grad lautes früh- bis holosystolisches, raues, bandförmiges Pressstrahlgeräusch mit Punctum maximum über dem dritten bis vierten Intercostalraum (ICR) links parasternal (Erb-Punkt). Bei moderatem bis großem Shunt ist aufgrund der pulmonalen Hypertonie zusätzlich ein gespaltener zweiter Herzton und ein diastolisches Flowgeräusch als Zeichen einer relativen Pulmonalklappeninsuffizienz hörbar. Der erhöhte mitralklappenassoziierte Blutfluss bewirkt mitunter einen apikal auskultierbaren mesodiastolischen Rumpelton.
Cave: Gleicht sich der Druck zwischen rechtem und linkem Ventrikel an, kann das typische Systolikum gedämpft sein oder fehlen.
Mit zunehmender Widerstandssteigerung im pulmonalen Kreislauf wird das Holosystolikum bei nicht restriktivem VSD leiser und die zweite Komponente des zweiten Herztones lauter (Pulmonalklappenschlusston bei pulmonaler Hypertonie). Hinweisgebendes Zeichen einer Aortenklappeninsuffizienz ist ein diastolisches Decrescendo-Geräusch am linken Sternalrand.
Kleine VSD beeindrucken in der Regel durch ein lautes, frühsystolisches Geräusch vom Grad 1–2/6 bis hin zu einem 3–6/4 Grad lautes Holosystolikum. Mediziner bezeichnen diesen Befund als „viel Lärm um nichts“. Auf kleinere VSD verweist auch ein normal gespaltener lauter zweiter Herzton.
Echokardiographie
Die Diagnose eines VSD wird mittels Echokardiographie gesichert. Doppler-Untersuchungen und die zweidimensionale Farbechokardiographie erlauben eine:
Bestätigung der klinisch gestellten VSD-Diagnose
Lokalisation des Defekts sowie seine Beziehung zum membranösen und muskulären Septumanteil, zu den AV-Klappen, zur Aorten- und zur Pulmonalklappe
Beurteilung der Größe der Kammerwandöffnung
Erfassung der linksventrikulären Volumenbelastung
Abschätzung des rechtsventrikulären/pulmonal-arteriellen Drucks
Echokardiopraphisch können zudem Verlaufskomplikationen wie eine Aortenklappeninsuffizienz, ein Aortentaschenprolaps oder eine Endokarditis festgestellt werden.
EKG
Die Elektrokardiographie (EKG) gehört zur Basisdiagnostik des VSD. Bei einem kleinen VSD fällt das EKG normal aus. Bei mittelgroßem Shunt gibt es Anzeichen einer Linkshypertrophie, bei sehr großem Shunt und ventrikulärem Druckausgleich eine biventrikuläre Hypertrophie. Die Eisenmenger-Reaktion zeigt typischerweise eine pathologische Rechtshypertrophie sowie einen Steil- bis Rechtstyp. Ein überdrehter Linkstyp lässt auf einen Inlet-VSD schließen.
Röntgen-Thorax
Die Erstellung eines Röntgen-Thorax-Bildes ist für die VSD-Diagnose entbehrlich.
Bei großem Shunt wird der Thorax jedoch präoperativ geröntgt, um die Herzgröße zu beurteilen und die Lungengefäßzeichnung darzustellen. Das Bild ist vor allem zur postoperativen Verlaufsbeobachtung von Bedeutung.
Herzkatheteruntersuchung
Eine Herzkatheteruntersuchung ist normalerweise weder für die Diagnose eines VSD noch für dessen Operationsplanung erforderlich. Gelegentlich wird sie aber unter interventionellen Gesichtspunkten oder zur Bestimmung der Widerstandsverhältnisse hinsichtlich einer noch möglichen Operabilität bei großem VSD jenseits der ersten sechs Lebensmonate durchgeführt.
Um Aufschluss über die Reagibilität der Pulmonalgefäße und eine mögliche Reversibilität der pulmonalen Drucksteigerung zu erhalten, ist mitunter eine pharmakologische Widerstandstestung empfohlen. Dabei wird die Atemluft mit O2 oder NO angereichert. Gegebenenfalls ist auch eine Exposition mit inhalativen oder intravenösen Prostanoiden oder Phosphodiesterase-Inhibitoren indiziert.
Weitere Diagnoseverfahren
Über eine Pulsoxymetrie kann das Ausmaß eines Rechts-Links-Shunts, mittels Magnetresonanztomographie (MRT) des Herzens die Größe eines Links-Rechts-Shunts beurteilt werden. Mit dem Kardio-MRT sind zudem der QP/QS-Quotient und Shunt quantifizierbar.
Zusätzlich sind im Rahmen einer VSD-Diagnose strukturelle oder funktionelle Anomalien wie double chambered right ventricle, Pulmonalstenose oder eine pulmonale Widerstandserhöhung anderer Genese auszuschließen.
Therapie
Kleine Ventrikelseptumdefekte, insbesondere muskuläre septale Kammerwandöffnungen, verschließen sich oft spontan während der ersten Lebensjahre und bedürfen keiner Therapie. Sehr kleine Defekte können ohne weitere medikamentöse oder chirurgische Behandlung bestehen bleiben. Bei größeren Defekten ist nur selten mit einer spontanen Heilung zu rechnen. Die Kausaltherapie besteht dann im interventionellen Verschluss der Öffnung zwischen beiden Ventrikeln. Das derzeitige Standardverfahren ist der chirurgische Verschluss unter Zuhilfenahme des kardiopulmonalen Bypasses. Für perimembranöse und muskuläre VSD setzt sich zunehmend das Einbringen von Occluder-Systemen mittels Katheterintervention durch.
Gemäß der S2k-Leitlinie „Ventrikelseptumdefekt“ ist ein VSD-Verschluss indiziert bei:
großen Kammerwanddefekten mit pulmonaler Hypertonie bzw. einer pulmonalen Widerstandserhöhung < ⅔ des Systemwiderstands
gesicherter Volumenbelastung von linkem Atrium und Ventrikel
einem Shunt-Verhältnis QP/QS > 1,5:1, wenn keine spontane Verkleinerungstendenz zu beobachten ist
Verschlussindikationen bei kleinem VSD sind:
Ausbildung einer Aortenklappeninsuffizienz, insbesondere bei einem infundibulären VSD
Prolaps einer Aortenklappentasche in den VSD
Zustand nach Endokarditis
Der elektive Verschluss mittelgroßer Defekte ist jenseits des Säuglingsalters indiziert, wenn:
Verkleinerungstendenzen fehlen oder
eine echokardiographisch feststellbare Volumenbelastung des linken Vorhofs und Ventrikels persistiert.
Bei großen Defekten mit pulmonaler Hypertonie wird ein Verschluss im ersten Lebenshalbjahr empfohlen. Eine zügige OP-Indikation ist auch bei Anzeichen einer Herzinsuffizienz in Kombination mit einer Gedeihstörung gegeben.
Operabilität eines Ventrikelseptumdefekts
Die Operabilität eines VSD ist bei einem Widerstandsverhältnis des Lungenwiderstands zum Systemwiderstand (Rp/Rs) < 0,2 gegeben. Bei höherem Wert muss leitliniengerecht die Vasoreagibilität im Herzkatheterlabor getestet werden. Ab einem Widerstandsverhältnis von 0,2–0,3 besteht ein erhöhtes Operationsrisiko. Bei noch höheren Werten ist eine individuelle Therapieplanung erforderlich, unter anderem mit besonderen chirurgischen Maßnahmen (zum Beispiel Belassen eines Fensters) oder präoperativer antipulmonalhypertensiver Medikation.
Operative Verfahren
Der Verschluss eines VSD wird in der Regel über eine mediane Sternotomie im kardiopulmonalen Bypass und am kardioplegisch stillgestellten Herz mittels einer transtrikuspidalen Rechtsatriotomie erreicht. Minimalinvasive Zugänge sind nach individueller Befundbeurteilung ebenfalls möglich. Dazu gehören beispielsweise die partielle inferiore Sternotomie und die anterolaterale oder axilläre Thorakotomie.
Katheterinterventionelle Verfahren
Der katheterinterventionelle VSD-Verschluss ist transfemoral oder perventrikulär mit verschiedenen speziellen Schirm- oder Spiralimplantaten möglich. Die Implantate werden bei selektionierten Patienten mit muskulären und perimembranösen Defekten eingesetzt. Die Erfolgsquote wird bei erfahrenen Operateuren auf etwa 95 Prozent geschätzt. Die Chance für einen gelungenen katheterinterventionellen Verschluss ist umso höher, je größer der Patient ist und je weiter der Defekt von der Aortenklappe entfernt liegt.
Medikamentöse Behandlung
Bei Herzinsuffizienz sind meist medikamentöse Interventionen notwendig. Diese dienen in der Regel jedoch nicht dazu, eine Korrekturoperation zu verzögern. Zum Einsatz kommen vor allem Diuretika, Digoxin und ACE-Hemmer.
Eine fixierte pulmonale Hypertonie muss häufig medikamentös-antipulmonalhypertensiv behandelt werden. In Deutschland können Phosphodiesterase-Inhibitoren im Kindesalter jedoch nur off-label verordnet werden. Der Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan hat eine Zulassung für Kinder ab zwei Jahren erhalten.
Eine präoperative Endokarditis-Prophylaxe wird nicht mehr empfohlen. Sie sollte aber in den ersten sechs Monaten postoperativ oder im Fall, dass ein Restshunt neben der operierten Stelle bestehen bleibt, gegeben werden.
Prognose
Kleine, restriktive Ventrikelseptumdefekte wirken sich für gewöhnlich nicht auf die Belastbarkeit und Lebenserwartung aus. Neueren Untersuchungen zufolge sind bei einigen Patienten im Erwachsenenalter trotzdem Probleme möglich. Dazu gehört in erster Linie eine zunehmende linksventrikuläre Dilatation, die als Verschlussindikation des VSD zählt.
Patienten mit einem nicht korrigierten VSD haben ein gering erhöhtes Endokarditisrisiko. Dennoch besteht keine Empfehlung zur Prophylaxe.
Bei rechtzeitigem, unkompliziertem und erfolgreichem Defektverschluss kann eine normale Lebenserwartung der Patienten erreicht werden. Im Allgemeinen wird die kardiopulmonale Belastbarkeit vollständig wiederhergestellt. Komplikationen bestehen besonders bei einer VSD-Korrektur nach langer persistierender pulmonaler Hypertonie und nach Auftreten eines passageren postoperativen AV-Blocks.
Das Mortalitätsrisiko beim chirurgischen Verschluss unter Zuhilfenahme des kardiopulmonalen Bypasses (Standardverfahren 2019) liegt europaweit bei 1,4 Prozent. Mit einer signifikanten Spätmortalität ist allenfalls bei vorbestehender pulmonaler Hypertonie zu rechnen.
Prophylaxe
Die weitaus meisten Ventrikelseptumdefekte sind angeboren. Es gibt es keine präventiven Maßnahmen, diese zu verhindern.
Hinweise
Nach Verschluss eines Ventrikelseptumdefekts werden bis zum Abschluss der Wachstumsperiode regelmäßige kinderkardiologische Nachkontrollen empfohlen. Die Abstände zwischen den Terminen werden individuell festgelegt. Bei restdefektfreiem Befund, Sinusrhythmus mit normaler AV-Überleitung, normaler Herzgröße und -funktion sowie regelrechter Klappenfunktion sind jenseits des Pubertätsalters keine weiteren regelhaften Nachkontrollen mehr erforderlich.
Nicht korrigierte kleine restriktive VSD müssen lebenslang kardiologisch überwacht werden.
Schmaltz, A. A. et al.: Pocket-Leitlinie: Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V., 2008.
Dittrich S. et al.: S2k-Leitlinie: Pädiatrische Kardiologie: Ventrikelseptumdefekt im Kindes- und Jugendalter. Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie. Stand 08/2013.
Haas, N. et al.: Kinderkardiologie: Klinik und Praxis der Herzerkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Thieme-Verlag. 2. Auflage. 11. Juli 2018.
Herold, G.: Innere Medizin 2019. Herold-Verlag. 01. Oktober 2018.