
In den letzten Wochen wurden weltweit mehr als 550 Affenpocken-Fälle in 30 bislang kaum betroffenen Ländern registriert. Dazu kommen Affenpockenvirus-Infektionen auf dem afrikanischen Kontinent. Es handelt sich um den größten und geografisch am weitesten verbreiteten Affenpocken-Ausbruch außerhalb der Endemiegebiete in West- und Zentralafrika. Die verstärkte Ausbreitung steht vermutlich im Zusammenhang mit der jüngsten Aufhebung der Coronamaßnahmen und pandemiebedingten Beschränkungen für internationale Reisen und Zusammenkünfte. Ein zusätzliches Risikopotenzial für eine weitere Übertragung in Europa und anderswo birgt der Sommer mit den traditionellen Massenveranstaltungen wie Festivals und große Partys, so Hans Henri Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. Hier gilt es, das Bewusstsein zum Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft zu stärken [1]. Dabei helfen eine klare Kommunikation, spezielle Hygienemaßnahmen, Isolierung von Infizierten und eine effektive Kontaktnachverfolgung.
Zusätzlich werden Impfstrategien und neue Behandlungsoptionen gegen Affenpocken geprüft. Dazu gehören etwa die Zulassungserweiterung für den Pockenimpfstoff und eine Zulassung für Brincidofovir, berichtet Dr. Marco Cavaleri, Direktor der Impfabteilung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), auf einer Pressekonferenz am 2. Juni 2022 [2].
Hygienemaßnahmen
Menschen, die Kontakt zu Affenpockenpatienten haben, sollten sich effektiv vor einer Infektion schützen. Für infizierte Personen empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI) spezielle Hygienemaßnahmen. Zunächst sollten sich Affenpockeninfizierte für mindestens 21 Tage isolieren. Das kann zuhause oder – unter gewissen Umständen bzw. bei Bedarf – stationär erfolgen [3].
Häusliche Isolation
- Da Affenpocken bei Risikopatienten schwerer verlaufen können, sollten sich Schwangere, Immunsupprimierte, Kinder unter zwölf Jahren und betagte Senioren nicht im gleichen Haushalt wie der Affenpockenpatient aufhalten.
- Der Kontakt zwischen betreuender Person und Infiziertem ist weitgehend zu beschränken. Beim Umgang sollte eine medizinische Maske getragen und mindestens 1,5 Meter Abstand eingehalten werden.
- Hautläsionen sollten möglichst durch Kleidung bedeckt sein und nicht berührt werden.
- Patient und Betreuer müssen auf eine gute Händehygiene, das heißt regelmäßiges Händewaschen mit Wasser und Seife, achten. Handtücher sollten nicht geteilt werden, empfohlen werden Einmalhandtücher.
- Häufig benutzte Gegenstände und Oberflächen sind regelmäßig mindestens einmal täglich zu reinigen. Waschbecken und Toilette sollten nach jeder Benutzung mit Haushaltsreinigern gesäubert und gegebenenfalls zusätzlich desinfiziert werden. Um möglichst wenig Partikel aufzuwirbeln, empfiehlt das RKI, Böden feucht zu wischen und auf ein Aufschütteln der Bettwäsche zu verzichten.
- Um Mensch-zu-Tier-Ansteckungen zu verhindern, sollten Haustiere von Affenpockenpatienten fernhalten werden.
Stationäre Isolation
Die Einzelunterbringung der Patienten erfolgt in einem Isolierzimmer mit eigener Nasszelle und möglichst mit Vorraum zum Ablegen der persönlichen Schutzausrüstung.
Für medizinisches Personal gelten neben den Basishygienemaßnahmen weitere Regeln:
- Die Hände müssen mit einem Desinfektionsmittel mit mindestens begrenzt viruzider Wirksamkeit desinfiziert werden.
- Bei Kontakt mit Affenpockenpatienten soll eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen werden, die aus FFP2-Maske, Schutzkittel, Einweghandschuhen, Schutzbrille und Haube besteht. Die Ausrüstung müsse vor Betreten des Patientenzimmers angezogen und nach Verlassen dort belassen oder speziell entsorgt werden.
- Eine sorgfältige desinfizierende Flächenreinigung – speziell der patientennahen (Handkontakt-)Flächen wie Nachttisch, Nassbereich und Türgriffe – sollte täglich mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener mindestens begrenzt viruzider Wirksamkeit erfolgen.
- Alle Medizinprodukte mit direktem Kontakt zum Patienten (zum Beispiel EKG-Elektroden, Stethoskope und Blutdruckmanschetten) sind patientenbezogen zu verwenden und nach Gebrauch zu desinfizieren.
- Geschirr kann in einem geschlossenen Behältnis zur Spülmaschine transportiert und kliniküblich gereinigt werden.
- Bei der Desinfektion sind die Mindesteinwirkzeiten einzuhalten, da Affenpockenviren auf Oberflächen lange persistieren.
- Das Aufschütteln von Wäsche/Textilien und jede andere Art der Aufwirbelung infektiöser Partikel ist zu vermeiden.
- Möglicherweise infektiöse Wäsche sollte in einem Beutel gesammelt und einem desinfizierenden viruziden Wäschedesinfektionsverfahren gemäß RKI- oder VAH-Liste zugeführt werden.
Zulassungserweiterung Pockenimpfstoff
Imvanex des dänisch-deutschen Unternehmens Bavarian Nordic ist der in der EU bislang einzige und nur für Erwachsene zugelassene Pockenimpfstoff. Tierexperimentelle Untersuchungen und klinische Daten legen nahe, dass die Vakzine auch vor Affenpocken schütze, so Cavaleri [2]. Hier prüft die EMA, ob die vorhandenen Erkenntnisse für eine entsprechende Zulassungserweiterung ausreichen. In den USA (Jynneos) und Kanada (Imvamune) ist der Impfstoff bereits für beide Indikationen genehmigt. Deutschland hat 40.000 Dosen Imvanex bestellt. Die Vakzine könnt im Rahmen von Ringimpfungen bei engen Kontaktpersonen von mit dem Affenpockenvirus infizierten Personen eingesetzt werden.
Imvanex wird subkutan, vorzugsweise in den Oberarm injiziert. Die EMA empfiehlt für nicht gegen Pocken immunisierte Personen zwei Dosen à 0,5 ml im Abstand von mindestens 28 Tagen. Gesunde immunisierte Personen erhalten eine einzelne 0,5-ml-Dosis, bei geschwächtem Immunsystem werden zwei Auffrischungsimpfungen (die zweite Dosis frühestens 28 Tage nach der ersten Impfung) empfohlen [4].
Brincidofovir
Der aktuell einzige zur Behandlung von Affenpocken zugelassene Wirkstoff in der Europäischen Union ist Tecovirimat (Tecovirimat Siga). Eine Alternative stellt das in der EU noch nicht zugelassene Breitspektrum-Virostatikum Brincidofovir dar. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat dessen Einsatz (Tembexa) zur Therapie von Pocken in allen Altersgruppen bereits 2021 genehmigt [5]. Antivirale Wirkstoffe könnten die Erholungsphase verkürzen und Komplikationen vermeiden, erklärt Cavaleri. Zur Sicherstellung therapeutischer Schutzmaßnahmen bespricht die Behörde derzeit Optionen und Regularien, um eine zeitnahe Zulassung von Brincidofovir auch in der EU zu erreichen [2].