
Ende Januar plädierte die STIKO dafür den Corona-Impfstoff AZD1222 von AstraZeneca nur bei 18- bis 64-Jährigen anzuwenden. Die Wirksamkeit bei Älteren sei zu desem Zeitpunkt nocht nicht ausreichend belegt, erläuterte sie, doch abgesehen von dieser Einschränkung halte sie den Impfstoff ebenfalls als gleichermaßen geeignet wie die bereits zugelassenen Corona-Impfstoffe. In den Zulassungsstudien wurde für AZD1222 eine Wirksamkeit von etwa 60 Prozent erreicht, die damit deutlich geringer ausfiel als die Wirksamkeit der beiden "Konkurrenz"-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, deren Wirksamkeiten über 90 Prozent lagen.
Nun stehen allerdings neue Studiendaten auf Grundlage einer Datenauswertung der britischen Behörde Public Health England zur Verfügung, die Anfang der Woche auf dem Preprint Server medRxiv veröffentlicht wurden. Diese zeigen, dass der AstraZeneca-Impfstoff auch bei Älteren schon nach der ersten Dosis eine höhere Wirksamkeit zeigte, als bisher angenommen und dass die Impfstoffe von Astra-Zeneca und Biontech/Pfizer nach einmaliger Gabe bei Menschen ab 70 Jahren vergleichbar gut wirksam waren.
Über die Studie
Für die Auswertung wurden alle 7,5 Millionen Menschen ab 70 Jahren in England berücksichtigt, die zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 19. Februar 2021 Symptome berichteten.
Methodik
Um ein Quotenverhältnis geimpfter Personen die sich aufgrund von Symptomen auf SARS-CoV-2 testen ließen und dann positiv getestet wurden, zu nicht-geimpften Personen mit kompatiblen Symptomen, die dann positiv getestet wurden, zu ermitteln, wählten die Autoren ein Test-negatives-Fall-Kontrolldesign. Diese gelten als leistungsstarke Studiendesigns zur Abschätzung der Wirksamkeit von Impfstoffen und werden auch zur Abschätzung der Wirksamkeit von Influenza-Impfstoffen und Impfstoffen gegen andere Atemwegsviren verwendet. Weil die Impfkampagne mit AZD1222 in der Altersgruppe der über-70-Jährigen noch nicht so lange läuft, wurde für diese keine Wirksamkeit der zweiten Impfstoff-Dosis ermittelt.
Insgesamt bezieht sich die Analyse auf 174.731 PCR-Tests von Personen, die innerhalb von 10 Tagen nach dem Probendatum Symptome berichteten.156.930 davon (89,8%) waren mit Impfdaten verknüpft. 44.590 (28,4%) Tests waren positiv, 112.340 (71,6%) fielen negativ aus. Die Negativkontrollproben stammten von insgesamt 108.851 Personen, von denen 105.302 eine Probe, 2.977 zwei Proben und 256 drei Proben beisteuerten. 316 Personen erhielten mindestens drei Wochen später ein negatives Testergebnis.
In den ersten Tagen nach der Impfung (bevor eine Immunantwort zu erwarten war) hatten geimpfte Personen eine höhere Wahrscheinlichkeit, positiv getestet zu werden, was Autoren darauf zurückführen, dass zu dieser Zeit die Impfung auf Personen mit einem höheren Krankheitsrisiko ausgerichtet war. Die Odds Ratios begannen dann ab 14 Tagen nach der Impfung abzunehmen und erreichten im Zeitraum von 28 bis 34 Tagen einen Wert von 0,50 (95% CI 0,42 bis 0,59) und blieben danach stabil.
Wirksamkeiten
BNT162b2
Die Analyse von Impfungen mit BNT162b2, die vor dem 4. Januar verabreicht wurden war auf über 80-Jährige beschränkt, da jüngere Altersgruppen vor dem 4. Januar nicht für eine Impfung in Frage kamen. Die Wahrscheinlichkeit, bei geimpften Personen positiv getestet zu werden, stieg bis zu den Tagen 7 bis 9 an und erreichte 1,48 (95% CI 1,23 bis 1,77). Die Odds Ratios begannen dann 10-13 Tage nach der Impfung abzunehmen, erreichten an Tag 28 bis 34 einen Wert von 0,41 (95% CI 0,32-0,54) und blieben ab Tag 35 auf einem ähnlichen Niveau. Im Vergleich zu einem nicht geimpften Ausgangswert entspricht dies einer Impfstoffwirksamkeit von 59%. Bezogen auf das höhere Basisrisiko an den Tagen 4 bis 9 erreicht die Odds Ratio 0,30 (95% CI 0,22 bis 0,41), was einer Wirksamkeit des Impfstoffs von 70% entspricht.
Ab 7 Tagen nach einer zweiten Dosis von BNT162b2 betrug die Odds Ratio 0,21 (95% CI 0,14-0,32) und dann 0,15 (95% CI 0,11-0,21) ab 14 Tagen nach der zweiten Dosis, was eine Impfstoffwirksamkeit von 85% anzeigt. Bezogen auf das höhere Basisrisiko an den Tagen 4 bis 9 erreicht die Odds Ratio 0,11 (95% CI 0,07 bis 0,15), was einer Impfstoffwirksamkeit von 89% entspricht.
Die Gesamtwirksamkeit nach der zweiten Dosis bei Personen im Alter von >65 Jahren betrug 94,7%, bei Personen ab 80 Jahren 90%. Zusätzlich zum Schutz vor symptomatischen Erkrankungen führte eine BNT162b2-Impfung zu einem um 43% (95% CI 33-52%) geringerem Risiko für einen Krankenhausaufenthalt und zu einem um 51% (95% CI 37-62) %) reduziertem Mortalitätsrisiko.
AZD1222
AZD1222 erreichte ab 28 Tagen nach der Impfung eine Quote von 0,40 (95% CI 0,27 bis 0,59), was einer Impfstoffwirksamkeit von 60% entspricht, und erreichte dann ab 35 Tagen nach der Impfung einen Wert von 0,27 (95% CI) 0,10-0,73), was einer Wirksamkeit von 73% bei großen Konfidenzintervallen entspricht.
Vergleich mit BNT162b2
Für Personen im Alter von >70 Jahren, die mit BNT162b2 geimpft wurden, betrug die Impfstoffwirksamkeit 28-34 Tage nach der Impfung 61% (95% CI 51-69%) und erreichte dann ein Plateau. Ein Vergleich mit AZD1222 zeigte, dass 14 bis 20 Tage nach der AstraZeneca-Impfung Impfstoffeffekte beobachtet wurden und die Wirksamkeit 28 bis 34 Tage nach der Impfung 60% (95% CI 41-73%) betrug und weiter auf 73% (95% CI 27-90%) ab Tag 35 anstieg. Die Impfung mit AZD1222 führte zudem zu einem um 37% (95% CI 3-59%) reduzierten Risiko für eine Krankenhauseinweisung. Aufgrund der späteren Einführung dieses Impfstoffs gab es nicht genügend Follow-up, um die Wirkung von AZD1222 auf die Mortalität zu bewerten.
Mitteilung der STIKO
Die STIKO meldete sich gestern direkt zu Wort und betonte, dass sie angesichts der außergewöhnlichen Situation und des großen, verständlichen Informationsbedürfnisses der Bevölkerung, trotz des noch vorgeschriebenen Stellungnahmeverfahrens, vorab mitteilen möchte, dass sie beschlossen habe, die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff für alle Altersgruppen, entsprechend der Zulassung zu empfehlen. Die Entscheidung beruhe auf einer intensiven Analyse und Bewertung der neuen Studiendaten. Diese, so die STIKO, liefern erstmals robuste Ergebnisse zur guten Wirksamkeit des Impfstoffs in höheren Altersgruppen bereits nach einer Impfstoffdosis. Die Wirksamkeit wurde in Bezug auf die Verhinderung von COVID-19-Erkrankungen und insbesondere auch in Bezug auf die Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe eindrücklich belegt.
Die STIKO weist darauf hin, dass die vorhergehende Empfehlung vom 29. Januar 2021, wie in anderen europäischen Ländern auch, völlig korrekt auf der Basis der damals verfügbaren Daten erfolgt ist.