Erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen nach Covid-19

Covid-19 erhöht das Risiko für Autoimmunerkrankungen, so das Ergebnis einer Analyse von Versichertendaten aus dem ersten Pandemiejahr. Vor allem Menschen mit einem schweren Covid-19-Verlauf hatten ein hohes Risiko, später eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln.

Corona alarmierend

Eine schwere Covid-19-Erkrankung erhöht das Risiko, als Spätfolge eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln. Das ist das Ergebnis einer Analyse von rund 640.000 Versichertendaten aus dem ersten Jahr der Corona-Pandemie. Demnach sind vor allem Menschen gefährdet, die im Krankenhaus oder auf einer Intensivstation behandelt werden mussten.

Über die Ursachen von Autoimmunerkrankungen ist noch wenig bekannt. Infektionen als mögliche Trigger werden aber schon länger diskutiert. Denkbar wäre, dass Viren die Bildung von Antikörpern anregen, die sich dann gegen verwandte Antigene auf der Oberfläche von körpereigenen Zellen richten. Verdächtige Autoantikörper können auch im Blut von Covid-19-Patienten detektiert werden – was diese bewirken, ist noch unklar.

Eine mögliche klinische Relevanz untersuchten nun Wissenschaftler um Professor Dr. Jochen Schmitt, Direktor des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) des Universitätsklinikums und der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. Die Ergebnisse sind in einem Preprint-Artikel auf dem Server „MedRxiv“ erschienen [1].

Daten von 38,9 Millionen gesetzlich Versicherten ausgewertet

Das Team wertete Abrechnungsdaten aus den Jahren 2019 bis Juni 2021 von 38,9 Millionen gesetzlich Versicherten unterschiedlicher deutscher Krankenkassen aus. In die Analyse flossen Daten von 641.704 Personen mit einer im Jahr 2020 PCR-bestätigten Covid-19-Erkrankung ein. 76.518 von ihnen hatten eine zuvor bereits diagnostizierte Autoimmunkrankheit. 40.846 aller StudienteilnehmerInnen mussten wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden, darunter 10.357 auf einer Intensivstation. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:3 mit Kontrollpersonen ohne SARS-CoV-2-Infektion bezüglich 41 vorab festgelegten Erkrankungen verglichen.

COVID-19 erhöht Wahrscheinlichkeit für Autoimmunerkrankung um 43%

In der Covid-19-Gruppe lag die Inzidenzrate (IR) bei 15,05 Autoimmundiagnosen auf 1.000 Versichertenjahre, in der Kontrollgruppe bei 10,55 Diagnosen auf 1.000 Versichertenjahre. Damit hatten Covid-19-Patienten ohne zuvor gestellte Autoimmundiagnose eine rund 43% höhere Wahrscheinlichkeit, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln als Nichtinfizierte. Die relative Inzidenzrate (IRR) von 1,43 war mit einem 95%-Konfidenzintervall (KI) von 1,37–1,48 statistisch signifikant [1].

Von den 76.518 Personen mit vorbestehender Autoimmunkrankheit entwickelten 1.744 eine weitere Autoimmunerkrankung. Demnach erhöhte eine SARS-CoV-2-Infektion das Risiko für eine zusätzliche Autoimmundiagnose um etwa 23% [1].

Anmerkung: Die Ergebnisse beziehen sich auf die Nachverfolgung von Betroffenen im ersten Pandemiejahr; das heißt von Ungeimpften mit einer Infektion des SARS-CoV-2-Wildtyps. Erkenntnisse über andere Virusvarianten liegen aktuell nicht vor.

Höchster Risikoanstieg bei Vaskulitiden

„In allen Alters- und Geschlechtsgruppen traten Autoimmunkrankheiten in der Zeit nach der Infektion signifikant häufiger auf“, resümiert Schmitt in einer Mitteilung des Klinikums [2]. Die Risikoerhöhung war ähnlich für Erkrankungen wie:

Die größten Assoziationen mit Covid-19 wiesen Vaskulitiden wie Morbus Wegner (IRR 2,51), Morbus Behçet (IRR 2,42), Sarkoidose (IRR 2,14) und Arteriitis temporalis (IRR 1,63) auf [1].

Schwer Erkrankte häufiger betroffen

Insgesamt hatten Menschen mit einem schwereren Covid-19-Verlauf ein höheres Risiko für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Für ambulant behandelte Patienten fiel der Anstieg mit einer IRR von 1,38 nur gering aus. Bei hospitalisierten Patienten hingegen lag die IRR bei 1,75; bei intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten war das Risiko mit einer IRR von 2,28 sogar mehr als doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe [1].

Weitere Forschung zum Verständnis der Zusammenhänge nötig

Nach einer überstandenen Covid-19-Infektion litten Betroffene deutlich häufiger an einer Autoimmunerkrankung als Nichtinfizierte. Um die Zusammenhänge zwischen einer SARS-CoV-2-Infektion und Autoimmunerkrankungen zu verstehen, sei weitere Forschung notwendig, so das Dresdener Uniklinikum.

„Künftige Analysen sollten einen Fokus auf chronische Erkrankungen legen, die in der Pandemie entstanden sind. Zudem ist es wichtig, die Krankheitslast, die uns womöglich lange erhalten bleibt, zu quantifizieren“, sagt Schmitt [2].

Autor:
Stand:
01.02.2023
Quelle:
  1. Tesch, F. et al. (2023): Incident autoimmune diseases in association with a SARS-CoV-2 infection: A matched cohort study. MedRxiv, DOI: 10.1101/2023.01.25.23285014.
  2. Universitätsklinikum Dresden, Mitteilung, 30. Januar 2023
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