
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelkommission (EMA) hat ein Rolling-Review-Verfahren für die Antikörperkombination Tixagevimab plus Cilgavimab (AZD7442) eingeleitet. Die fortlaufende Prüfung basiert auf vorläufigen Ergebnissen aus klinischen Phase-III-Studien. Das Präparat namens EvuSheld von AstraZeneca soll nur einmalig intramuskulär verabreicht werden und Risikopatienten bis zu zwölf Monate vor einem schweren COVID-19-Verlauf schützen.
Die lange Schutzwirkung ist möglich, da die Halbwertzeit der Kombination dreimal länger ist als bei konventionellen Antikörpern. Der Einsatz ist sowohl bei symptomatischen Patienten als auch in der Präexpositionsprophylaxe vorstellbar [1]. Bei der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) hat AstraZeneca bereits am 5. Oktober 2021 einen Antrag für eine Notfallzulassung für AZD7442 eingereicht [2].
Wirkweise
Tixagevimab (AZD8895) und Cilgavimab (AZD1061) sind zwei langwirksame humane monoklonale Antikörper, die an zwei unterschiedlichen Stellen des Spikeproteins von SARS-CoV-2 binden. Damit verhindern sie, dass das Coronavirus in menschliche Zellen eindringt, diese infiziert und eine COVID-19-Erkrankung auslöst.
Die Antikörper wurden ursprünglich aus B-Lymphozyten von rekonvaleszenten Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion gewonnen. AstraZeneca hat diese dann modifiziert und optimiert.
Vorteile
EvuSheld bietet zwei große Vorteile:
- Es wird einmalig intramuskulär injiziert und muss nicht wie die bisher verfügbaren Antikörper infundiert werden.
- Es bietet eine dreimal so lange Halbwertzeit und damit eine deutlich längere Schutzwirkung als die konventionellen Antikörper.
Ferner hat AstraZeneca das Fc-Fragment von Tixagevimab und Cilgavimab so konzipiert, dass sie weniger stark an den Fc-Rezeptor binden. Damit vermindert sich das Risiko einer antikörperinduzierten Überreaktion des Immunsystems.
Anwendung
EvuSheld muss in den ersten Tagen nach Symptombeginn appliziert werden. Die Dosis von 600 mg ist in zwei Injektionen direkt nacheinander zu verabreichen. Anschließend soll das Antikörper-Duo mindestens neun, im besten Fall sogar bis zu zwölf Monate vor einem schweren COVID-19-Verlauf schützen.
Studien
Für Tixagevimab und Cilgavimab liegen Ergebnisse aus in zwei großen Phase-III-Studien vor.
PROVENT-Studie
In Phase III der doppelblinden, placebokontrollierten PROVENT-Studie waren 5.172 Probanden inkludiert. Im Verhältnis 2:1 erhielten die Teilnehmer das Antikörper-Duo (300 mg) oder Placebo als einmalige intramuskuläre Injektion. Alle Teilnehmer waren weder geimpft noch hatten sie eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht. Mehr als drei Viertel der Personen wiesen Vorerkrankungen und damit ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf auf.
Ergebnisse
In der Verum-Gruppe gab es weder schwere COVID-19-Verläufe noch Todesfälle im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion, während im Placebo-Arm drei Patienten schwer erkrankten und zwei verstarben. Damit senkt die Wirkstoffkombination aus Tixagevimab und Cilgavimab das Risiko für symptomatische COVID-19-Infektionen um 77 Prozent gegenüber Placebo.
Komplizierte Nebenwirkungen wurden in keiner der Gruppen beobachtet. Die Teilnehmer werden über insgesamt 15 Monate nachbeobachtet [3].
TACKLE-Studie
In Phase III der doppelblinden, placebokontrollierten TACKLE-Studie wurde das Wirkstoff-Duo an 822 nicht hospitalisierten Infizierten mit milden bis moderaten COVID-19-Symptomen untersucht. 407 Probanden erhielten einmalig i. m. 600 mg Tixagevimab und Cilgavimab, 415 Placebo. 90 Prozent der Teilnehmer hatte ein hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, etwa durch Krebserkrankungen, Diabetes mellitus oder COPD. Die Injektion erfolgte innerhalb von sieben Tagen nach Auftreten von COVID-19-Symptomen.
Ergebnisse
Unter Placebo gab es 37 Ereignisse – definiert als schwere COVID-19-Infektion oder Tod jedweder Ursache – innerhalb der ersten 29 Tage nach Injektion; im Verum-Arm hingegen nur 18 Ereignisse. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion um 50 Prozent, so AstraZeneca. Bei einer Antikörper-Gabe innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn wird die Risikoreduktion sogar mit 67 Prozent angegeben (9 Ereignisse bei 253 Probanden im Verum-Arm, 27 bei 251 Probanden in der Placebo-Gruppe).
Auch hier werden die Teilnehmer über insgesamt 15 Monate nachbeobachtet [4].
Fazit
Die Ergebnisse der Studien lesen sich vielversprechend. Dr. Hugh Montgomery, Professor für Intensivmedizin am University College London und leitender Prüfarzt von TACKLE, sagt: „Angesichts der anhaltenden Fälle von schweren COVID-19-Infektionen auf der ganzen Welt besteht ein erheblicher Bedarf an neuen Therapien wie AZD7442, die gefährdete Bevölkerungsgruppen vor einer Ansteckung mit COVID-19 schützen und dazu beitragen können, das Fortschreiten einer schweren Erkrankung zu verhindern. Diese positiven Ergebnisse zeigen, dass eine praktische intramuskuläre Dosis von AZD7442 eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung dieser verheerenden Pandemie spielen könnte.“ [4]