
Hintergrund
Eine unausgewogene Ernährung kann Erkrankungen verursachen, eine angepasste Kostform Beschwerden verbessern und die Gesundheit positiv beeinflussen. Mediziner setzen dabei vielfach auf Ernährungsberater und Ernährungstherapeuten. Doch nicht jeder Experte ist wirklich qualifiziert. Bei der Auswahl der richtigen Fachkraft, der Empfehlung einer Ernährungsberatung als Präventionsleistung sowie der Verordnung einer Ernährungstherapie hilft jetzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit einer Checkliste für Ärzte.
Qualifikationen von Fachkräften
Ernährungsberater und Ernährungstherapeut sind ungeschützte Begriffe, die Qualifikation der Experten schwankt dementsprechend erheblich. Damit sich Krankenkassen an den Kosten von individuellen Ernährungsmaßnahmen beteiligen, sind bestimmte Ausbildungen und Zertifikate erforderlich. Qualifizierte und von den Kassen akzeptierte Fachkräfte sind:
- Diätassistenten mit staatlich anerkanntem Berufsabschluss
- Ernährungsmediziner bzw. Haus- und Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsmedizin
- Ernährungswissenschaftler mit abgeschlossenem Studium und Zertifikat eines Berufsverbands oder einer Fachgesellschaft für Ernährung
- Oecotrophologen mit abgeschlossenem Studium und Zertifikat eines Berufsverbands oder einer Fachgesellschaft für Ernährung
Ernährungsmedizin als Primärprävention
Primärpräventive Beratungen richten sich vor allem an gesunde Menschen mit definiertem Risikoprofil wie Kinder und Jugendliche, Schwangere, Schichtarbeiter oder Senioren. Ziele sind die Vermeidung von Fehl- und Mangelernährung sowie die Vorbeugung oder Reduktion von Übergewicht. Für Präventionsempfehlungen im Sinn einer Ernährungsberatung sollten Ärzte das Formular 36 (Empfehlung zur verhaltensbezogenen Primärprävention gemäß § 20 Absatz 5 SGB V) nutzen. Zertifizierte Angebote werden nach Einreichen der Teilnahmebescheinigung und Rechnung von den Krankenkassen bezuschusst.
Ernährungstherapie auf ärztliche Empfehlung
Eine professionelle Ernährungstherapie richtet sich an bereits Erkrankte, beispielsweise mit Essstörungen wie Bulimie, Anorexie und Binge Eating oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Laktoseintoleranz und Nahrungsmittelallergien. Weitere Indikationen sind gastroenterologische, neurologische, metabolische und onkologische Erkrankungen sowie Situationen nach bariatrischen Operationen und chirurgischen Eingriffen an Ösophagus, Magen oder Darm. Die Ernährungstherapie sollte die Gesundheit wieder herstellen (Sekundärprävention) und ernährungsassoziierte Beschwerden lindern bzw. den Krankheitsverlauf verzögern (Tertiärprävention).
Cave: Eine Ernährungstherapie ist in der Regel keine Kassenleistung, daher erfolgt auch keine Kostenübernahme. In manchen Fällen unterbreiten Krankenkassen ihren Versicherten aber entsprechende Angebote als sogenannte Satzungsleistungen (als ergänzende Leistung zur medizinischen Reha nach § 43 SGB V).
Ernährungstherapie als Rehabilitationsleistung
In einer medizinischen Rehabilitation werden häufig Schulungen für ein verbessertes Essverhalten angeboten. Rechtfertigen die vorliegenden Diagnosen eine Reha, kann eine Reha-Beratung auf dem Formular 61 Teil A veranlasst werden. Eine Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sollte auf dem Formular 61 Teil B–D verordnet werden. Zudem gibt es Reha-Antragsformulare zur Einreichung bei der Rentenversicherung.
Schulungen im DMP
Disease-Management-Programme (DMP) wie zum Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 beinhalten Patientenschulungen. Diese werden meist von den behandelnden Ärzten oder besonders geschultem Praxispersonal durchgeführt. Patienten müssen dafür nicht bezahlen. Vertragsärzte können die Kosten für die Schulungen über die quartalsweise Honorarabrechnung geltend machen.
Ernährungstherapie bei seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen
Patienten mit seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen oder Mukoviszidose haben Anspruch auf eine ambulante Ernährungstherapie. Diese kann als Heilmittel über das vertragsärztliche Formular 18 verordnet werden. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten – abzüglich der gesetzlichen Zuzahlungen – in voller Höhe.
Management der Ernährungstherapie
Das Management der Ernährungstherapie umfasst fünf Schritte:
- Ernährungsassessment: Erfassen der Lebens- und Ernährungssituation, meist mit Hilfe eines Ernährungsprotokolls
- Ernährungsdiagnose: mittels standardisiertem PESR-Statement aus Problemanalyse, Etiologie des Problems, Symptomen und Ressourcen zur Bewältigung des Ernährungsproblems
- Interventionsplanung: Aufstellen eines Ernährungsplans, Erfassen von Zielen
- Durchführung der Intervention: zum Beispiel Schulungen zu Ernährungswissen und Lebensmittelauswahl, Förderung der Ernährungskompetenz
- Evaluation und Dokumentation: Überprüfung von Wirksamkeit und Fortschritt der ernährungstherapeutischen Maßnahmen
Praktische Kommunikationshilfen für die Praxis
Übergewichtige Personen und Patienten mit ernährungsrelevanten Krankheiten können häufig auf eine wahre Ärzte-Odyssee verweisen. Nach etlichen erfolglosen Behandlungsversuchen sind sie nicht selten frustriert und desillusioniert. Professor Dr. Johannes Erdmann, Ernährungsmediziner, Internist, Endokrinologe und Diabetologe mit Schwerpunkt auf der Behandlung von Übergewicht und Diabetes Typ 2 stellt acht Tipps vor, die eine positive Arzt-Patienten-Compliance erleichtern:
- Analyse des Essverhaltens ohne zu werten, keine Verurteilung
- Angebot punktueller Veränderungen, keine Radikalumstellungen
- Auf Begleitvorteile verweisen, beispielsweise Verbesserung von Beschwerden wie Sodbrennen oder gesteigerte sportliche Leistungsfähigkeit
- Praktischen Einstieg für den Alltag bieten, Vermittlung eines positiven Gefühls (nicht hungern, schmackhafte Zubereitungen)
- Betonen des Guten und Wertvollen, statt Magerquark (assoziiert Verzicht) eiweißreicher Quark erfolgreicher Sportler
- Anpassungseffekte berücksichtigen, auf Kontinuität setzen
- Einbeziehen des Praxisteams, Weiterbildungsangebote nutzen (zum Beispiel das Fortbildungscurriculum „Ernährungsmedizin“ für medizinische Fachangestellte der Bundesärztekammer)
- Einzelberatungen oder Gruppenkurse bei ernährungsmedizinischen Fachkräften empfehlen