Myokarditis-Risiko nach COVID-19 deutlich höher als nach Impfung

Gemäß einer Nachbewertung des mRNA-Impfstoffs Comirnaty ist eine SARS-CoV-2-Infektion mit einem deutlich höheren Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse verbunden als die Impfung – darunter Myokarditis, Perikarditis, Arrhythmie, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Myokardinfarkt, intrakranielle Blutungen und Thrombozytopenie.

Herz abstrakt

Vor der Zulassung der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 wiesen klinische Studien ein gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil auf. Aufgrund ihrer Größe bzw. der geringen Teilnehmerzahl und der meist gesunden Probanden können seltene unerwünschte Ereignisse jedoch unerkannt bleiben. Deshalb werden die Impfstoffe auch nach ihrer Markteinführung überwacht. Israelische und amerikanische Wissenschaftler haben nun den mRNA-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer auf ein breites Spektrum potenzieller unerwünschter Ereignisse untersucht. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine publiziert.

Zielsetzung

Klinische Phase-III-Studien zu COVID-19-mRNA-Impfstoffen zeigten eine Reihe kurz- und mittelfristiger Nebenwirkungen, darunter Lymphadenopathie und idiopathische Gesichtsnervenlähmung. Ferner gab es ein leichtes Ungleichgewicht zwischen den geimpften Personen und der Placebogruppe bezüglich des Auftretens von Appendizitis, Überempfindlichkeitsreaktionen, akutem Herzinfarkt und zerebrovaskulären Schäden. Das Risiko dieser und weiterer unerwünschter Ereignisse wurde in einer Beobachtungsstudie erfasst und deren Inzidenz bei geimpften und nicht geimpften Personen sowie bei Patienten nach einer COVID-19-Infektion verglichen.

Methodik

Bis zum 24. Mai 2021 erhielten fast 5 Millionen Menschen in Israel – das heißt mehr als 55 Prozent der Bevölkerung – zwei Dosen des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer. Zur Bewertung der Sicherheit von Comirnaty nutzte die Arbeitsgruppe um Noam Barda einen Datensatz mit mehr als 2,4 Millionen geimpften Mitgliedern der größten israelischen Gesundheitseinrichtung (Clalit Health Services, CHS).

Zunächst verglichen sie geimpfte und ungeimpfte Personen, die hinsichtlich soziodemografischer und klinischer Variablen abgestimmt waren. In einer zweiten Analyse stellten sie SARS-CoV-2-infizierte und nicht-infizierte Populationen gegenüber. Alle Untersuchungsreihen umfassten die gleichen unerwünschten Ereignisse.

Der Nachbeobachtungszeit betrug 42 Tage – also jeweils 21 Tage nach der ersten und zweiten Impfstoffdosis. Leichte Nebenwirkungen wie Fieber, Unwohlsein und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle wurden nicht in die Studie aufgenommen. Ebenso wenig konnten unerwünschte Ereignisse, die nicht innerhalb von 42 Tagen diagnostiziert werden konnten (zum Beispiel chronische Autoimmunerkrankungen), berücksichtigt werden.

Ergebnisse

Impfrisiken (Geimpfte vs. Nicht-Geimpfte)

Die Analyse umfasste im Schnitt Daten von jeweils 884.828 Personen (Impflinge und nicht-geimpfte Kontrollgruppe). Demnach war eine Impfung am stärksten mit einem erhöhten Risiko verbunden für:

  • Myokarditis (Risiko 3,24-fach erhöht; Risikodifferenz 2,7 Ereignisse pro 100.000 Personen)
  • Lymphadenopathie (Risikoverhältnis 2,43; Risikodifferenz 78,4/100.000)
  • Appendizitis (Risikoverhältnis 1,4; Risikodifferenz: 5/100.000)
  • Herpes-Zoster-Infektion (Risikoverhältnis 1,43; Risikodifferenz, 15,8/100.000)

Demgegenüber zeigten mit Comirnaty geimpfte Personen im Vergleich zu Menschen ohne Corona-Impfung geringfügig weniger unerwünschte Ereignisse wie Arrhythmie, akute Nierenschädigung, intrakranielle Blutung und Lymphopenie.

Krankheitsrisiken (SARS-CoV-2-Infizierte vs. Geimpfte)

Der zweite Teil der Analyse verglich die Risiken einer Impfung mit denen einer SARS-CoV-2-Infektion. In die Auswertung flossen Daten von jeweils 173.000 infizierten und nicht-infizierten Personen. Im Ergebnis erhöhte eine SARS-CoV-2-Infektion das Risiko für etliche schwerwiegende unerwünschte Ereignisse deutlich. Im Detail:

  • Myokarditis (Risikoverhältnis 18,28; Risikodifferenz 11/100.000)
  • akute Nierenschädigung (Risikoverhältnis 14,83; Risikodifferenz 125,4/100.000)
  • Lungenembolie (Risikoverhältnis 12,14; Risikodifferenz 61,7/100.000)
  • intrakranielle Blutung (Risikoverhältnis 6,89; Risikodifferenz 7,6/100.000)
  • Perikarditis (Risikoverhältnis 5,39; Risikodifferenz 10,9/100.000)
  • Myokardinfarkt (Risikoverhältnis 4,47; Risikodifferenz 25,1/100.000)
  • Arrhythmie (Risikoverhältnis 3,83; Risikodifferenz 166,1/100.000.
  • tiefe Venenthrombose (Risikoverhältnis 3,78; Risikodifferenz 43/100.000)

Andererseits wirkt sich eine SARS-CoV-2-Infektion nicht nennenswert auf die Häufigkeit von Lymphadenopathien, Herpes-Zoster-Infektionen oder Blinddarmentzündungen aus.

Fazit

Der mRNA-Impfstoff Comirnaty führte über einen Nachbeobachtungszeitraum von 42 Tagen nicht zu einer erhöhten Inzidenz für die meisten der untersuchten unerwünschten Ereignisse. Dennoch ist die Impfung mit einem gewissen Risiko verbunden. Auch wenn die meisten Auswirkungen eher leichter Natur waren, sind potenziell schwerwiegende Ereignisse nicht auszuschließen, wie zum Beispiel eine Myokarditis (1 bis 5 Ereignisse pro 100.000 Personen).

Aber: Das Risiko einer Herzmuskelentzündung und vieler anderer schwerwiegender unerwünschter Reaktionen ist nach einer SARS-CoV-2-Infektion deutlich höher.

Autor:
Stand:
03.09.2021
Quelle:

Barda, N. et al. (2021): Safety of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Setting. N Engl J Med. 2021 Aug; DOI: 10.1056/NEJMoa2110475.

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