Trotz Corona-Impfung und -Infektion kein ausreichender Schutz vor Omikron BA.4 und BA.5

Eine Durchbruchsinfektion mit der Omikron BA.1 schützt bei zwei- und dreifacher mRNA-Impfung zwar gut vor einer Infektion mit früheren SARS-CoV-2-Virusvarianten, nicht aber vor den neuen Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5.

Schnelltest positiv

Deutschlandweit nehmen Infektionen mit den SARS-CoV-2-Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 stetig zu. Das Robert Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass sich diese gegenüber BA.1 und BA.2 durchsetzen und das Infektionsgeschehen in Kürze dominieren. Aufgrund der ausgeprägten Immunflucht-Fähigkeiten und (vermutlich) erhöhten Infektiosität von BA.4 und BA.5 wird ein Anstieg der Infektionszahlen befürchtet [1]. Dafür spricht auch die Pilotstudie einer Arbeitsgruppe um Dr. Jasmin Quandt aus der Forschungsabteilung des pharmazeutischen Unternehmens BioNTech in Mainz. Demnach schützt eine Durchbruchinfektion mit der Omikron-Subvariante BA.1 Personen mit zwei- bis dreifacher mRNA-Impfung zwar gut vor früheren SARS-CoV-2-Virusvarianten, jedoch kaum vor einer Ansteckung mit den neueren Omikron-Sublinien [2].

Zielsetzung

Die Wissenschaftler analysierten die Höhe der Antikörpertiter und B-Gedächtniszellen von Menschen mit oder ohne COVID-19-Infektion, die zuvor zwei- oder dreimal mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer geimpft wurden. Die Studie erfolgte im Zeitraum, in dem in Deutschland die SARS-CoV-2-Mutation Omikron-BA.1 die vorherrschende Variante war.

Methodik

Die untersuchten Blutproben entstammen aus Probensammlungen der Comirnaty-Impfstoffstudien sowie aus einer Biobank mit prospektiv asserviertem Material. Die Kohorte umfasste doppelt oder dreifach mit dem mRNA-Impfstoff geimpfte Personen ohne vorherige oder Durchbruchinfektion sowie Personen mit einer Doppelt- oder Dreifach-Impfung plus einer Durchbruchinfektion mit der Omikron-Variante BA.1. Die Neutralisierungskapazität des Serums wurde mit Pseudovirus- und Lebendvirus-Neutralisationstests ermittelt. Die Bestimmung SARS-CoV-2-S-Glykoprotein-spezifischer B-Gedächtniszellen (Bmem) erfolgte mittels eines durchflusszytometrischen B-Zell-Phänotypisierungstests unter Verwendung von peripheren mononukleären Blutzellen.

Ergebnisse

Die BA.1-Durchbruchinfektion hatte einen deutlichen Einfluss auf das Ausmaß und die Breite der neutralisierenden Antikörperreaktion. Im Vergleich zu Omikron-naiven Geimpften vermittelte eine Durchbruchinfektion mit BA.1 bei zwei- und dreifachgeimpften Menschen eine höhere Immunität gegen die älteren SARS-CoV-2-Varianten Wuhan, Alpha, Beta und Delta sowie gegen die Omikron-Subvarianten BA.1 und BA.2. Beispielsweise wiesen die Proben von zweifach geimpften Personen mit einer Durchbruchinfektion im Pseudotypneutralisierungstest rund 100-fach höhere Antikörper-Neutralisationstiter gegen den Omikron-Subtyp BA.1 sowie 35-fach höhere Titer gegen BA.2 auf als doppelt geimpfte Omikron-naive Personen. Gegen BA.4 und BA.5 waren die Antikörpertiter bei den zweifach Geimpften mit Durchbruchinfektion hingegen nur 15-fach höher als in der Kohorte ohne Durchbruchinfektion.

B-Gedächtniszellen – BA.1-Infektion erhöht RBD-Erkennung

Auf zellulärer Ebenen bildeten Omikron-naive zwei- und dreifach geimpfte Personen mehr B-Gedächtniszellen gegen das Spike-Protein als gegen die rezeptorbindende Domäne (RBD) von SARS-CoV-2. In den Rekonvaleszentengruppen verhielt es sich umgekehrt – was nahelegt, dass eine Durchbruchinfektion die RBD-Erkennung verbessert.

Fazit

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Infektion mit Omikron BA.1 bei geimpften Personen nicht nur die neutralisierende Aktivität steigert und die B-Gedächtniszellen gegen BA.1 erhöht, sondern auch die Immunität gegen verschiedene VOCs allgemein verstärkt. So scheint eine BA.1-Durchbruchsinfektion bei geimpften Personen das Zellrepertoire der B-Gedächtniszellen gegen konservierte S-Glykoprotein- und RBD-Epitope von Wuhan und anderen VOCs bis einschließlich BA.2 zu erweitern, anstatt nur streng eine Omikron-BA.1-spezifische Bmem-Antwort zu induzieren. Veränderte Charakteristika in BA.4 und BA.5 helfen den Subvarianten hingegen dabei, zuvor etablierten neutralisierenden Antikörperreaktionen zu entfliehen.

Ausblick: Omikron-adaptierte Impfstoffe

Quandt und Team gehen davon aus, dass die derzeit laufenden Anpassungen Omikron-adaptierter Impfstoffe – ähnlich wie die untersuchte BA.1-Durchbruchsinfektion – das B-Zell-Gedächtnisrepertoire umgestalten und einen breiten Schutz gegen frühere VOCs bieten. Angesichts der rasanten Entwicklung von SARS-CoV-2 sei allerdings nicht auszuschließen, dass bis zur möglichen Zulassung dieser Impfstoffe weitere Sublinien von Omikron auftauchen, die antigenisch noch stärker von BA.1 abweichen als die Immun-Escape-Varianten BA.4 und 5.

Autor:
Stand:
15.06.2022
Quelle:
  1. Robert Koch-Institut (RKI): Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019; 09. Juni 2022. (COVID-19)
  2. [2] Quandt, J. et al. (2022): Omicron BA.1 breakthrough infection drives cross-variant neutralization and memory B cell formation against conserved epitopes. Sci Immunol. 2022 Jun; eabq2427; DOI: 10.1126/sciimmunol.abq2427
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