
Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Demenz. Experten prognostizieren einen Anstieg auf etwa 2,8 Millionen für das Jahr 2050. Der demografische Wandel mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung trägt dazu bei. Auch wenn mit Lecanemab nun Hoffnung auf eine kausale Therapie von Alzheimer, der häufigsten Demenzform, besteht, kommt der Prävention weiterhin eine große Bedeutung zu.
Aktiv gegen Demenz – modifizierbare Risikofaktoren
In der Demenzprävention können gezielt verschiedene modifizierbare Risikofaktoren angegangen werden. Diese sind mittlerweile gut untersucht, das Bewusstsein dafür aber noch nicht in der breiten Masse der Bevölkerung angekommen. Zu den modifizierbaren Risikofaktoren zählen unter anderem:
- Bluthochdruck
- Adipositas
- Diabetes mellitus
- Depressionen
- Rauchen
- Soziale Isolation
Laut Studien könnten durch die Beachtung und das gezielte Angehen dieser und weiterer Risikofaktoren 30-40% der Demenzfälle verhindert werden.
Ernährung und Hörvermögen beeinflussen Demenzrisiko
Zwei weitere Faktoren, die das Demenzrisiko beeinflussen und die man ebenfalls beeinflussen kann, sind das Hörvermögen und die Ernährung. Die Ergebnisse zweier jüngst im Fachjournal „JAMA Neurology“ publizierter Studien liefern hierzu weitere Daten [1,2]. Anlässlich der Studienergebnisse und zur Förderung des Bewusstseins für die Demenzprävention veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) eine Pressemeldung [3].
„Dass Demenzprävention überhaupt möglich ist, ist bisher in unserer Gesellschaft noch gar nicht richtig angekommen – nicht bei jedem Einzelnen, besonders nicht in jungen Altersgruppen, auch nicht bei allen Ärztinnen und Ärzten“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, in der Pressemeldung. „Hirngesundheit ist ein extrem wichtiges Thema – für uns alle. Wir sollten konsequent die bekannten Demenz-Risikofaktoren vermeiden. Wie die aktuellen Studien zeigen, ist der positive Effekt, den Hörhilfen zur Korrektur von Schwerhörigkeit und eine gesunde, frisch zubereitete Kost auf unsere kognitive Gesundheit haben, sehr hoch. Wir möchten daher die Bevölkerung auf diese Präventionsmaßnahmen, die im Alltag leicht umzusetzen sind, hinweisen.“
Hörgeräte und Cochleaimplantate zur Demenzprävention
Forscher von der Yong Loo Lin School of Medicine der Universität Singapur untersuchten den Einfluss von Hörgeräten und Cochleaimplantaten zur Demenzprävention [1]. In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse werteten sie Datensätze von 137.484 Personen aus insgesamt 31 Studien aus. Die Studienteilnehmer wurden bis zu 25 Jahre lang nachbeobachtet.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwendung von Hörhilfen bei Personen mit eingeschränktem Hörvermögen im Unterschied zu Vergleichspersonen ohne eine solche Unterstützung, das Risiko des kognitiven Abbaus um fast 20% reduzieren konnte (Hazard Ratio [HR] 0,81; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,76 bis 0,87). Bei 568 Teilnehmern aus elf Studien konnte eine Assoziation zwischen der Unterstützung durch Hörhilfen und einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten um 3%, gemessen mit kognitiven Tests, ermittelt werden.
Die Autoren empfehlen angesichts der Ergebnisse, dass Personen mit Hörminderung oder Hörverlust zur Nutzung von Hörhilfen ermutigt werden sollten, um dem kognitiven Abbau entgegen zu wirken.
Wie hochprozessierte Lebensmittel den kognitiven Abbau beschleunigen
Wissenschaftler aus Brasilien unter Erstautorin Dr. Natalia Gomes Gonçalves von der University of São Paulo Medical School untersuchten den Einfluss der Ernährung auf den kognitiven Abbau. Die Forscher interessierten sich besonders für den Einfluss von hochprozessierten Lebensmitteln, also Fertigprodukten mit einem hohen Grad an industrieller Verarbeitung. In der multizentrischen prospektiven Kohortenstudie wurde eine mögliche Assoziation zwischen der Ernährung und dem kognitiven Status von Beamten aus mehreren brasilianischen Städten untersucht.
Die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer wurden zu Studienbeginn mittels Fragebogen erhoben. Anhand dessen wurde der Verzehr von hochprozessierten Lebensmitteln an der Gesamtenergiezufuhr pro Tag ermittelt und in Quartile eingeteilt.
Insgesamt gingen die Daten von 10.775 Teilnehmern in die Auswertung ein. Das mittlere Alter zu Studienbeginn lag bei 51,6 Jahren, etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer war weiblich (54,6%) und 6.106 Teilnehmer (56,6%) hatten mindestens einen College-Abschluss. Die mittlere Follow-up-Zeit lag bei 8 Jahren. Teilnehmer, die mehr hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nahmen, zeigten eine um 28% schnellere Rate des kognitiven Abbaus als Teilnehmer, die sich gesund ernährten. Auch der Verlust von Exekutivfunktionen schritt bei einer ungesunden Ernährung deutlich schneller voran – nämlich um 25% schneller als bei den Personen, die sich von gesunden und frischen Lebensmitteln ernährten.
Ausgewogene Ernährung und Hirngesundheit
Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung einer gesunden und ausgewogenen Ernährung auch für die Hirngesundheit. Der Einfluss der Ernährung auf metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen ist schon länger bekannt, doch auch das Nervensystem scheint eindeutig davon zu profitieren. Dieser Sachverhalt wird aktuell auch in Netzwerken wie dem Brain Health Network und weiteren Aufklärungs- und Präventionsbestrebungen berücksichtigt.