Leitlinie zu unipolarer Depression überarbeitet

Ende September 2022 ist die 3. Version der Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression erschienen. Schnittstellenmanagement und Versorgungskoordination sind ein Schwerpunkt. Neu ist die Implementierung von internet- und mobilbasierten Empfehlungen.

Depressioenen

Weltweit zählen Depressionen zu den wichtigsten Volkskrankheiten. In Deutschland erfährt jeder achte Erwachsene im Laufe seines Lebens eine depressive Episode. Auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein, was durch Kontaktbeschränkungen im Rahmen von COVID-19 deutlich zugenommen hat. Depressionen gehen mit einem hohen Leidensdruck für die Betroffenen einher. Dies kann neben den psychischen Manifestationen im Sinne einer Reduktion von Wohlbefinden, Selbstwertgefühl und Lebensqualität auch negative Effekte auf körperlicher Ebene haben.

Von Asthma bis Rückenschmerzen: die Nationalen VersorgungsLeitlinien

Volkskrankheiten werden in den Nationalen VersorgungsLeitlinien (NVL) thematisiert. Bei dem Programm für NVL handelt es sich um eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Qualitätsförderung in der Medizin. Die operative Durchführung und Koordination des NVL-Programms erfolgt durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Es existieren NVL zu Asthma, COPD, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Hypertonie, KHK, Rückenschmerzen und Depressionen. Die NVL Unipolare Depression wurde Ende September 2022 in ihrer aktualisierten Version vorgestellt [1].

Neuerungen in der Leitlinie zu Depressionen

In Version 3.0 der NVL Unipolare Depression liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung des Versorgungssystems sowie auf Empfehlungen zur besseren Koordination aller Leistungen, die Menschen mit Depressionen zur Verfügung stehen. Hiermit adressieren die Autoren der aktualisierten NVL wichtige Aspekte: Möglichkeiten zur Diagnostik, Therapie und Unterstützungsmöglichkeiten bei Depressionen sind vorhanden, doch die Koordination der Versorgung zwischen Hausarzt, psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung stellt nicht selten eine Herausforderung dar. Beim Übergang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung besteht die Gefahr, dass Versorgungslücken entstehen.

Ein weiterer Aspekt wird in einer Pressemeldung anlässlich der Neufassung der Leitlinie aufgegriffen: „Die sozialrechtliche Segmentierung führt außerdem dazu, dass Betroffenen und Versorgenden die zur Verfügung stehenden Leistungen und Angebote teilweise nicht bekannt und die Zugangswege sowie Kostenträger unklar sind.“ [2]

Patienten mit Depressionen in der Apotheke

In Kapitel 14.2 zur ambulanten Versorgungskoordination wird auch die apothekerische Versorgung von Menschen mit Depressionen thematisiert. Zwar zeigten sich laut den Autoren in der empirischen Evidenz keine Effekte auf patientenrelevante Endpunkte bei der Einbindung von Apothekern in spezielle Versorgungsprogramme für Menschen mit Depressionen, aber die Leitliniengruppe sieht speziell für Personen, die eine Apotheke häufiger aufsuchen und dort bekannt sind, Unterstützungsmöglichkeiten durch die Mitarbeiter der Apotheke.

Folgende mögliche Aufgabenbereiche für Apotheker bei Menschen mit depressiven Störungen definiert die Leitlinie:

  • Erkennen von Risikopatienten und Krisensituationen und ggf. Zuweisung in ärztliche Behandlung
  • Beratung und Information
  • Interaktionsmanagement (inkl. Selbstmedikation)
  • Medikationsanalyse bei Polymedikation
  • Adhärenzförderung
  • Nebenwirkungsmanagement
  • durch Stationsapotheken/klinische Pharmazie: Visitenbegleitung, Therapeutisches Medikamentenmonitoring, Pharmakogenetische Testungen, Psychoedukation (einzeln oder in Gruppen)

In der Leitlinie wird auch auf einen Gesprächsleitfaden der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zum Umgang mit suizidalen Menschen verwiesen.

Neu: Internet- und mobilbasierte Empfehlungen

Im Rahmen von Selbsthilfe, Selbstmanagement und (Selbst-)Monitoring sowie als Unterstützung in der Therapie können internet- und mobilbasierte Interventionen (IMI) über Computer bzw. Mobilgeräte angewendet werden. In der Leitlinie werden unter IMI evidenzbasierte Angebote verstanden, welche " psychoedukative Inhalte, Module mit therapeutischen Interventionen und ggf. Monitoring-Elemente umfassen;…“. Die Leitlinie grenzt davon klar Chats und Foren als informativ-psychoedukative peer-basierte Angebote ab, die hier nicht unter IMI fallen.

Die Leitlinie empfiehlt IMI ausschließlich nach einer fachgerechten Diagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung der Patienten, da IMI bislang sowohl basierend auf der Selbsteinschätzung der Patienten als auch auf Empfehlung der Krankenkassen genutzt werden können. Standards zur Patientensicherheit seien deshalb nicht durchgängig gewährleistet.

Neuerungen und Umstrukturierung bei Diagnostik und Therapie

Neben Schnittstellenmanagement und IMI wurde der strukturelle Aufbau der Leitlinie komplett überarbeitet. Die Struktur orientiert sich nun an den Behandlungs- bzw. Erkrankungsphasen und dem Schweregrad der Depression. Informationen zu Diagnostik und Therapie bei Depressionen wurden inhaltlich geprüft und aktualisiert. Beispielsweise wird Esketamin als neue Behandlungsoption bei Therapieresistenz und Suizidalität thematisiert.

Die Leitlinie ist in einer Langversion und einer Kurzversion sowie als Patientenleitlinie verfügbar. Daneben runden Algorithmen, Patienteninformationen, Kurzinformationen und mehr das Format ab.

Quelle:
  1. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.0. 2022 [cited: 2022-10-19]. DOI: 10.6101/AZQ/000493.
  2. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Pressemeldung, 29.09.2022; abgerufen am 19.10.2022

 

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