H1-Antihistaminika

Bei der Behandlung von Schlafstörungen kommen Antihistaminika der ersten Generation zum Einsatz, die aufgrund ihrer Lipohilie ZNS-gängig sind und somit schlafanstoßend wirken.

Schlafmittel

Sie sollten innerhalb der Selbstmedikation nicht länger als zwei Wochen angewendet werden und auch nur dann zum Einsatz kommen, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen. Zu den freiverkäuflichen H1-Antihistaminika gehören die Wirkstoffe:

Im Gegensatz zu den Antihistaminika der zweiten Generation zeichnen sich die Antihistaminika der ersten Generation durch ihre hohe Lipophilie aus, weshalb sie bluthirnschrankgängig sind und so ins ZNS gelangen. Hierdurch kommt es zu zentralen Wirkungen (insbesondere Sedierung).

Was gibt es zu beachten?

  • Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat Anfang 2020 mehrheitlich empfohlen Schlafmittel mit Doxylamin und Diphenhydramin für Patienten ab dem 65. Lebensjahr unter die Rezeptpflicht zu stellen [1].
  • Während Diphenhydramin die QT-Zeit am Herzen verlängern und die kognitiven Fähigkeiten einschränken kann, sind unter Doxylamin anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation und Harnretention möglich.
  • Laut Fachinformation ist unter Doxylamin die Sturzgefahr erhöht und Gefahr des Auftretens von Nebenwirkungen bei älteren Patienten größer. Die Studie zur Sturzgefahr aus dem Jahr 2015 gilt jedoch als umstritten.
  • Für Kleinkinder unter einem Jahr ist Doxylamin zur Behandlung von Schlafstörungen seit Anfang 2019 rezeptpflichtig. Diphenhydramin untersteht jedoch, gegen Übelkeit und Erbrechen eingesetzt, weiterhin auch für Kleinkinder nur der Apothekenpflicht.
  • Aufgrund der langen Halbwetszeiten sind Hangover-Effekte am nächsten Tag möglich.

 Ältere Patienten

  • Bei älteren Menschen sind anticholinerge Nebenwirkungen der H1-Antihistaminika sehr problematisch
  • Altersabhängiger Verlust cholinerger Neurone oder Rezeptoren im Gehirn
  • Reduzierte hepatische oder renale Clearance
  • Blut-Hirn-Schranke durchlässiger: höhere Arzneimittelkonzentrationen im ZNS
  • Erhöhtes Sturzrisiko
  • Besonders starke anticholinerge Effekte auf die Kognition (sogenannte anticholinerge Last).

 Kinder

  • Seit dem 1. Januar 2019 ist Doxylamin zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern verschreibungspflichtig. Betroffen ist das Präparat Sedaplus.
  • Säuglinge und Kleinkinder unter einem Jahr reagieren zum Teil besonders empfindlich auf Anticholinergika, was ein Risiko von Schlafapnoen bereits bei normaler Dosierung birgt.

Studienlage

Die Studienlage zu den H1-Antihistaminika ist der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin) zufolge unzureichend, insbesondere liegen keine hochwertigen randomisierten klinischen Studien (RCTs) vor. Antihistaminika hätten gemäß bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen einen allenfalls mäßigen Effekt nach deutlich verzögertem Wirkeintritt und könnten rasch zu einer Toleranz führen. Eine Empfehlung wird nicht ausgesprochen.

Quelle:
  1. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht, Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) 82. Sitzung, 2020.
  2. H.-J. Möller, H.-P. Volz, A. Dienel, S. Schläfke, S. Kasper, Efficacy of Silexan in subthreshold anxiety: meta-analysis of randomised, placebo-controlled trials, Eur. Arch. Psychiatry Clin. Neurosci. 269 (2019) 183–193. https://doi.org/10.1007/s00406-017-0852-4.
  3. Hilft Melatonin bei Schlafstörungen?, ZFA Online (2019).
  4. Geisslinger, M. G. (2020). Mutschler Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH.
  5. Neubeck, M. (5., überarbeitete Auflage 2021). Evidenzbasierte Selbstmedikation. Deutscher Apotheker Verlag.
  6. Oliver Grundmann, J. W. (12. 11 2008). Anxiolytic Activity of a Phytochemically Characterized Passiflora incarnata Extract is Mediated via the GABAergic System. Planta Med, S. 1769-1773. doi:10.1055/s-0028-1088322
  7. (2009). S3-Leitlinie - Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Springer-Verlag. doi:10.1007/s11818-009-0430-8
  8. S1 Leitlinie Nichtorganische Schlafstörungen AWMF-Registernr. 028/012, 2018
  9. S2k Leitlinie Insomnie bei neurologischen Erkrankungen; AWMF-Registernr. 030/045, 2020
  10. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 27, Oktober 2005, Schlafstörungen Robert Koch Institut
  11. WHO Monographs on Selected Medicinal Plants - Volume 1. Essential Medicines and Health Products Information Portal, http://apps.who.int/medicinedocs/en/d/Js2200e/29.html; aufgerufen am 4. Dezember 2017
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