
Das elektronische Rezept (E-Rezept) ist ein wichtiger Schritt zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Als Bestandteil eines Closed-Loop-Managementsystems bietet es gerade auch im Krankenhaus Chancen für eine bessere Patientenversorgung und erhöhte Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Allerdings bringt die Einführung erhebliche Herausforderungen für alle Beteiligten mit sich. Welche das im Krankenhaus sind, wann und wie die Umsetzung gelingen kann, stellten Hannes Neumann, Projektmanager bei der gematik GmbH, Jan Fahrenkrog-Petersen, Apotheker in der Krankenhausapotheke der Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Dr. Michael Baehr, Apothekenleiter am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf dem 47. ADKA-Jahreskongress 2022 vor.
Verzögerungen bei E-Rezept-Start
Auf Grundlage des Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) sollte das E-Rezept für apothekenpflichtige Medikamente für gesetzlich Versicherte und Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2022 verpflichtend eingeführt werden. Im Juli 2021 begann die Testphase in der Fokusregion Berlin-Brandenburg. Aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen war diese um zwei Monate bis Ende November 2021 verlängert worden. Am 1. Dezember startete dann der bundesweite Roll-out der Testphase in ausgewählten Pilotpraxen und -Apotheken. Kurz vor der verpflichtenden Einführung hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) jedoch erklärt, dass der Start der elektronischen Verordnung auf unbestimmte Zeit verschoben wird, da die nötige Technik noch nicht flächendeckend zur Verfügung stand.
Einführung bis Ende 2022 geplant
Seither wurden neue Qualitätsziele für das E-Rezept definiert. Es sollen vor der Einführung 30.000 E-Rezepte eingelöst und bearbeitet worden sein. Laut Neumann sei damit im Sommer dieses Jahres zu rechnen. Zudem soll eine bundesweite Abdeckung der Apotheken, Praxen und entsprechender Verwaltungssysteme mit den Voraussetzungen für den elektronischen Verordnungsprozess erfolgen. Auch sollen möglichst viele Patienten aller Krankenkassen einbezogen werden. Ein neuer Starttermin steht bisher nicht fest. Neumann berichtet jedoch, dass mit einem Roll-out noch in diesem Jahr zu rechnen sei. Mit welchen Abstufungen und Fristen sei jedoch noch unklar.
Nutzung des E-Rezeptes im Krankenhaus
In der derzeit laufenden bundesweiten Testphase können verschiedene Funktionen des E-Rezeptes getestet werden. Dazu zählen auch Rezepte zum Einlösen in öffentlichen Apotheken im Zuge des Entlassmanagements oder über die Ambulanzen. Zytostatika-Verordnungen und entsprechende Begleitmedikation sowie der Stationsbedarf können derzeit, neben vielen weiteren Sonderrezepten, nicht über den elektronischen Verordnungsprozess abgebildet werden.
Direktzuweisungen
Unter Direktzuweisungen versteht man Verordnungen, die zwischen Klinik und Krankenhausapotheke ohne aktive Beteiligung des Patienten ausgetauscht werden. Dazu zählt die Versorgung mit anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen nach §11 Abs. 2 Apothekengesetz (ApoG) und Fertigarzneimitteln im Rahmen der Krankenhausversorgung nach §14 Abs. 7-8 ApoG. Der Patient soll dabei zwar die Information erhalten, dass für ihn eine Verordnung vorliegt, ohne aber Veränderungen an dieser vornehmen zu können. Nach der Herstellung soll der Patient darüber informiert werden, welches Arzneimittel auf seinen Namen abgegeben wurde.
Für solche Verordnungen stehen bisher keine technischen Lösungen zur Verfügung, diese befinden sich aber bereits in der Entwicklung, wie Naumann berichtet. Ab Oktober 2022 werde voraussichtlich eine gesonderte Testphase zu Direktzuweisungen starten.
Herstellung und Abgabe parenteraler Zubereitungen
Bei parenteralen Zubereitung werden Rezepte oft im Nachgang erzeugt, so Fahrenkrog-Petersen. Dies wurde in die Erste Änderungsvereinbarung zur Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nach §300 Absatz 3 SGB V aufgenommen, sodass dies auch rechtlich geregelt ist. Hiernach dürfen die Zeitstempel von Herstellung und Abgabe vor dem Zeitpunkt der Erzeugung der elektronischen Verordnung liegen. Der späteste Zeitpunkt der Quittungserzeugung durch die TI soll dabei das Ende des auf die Abgabe folgenden Werktags sein.
Wie weit im Voraus eine parenterale Zubereitung jedoch hergestellt werden darf, sei bisher noch nicht vollständig geklärt, erläutert der Krankenhausapotheker der Charité. Daher rät er zur hausinternen Anpassung und Beschleunigung der Prozesse, um spätestens zum Zeitpunkt der Applikation eine Verordnung vorweisen zu können.
Möglicher Workflow für Zytostatika-Zubereitungen
Der Klinikapotheker erläuterte auch ein Beispielkonzept für einen entsprechenden Workflow. Dabei würde die Prüfung und Herstellung der Zubereitungen anhand eines digitalen Therapieplans erfolgen. Anschließend würde die Apotheke die nötigen Rezeptdaten aus der Zytostatika-Software über eine Schnittstelle an das Rezepterstellungsprogramm übermitteln. Der Arzt würde nun das E-Rezept erzeugen und über den E-Rezept-Fachdienst (TI) an die Taxierungssoftware der Krankenhausapotheke übermitteln, die schließlich die Abrechnung vornimmt. Allerdings fehlen hierzu bisher Schnittstellen, insbesondere zwischen den Zytostatika- und E-Rezept-Programmen.
Chargenübermittlung von Fertigarzneimitteln
Der Abgabedatensatz elektronischer Verordnungen soll die Chargenbezeichnung des authentifizierungspflichtigen Arzneimittels enthalten, wenn auf der Umverpackung ein entsprechender Data Matrix Code (Securpharm) vorhanden ist.
Fahrenkrog-Petersen erläuterte, dass dabei darauf geachtet werden müsse, dass bei der Abgabe von Arzneimitteln aus dem Vorrat der Ambulanzen andere Chargen auftreten können als bei den Packungen, die die Apotheke im Nachhinein zur Auffüllung abgibt. Wie der Patient an die Information gelange, welche Charge er erhalten hat, sei noch zu klären.
Drei-Punkte-Papier der ADKA
Die ADKA hat gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands ein Drei-Punkte-Papier erstellt, das kritische Aspekte im Workflow zusammenfasst.
Mehr Zeit für Umsetzung der Chargenübermittlung
Dort heißt es, dass die Chargenübermittlung an den Kostenträger im Rahmen der ambulanten Versorgung nicht erforderlich ist, solange die technischen Voraussetzungen im Krankenhaus dazu fehlen. Für die Umsetzung benötigten die Kliniken mehr Zeit, erklärte Baehr. An sich sei die Regelung nicht nur im Hinblick auf Ersatzansprüche der Krankenkassen gegenüber der Hersteller, sondern auch auf die AMTS notwendig.
Einführung eines Leistungsdatums
Das Muster-16 Formular ermöglicht auch im Nachhinein eine Zuordnung zum tatsächlichen Behandlungsdatum. Dies ist derzeit in der Spezifikation des E-Rezeptes nicht vorgesehen. Daher fordert die ADKA, dass im Verordnungsdatensatz neben dem Ausstellungsdatum auch die unabhängige Angabe eines Leistungsdatums ermöglicht wird. Dies machten die unterschiedlichen Workflows der einzelnen Krankenhäuser notwendig und würde verschiedene Prozesse vereinfachen, beispielweise die Aufnahme eines Patienten aus der onkologischen Ambulanz in die stationäre Versorgung am gleichen Tag, so Baehr.
Schnittstelle zwischen Zytostatika-Software und Verordnungssystemen
Der dritte Punkt beschäftigt sich mit der Zytostatikazubereitungen. Baehr erläutert, dass die Gespräche mit den Herstellern von Zytostatika-Software für Apotheken ergeben hätten, dass diese nicht dazu in der Lage seien und auch nicht planten die Erstellung von Verordnungen in die Programme zu integrieren. Aus diesem Grund fordert die ADKA eine standardisierte Schnittstelle zwischen Zytostatika-Herstellungsprogrammen und den KBV-zertifizierten Verordnungssystemen.
Apotheken sollen sich einbringen
Baehr betont, dass die vollständige technische Ausstattung von Ärzten und Apothekern eine wesentliche Voraussetzungen für die Bearbeitung der E-Rezepte sei. „Dieses ganze Thema ist kein ausschließliches Apothekenthema, sondern für das ganze Krankenhaus ein unglaublicher Change-Prozess.“, erklärt der Apothekenleiter. Er fordert die Apotheken auf, sich bei der Umsetzung in den Kliniken aktiv einzubringen.