
Das Alkaloid der Herbstzeitlosen rückte im Januar verstärkt in den Fokus, nachdem das Montreal Heart Institute (MHI) positive Ergebnisse der COLCORONA-Studie bekanntgegeben hatte, wonach die Gabe von Colchicin Klinikeinweisungen um 25%, die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung um 50% und Todesfälle um 44% reduzierte. Allerdings wurde der primäre Endpunkt verfehlt und trat lediglich bei 4,7% der Patienten in der Colchicin-Gruppe und bei 5,8% der Patienten in der Placebo-Gruppe auf (Odds Ratio 0,79; 95,1% Konfidenzintervall (CI) 0,61 bis 1,03; p=0,08).
Rekrutierung gestoppt
Am 4. März hielt das unabhängige Datenüberwachungskomitee (DMC) der RECOVERY-Studie eine Routine-Sitzung, um die verfügbaren Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten zu überprüfen. Auf Anraten des DMC wurde die Rekrutierung für den Colchicin-Arm der RECOVERY-Studie daraufhin gestoppt. Das DMC sah „keine überzeugenden Beweise dafür, dass eine weitere Rekrutierung einen schlüssigen Beweis für einen lohnenden Sterblichkeitsvorteil insgesamt oder in einer vorgegebenen Untergruppe“ liefern würde.
Ergebnisse
Grundlage für die Entscheidung sind Daten zu Patienten, die nach dem Zufallsprinzip zum Colchicin-Arm randomisiert wurden, im Vergleich zur Standardbehandlung allein. Die vorläufige Analyse basiert auf 2178 gemeldeten Todesfällen bei 11.162 randomisierten Patienten, von denen 94% mit einem Kortikosteroid wie Dexamethason behandelt wurden. Es konnte kein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt der 28-Tage-Mortalität festgestellt werden (20% Colchicin vs. 19% Standardbehandlung allein; Risikoverhältnis 1,02 [95% -Konfidenzintervall 0,94-1,11]; p=0,63).
In der Pressemitteilung der Recovery-Studie wird darauf hingewiesen, dass das Follow-up der Patienten noch nicht abgeschlossen sei und die endgültigen Ergebnisse so bald wie möglich veröffentlicht würden.
Über Colchicin
Colchicin ist ein toxisches Alkaloid der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) und ein sog. Spindelgift sowie ein Metaphaseninhibitor. Durch Hemmung der Tubulinkettenbildung blockiert Colchicin die Ausbildung und den Umbau des Zytoskeletts und hemmt so die Zellteilung, aber auch die Migration von nicht ortsständigen Zellen, wie z.B. der Leukozyten.
Als Medikament ist Colchicin zugelassen zur Behandlung der akuten Gicht oder zur Prävention eines Gichtanfalls, wenn nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) kontraindiziert sind oder vom Patienten nicht vertragen werden. Weiterhin findet das Arzneimittel Anwendung bei familiärem Mittelmeerfieber (FMF) zur Prävention von Fieberschüben und zur Prävention einer Amyloidose.
Aussicht
Martin Landray, Professor für Medizin und Epidemiologie am Nuffield Department of Population Health der Universität Oxford und Joint Chief Investigator, sagte: „In der RECOVERY-Studie wurden bereits zwei entzündungshemmende Medikamente identifiziert - Dexamethason und Tocilizumab -, die die Überlebenschancen von Patienten mit schwerem COVID-19 verbessern. Es ist daher enttäuschend, dass Colchicin, das häufig zur Behandlung von Gicht und anderen entzündlichen Erkrankungen eingesetzt wird, bei diesen Patienten keine Wirkung hat.“
Peter Horby, Professor für neu auftretende Infektionskrankheiten am Nuffield Department of Medicine der Universität Oxford und Joint Chief Investigator für die RECOVERY-Studie, sagte: „Dies ist die größte Colchicin-Studie aller Zeiten (…). Obwohl wir enttäuscht sind, dass das Gesamtergebnis negativ ist, sind es dennoch wichtige Informationen für die zukünftige Versorgung von Patienten in Großbritannien und weltweit. “