Künstlich hergestellte Schilddrüsenhormone gleichen die hormonelle Fehlfunktion bei Schilddrüsenerkrankungen aus. Je nach Bedarf kommen unterschiedliche Wirkstoffe zum Einsatz.
Fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland weist eine krankhafte Veränderung der Schilddrüse auf. Da das Organ lebenswichtige Hormone produziert, wirken sich Fehlfunktionen auf den gesamten Körper aus. So führt beispielsweise eine Hypothyreose zu Müdigkeit, Antriebslosigkeit, blasser Haut, trockenem Haar und allgemeiner Kälteempfindlichkeit. Auch Übergewicht und Verstopfung sowie ein niedriger Puls, der mit einer geringeren Leistungsfähigkeit einhergeht, gehören zu den Folgen eines Mangels an Schilddrüsenhormonen. Eine Hormonersatztherapie gleicht den Mangel aus, lindert die Symptome und verhindert auch die Bildung eines Strumas, einer krankhaften Vergrößerung der Schilddrüse. Schilddrüsenhormone müssen in der Regel ein Leben lang eingenommen werden, da die Fehlfunktion des Organs nicht heilbar ist.
Wirkmechanismus
Beim gesunden Menschen regeln Hypothalamus und Hypophyse die Produktion von Hormonen in der Schilddrüse. Misst beispielsweise der Hypothalamus eine zu geringe Konzentration der Botenstoffe im Blut, schüttet er das Hormon Thyreoliberin (auch Thyrotropin Releasing Hormone oder kurz TRH genannt) aus. Das veranlasst die Hypophyse, Thyreotropin (TSH) zu bilden. Erreicht dieses über den Blutkreislauf die Schilddrüse, bildet diese die beiden Hormone Tetrajodthyronin (Thyroxin, T4) und Trijodthyronin (T3). Sobald sich diese Hormone im Blutkreislauf befinden, registriert das der Hypothalamus und stellt die TRH-Produktion wieder ein (negative Rückkopplung).
Medikamente, die bei einer Hypothyreose zum Einsatz kommen, gleichen den Hormonspiegel aus und lindern die Beschwerden, die der Hormonmangel verursacht. Sie enthalten meist Levothyroxin (kurz L-Thyroxin), das dem körpereigenen T4 entspricht. Das T3 kann der Körper daraus selbst herstellen. Ist dies – zum Beispiel aufgrund eines Enzymmangels – nicht möglich, kommen Kombinationspräparate aus T4 und T3 infrage.
Zirkulieren synthetisches T3 und T4 im Blut, funktioniert der Rückkopplungsmechanismus wie mit körpereigenen Hormonen: Der Hypothalamus stellt fest, dass der Hormonspiegel in Ordnung ist, und stellt die Produktion von TRH ein. Dann schickt auch die Hypophyse kein TSH mehr an die Schilddrüse.
Der Wirkstoff L-Thyroxin und das daraus entstehende T3 bewirken im Körper zirkulierend dasselbe wie die natürlichen Hormone: Sie fördern die Aufnahme von Glukose und kurbeln dadurch den Grundumsatz an, wodurch Sauerstoffverbrauch und Wärmeproduktion steigen. Der Cholesterinabbau wird beschleunigt, Knochenwachstum, Muskelfunktion, Herzschlag und Blutdruck regulieren sich.
Hinweis: Ist Jodmangel der Auslöser für die Hypothyreose, sollte zusätzlich Jod zugeführt werden. Dies ist heute aber nur noch selten der Fall.
Nebenwirkungen
Unter Kontrolle der Blutwerte und bei regelmäßiger Einnahme sind Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Schilddrüsenhormonen unwahrscheinlich. Lediglich eine zu schnelle Dosissteigerung zu Beginn der Therapie oder eine Überdosis können jene Symptome hervorrufen, die auch bei einer Hyperthyreose auftreten: Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen, Muskelkrämpfe, Hitzegefühl, Hyperhidrosis, Tremor, Unruhe, Schlaflosigkeit, Diarrhö, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, Menstruationsstörungen. Die Dosis sollte dann verringert werden. Selten kommt es zu allergischen Reaktionen auf einen Bestandteil der Tabletten.
Wechselwirkungen
Schilddrüsenhormone zeigen Wechselwirkungen mit folgenden Wirkstoffen:
Antidiabetika: Diabetiker sollten ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren und ggf. die Dosierung der Antidiabetika erhöhen.
Cumarinderivate: Müssen diese Mittel eingenommen werden, ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutgerinnung anzuraten und die Dosis ggf. zu senken.
Ionenaustauscherharze: Colestyramin, Colestipol sowie Calzium- und Natriumsalze sollten erst fünf Stunden nach den Schilddrüsenhormonen eingenommen werden.
Gallensäurenkomplexbildner: Der Einnahmeabstand zwischen Schilddrüsenhormonen und Colesevelam sollte vier Stunden betragen.
Arzneimittel mit Aluminium, Eisen oder Calciumcarbonat: Der Einnahmeabstand sollte zwei Stunden betragen.
Propylthiouracil, Glucocortikoide und Betarezeptorenblocker: Sie hemmen die Umwandlung von T4 in T3.
Amiodaron und iodhaltige Kontrastmittel: Sie können aufgrund ihres hohen Jodgehalts Schilddrüsenprobleme auslösen.
Östrogenhaltige Kontrazeptiva: Sie steigern den Bedarf an Schilddrüsenhormonen.
Barbiturate, Rifampicin und Carbamazepin: Sie können die hepatische Clearance von Schilddrüsenhormonen erhöhen.
Protease-Inhibitoren: Möglicherweise heben sie die Wirkung von Schilddrüsenhormonen auf.
Sojaprodukte: Sie können die Aufnahme von Schilddrüsenhormonen hemmen.
Kontraindikationen
Schilddrüsenhormone dürfen nicht eingenommen werden bei:
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder Bestandteile der Tablette
unbehandelter Hyperthyreose
unbehandelter adrenaler Insuffizienz
unbehandelter Hypophyseninsuffizienz
akutem Myokardinfarkt
akuter Myokarditis
akuter Pankarditis
Schwangerschaft und gleichzeitiger Einnahme eines Thyreostatikums.
Hinweise
Das Einnahmemanagement von Levothyroxin (T4) bietet große Fallstricke. So können Kaffee, Medikamente oder Nahrungs(ergänzungs)mittel Resorption und Bioverfügbarkeit des Schilddrüsenhormons verringern. Ausführliche Informationen siehe: Einnahmeregeln für Levothyroxin - Patienten regelmäßig informieren
Zuweilen werden Schilddrüsenhormone wie Levothyroxin von übergewichtigen Menschen missbraucht, um das Abnehmen zu erleichtern. Wegen der schwerwiegenden Nebenwirkungen ist davon aus medizinischer Sicht dringend abzuraten. Der Einkauf von Schilddrüsenhormonen im Internet ist darüber hinaus sehr unsicher, da die Inhaltsstoffe der Präparate in aller Regel ungeprüft sind.
Da viele Herzfunktionen, einschließlich Herzfrequenz, Herzzeitvolumen und systemischer Gefäßwiderstand, eng mit dem Schilddrüsenstatus verknüpft sind, kann eine Überbehandlung mit Levothyroxin zu einem Anstieg der Herzfrequenz, der Herzwanddicke und der Herzkontraktilität führen und Angina pectoris oder Arrhythmien auslösen. Insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei älteren Patienten ist deshalb Vorsicht geboten.
Als Folge einer übermäßigen Levothyroxin-Einnahme können, insbesondere bei postmenopausalen Frauen, erhöhte Knochenresorption und verringerte Knochenmineraldichte auftreten. Die erhöhte Knochenresorption kann mit erhöhten Serumspiegeln und einer Ausscheidung von Calcium und Phosphor im Urin, Erhöhungen der alkalischen Knochenphosphatase und unterdrückten Parathormonspiegeln im Serum einhergehen.
Eine Behandlung mit Levothyroxin bei Patienten mit Diabetes mellitus kann die glykämische Kontrolle verschlechtern und zu einem erhöhten Bedarf an Antidiabetika oder Insulin führen.
Wirkstoffe
Je nach Indikation kommen verschiedene Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zum Einsatz: