Polymyalgia rheumatica

Die Polymyalgia rheumatica ist eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung und charakterisiert sich durch starke Schmerzen, sowie Versteifungen in Nacken-, Rücken-, Schulter- und Hüftmuskulatur. Sie ist eng mit der Riesenzellarteriitis assoziiert.

Physiotherapie älterer Mann

Definition

Bei einer Polymyalgia rheumatica (PMR) kommt es zu starken Schmerzen und Versteifungen in Nacken-, Rücken-, Schulter- und Hüftmuskulatur. Sie betrifft überwiegend ältere Menschen. Kennzeichnend ist der symmetrische Befall und der tageszeitliche Verlauf der Schmerzen. Die PMR ist eng mit der ebenfalls autoimmunvermittelten Riesenzellarteriitis (RZA) assoziiert, die beiden treten häufig zusammen auf. Die Ursache der Erkrankung ist noch unbekannt und die Diagnose kann meist erst nach Ausschluss klinisch ähnlicher Differentialdiagnosen gestellt werden.

Epidemiologie

PMR tritt fast ausschließlich bei Menschen über 50 Jahren auf, dabei sind Frauen 3-mal häufiger betroffen [1]. Die Inzidenz reichte in Studien von 64 bis 96/100.000 Einwohner für Menschen über 50 Jahre und steigt mit dem Alter bis 80 Jahre an, um danach wieder abzufallen [2,3] In Deutschland lag die Inzidenz zwischen 2011 und 2019 bei 18,6/100.000 [4].

Die Polymyalgia rheumatica ist die zweithäufigste rheumatische Autoimmunerkrankung nach rheumatoider Arthritis im höheren Lebensalter [5].

Ursachen

Die Ursachen der PMR sind nicht bekannt. Es ist handelt sich um eine Autoimmunerkrankung und es bestehen Hinweise auf einen Zusammenhang mit Synovitiden und Bursitiden.

Zudem wird aufgrund familiärer Häufung von einer genetischen Veranlagung ausgegangen [6]. Polymorphismen des HLA-DRB1-Gens begünstigen die Erkrankung offenbar [4].

Pathogenese

Die Pathogenese der PMR ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich tragen genetische Faktoren, Infektionen, Störungen des Immunsystems, des Gefäßsystems und der endokrinen Achsen zur Entstehung der Erkrankung bei. Möglicherweise handelt es sich um eine frühe subklinische Vaskulitis mit systemischer, artikulärer und periartikulärer Entzündungssymptomatik [8].

Patienten mit PMR haben eine verminderte Anzahl an zirkulierenden B-Lymphozyten, dies kann für den Anstieg von Interleukin-6 im Serum der Patienten mit PMR verantwortlich sein [9]. Die Konzentration von Interleukin-6 korreliert mit der Krankheitsaktivität der PMR [10].

Symptome

Die Symptome der PMR treten meist plötzlich, teilweise aber auch schleichend auf.

Leitsymptom ist eine ausgeprägte symmetrische Steifheit der proximalen Extremitätenmuskulatur, v.a. im Bereich der Schultern, mit Muskelschmerzen. Im tageszeitlichen Verlauf beginnen die Schmerzen meist nachts und sind morgens am stärksten. Im Laufe des Tages und zum Abend hin bessern sie sich.

Durch starke Schmerzen sind Einschränkungen in der Mobilität möglich, sodass das morgendliche Aufstehen mühsam sein kann und/oder ein kleinschrittiger Gang zu beobachten ist.

Häufig leiden die Patienten zudem an erhöhten Temperaturen und Abgeschlagenheit, sowie Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust [8,12,13].

Mit Krankheitsbeginn sind auch depressive Verstimmungen möglich, welche sich nur zum Teil psychoreaktiv erklären lassen. Häufig liegt ihnen vielmehr eine Arteriitis cranialis zugrunde. Durch die Behandlung mit Glukokortikoiden verschwinden die Verstimmungen schlagartig [11].

Diagnostik

Die Diagnose einer PMR basiert auf der typischen Symptomatik bzw. den klinischen Befunden und den entsprechenden Laborergebnissen. Häufig kann die Diagnose erst nach Ausschluss klinisch ähnlicher Differentialdiagnosen gestellt werden.

Folgende Laborparameter weisen auf eine PMR hin

Eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) (>40 mm in der ersten Stunde, Sturzsenkung) ist üblich [14]. Patienten mit niedriger BSG haben weitaus seltener systemische Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust und Anämie [15].

C-reaktives Protein (CRP) ist üblicherweise ebenfalls erhöht und gilt als sensitiverer Parameter für die Krankheitsaktivität, während die BSG der bessere Parameter für ein Rezidiv ist [16].
Es kann sowohl eine normozytäre Anämie, als auch eine Thrombozytämie auftreten.

Die Leberenzyme und vor allem die alkalische Phosphatase sind gelegentlich erhöht. Serologische Marker wie Antinukleäre Antikörper (ANA), Rheumafaktor (RF) und Antikörper gegen citrullinierte Proteine (Anti-CCP-AK) sind negativ [5].

Bildgebende Verfahren

Ein Ultraschall sollte zur Einschätzung einer subakromialen oder subdeltoidalen Bursitis, einer Tenosynovitis der langen Bizepssehne und einer glenohumeralen Synovitis gemacht werden [17].
Eine Magnetresonanztomografie kann ebenfalls eingesetzt werden und ist sensitiver für die Detektion von Befunden im Hüftbereich und am Becken [18].

Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) zeigt einen F-18 Desoxyglukose-uptake in den Schultern, den Tubera ischiadica, im Trochanter Major beidseits, sowie in den Glenohumeral- und Sternoclaviculargelenken [19].

2012 American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism PMR Klassifikationskriterien [17].

Voraussetzung für die Klassifikation sind Patienten im Alter von 50 Jahren oder älter mit bilateralen Schulterschmerzen und abnormalen CRP- und/oder BSG-Werten. Zur Klassifikation dienen dann   folgende Kriterien:

  • Morgendliche Steifheit über einen Zeitraum von 45 Minuten (zwei Punkte)
  • Hüftschmerz oder verminderter Bewegungsumfang (ein Punkt)
  • Negative Befunde für Rheumafaktor oder Anti-CCP-AK (zwei Punkte)
  • Keine Beteiligung anderer Gelenke (ein Punkt)
  • Sonografiekriterien: mindestens eine Schulter mit dem Befund einer subdeltoidalen Bursitis, einer Tenosynovitis der Bizepssehne, oder einer glenohumeralen Synovitis und mindestens eine Hüfte mit dem Befund einer Synovitis oder Bursitis des Trochanter major (Ein Punkt)
  • beide Schultern mit dem Befund einer subdeltoidalen Bursitis, einer Tenosynovitis der Bizepssehne, oder einer glenohumeralen Synovitis (ein Punkt)

 Bei mindestens vier (ohne Sonografie) bzw. fünf Punkten (mit Sonographie) lässt sich mit einer Sensitivität von 68% (mit Sonografie %) und einer Spezifität von 78% (mit Sonografie 81%) eine PMR klassifizieren.

Die Diagnosewahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn Patienten rasch auf die Gabe von Glukokortikoiden ansprechen.

Therapie

Therapie der ersten Wahl ist die Behandlung mit Glukokortikoiden. Sie sollte unmittelbar nach Diagnosestellung eingeleitet werden, da hierdurch eine deutliche und rasche Linderung der Beschwerden erzielt werden kann. Es wird eine Initialdosis von 15-25 mg Prednison-Äquivalent pro Tag empfohlen. Die Dosierung sowie die Behandlungsdauer müssen individuell, abhängig von den Ergebnissen des regelmäßigen Monitorings, angepasst werden.

Eine initiale Dosis-Reduktion auf 10 mg pro Tag Prednison-Äquivalent sollte innerhalb von vier bis acht Wochen erreicht werden, danach erfolgt die weitere Reduktion um 1 mg alle vier Wochen bis zum Absetzen des Glukokortikoids. Bei einem Rezidiv wird die Prednison-Dosis auf die Prä-Rezidiv-Dosis erhöht und schrittweise innerhalb von vier bis acht Wochen wieder reduziert.

Eine orale Therapie mit Glukokortikoiden wird bevorzugt, jedoch kann alternativ Methylprednisolon intramuskulär gegeben werden.

Zusätzlich sollte frühzeitig die Gabe von Methotrexat in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Patienten mit einem hohen Risiko für Rezidive und/oder für eine lange Therapiedauer; sowie bei Risikofaktoren, Komorbiditäten und/oder Begleitmedikationen, die glukokortikoidinduzierte Nebenwirkungen wahrscheinlicher machen.

Auch bei unzureichendem Ansprechen auf Glukokortikoide oder Auftreten von Nebenwirkungen kann auf Methotrexat zurückgegriffen werden.

NSAR und/oder Analgetika sollten nur bei Schmerzen anderer Ursache zusätzlich angewendet werden. Von TNFα-Inhibitoren wird abgeraten [1].

Prognose

Bei rascher Diagnosestellung und entsprechendem Therapiebeginn hat die PMR eine gute Prognose. Die Mortalität ist im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht signifikant erhöht [5].

Autor:
Stand:
09.02.2023
Quelle:
  1. S3-Leitlinie AWMF PMR. (zuletzt abgerufen 30.01.2023)
  2. Raheel S et al. (2017): Epidemiology of Polymyalgia Rheumatica 2000-2014 and Examination of Incidence and Survival Trends Over 45 Years: A Population-Based Study. Arthritis care & research (Hoboken). DOI: 10.1002/acr.23132
  3. Partington RJ et al. (2018): Incidence, prevalence and treatment burden of polymyalgia rheumatica in the UK over two decades: a population-based study. Annals of the rheumatic diseases. DOI: 10.1136/annrheumdis-2018-213883
  4. Colombo et al. (2022): Polymyalgia rheumatica. Geschlechtsspezifische Epidemiologie, diagnostisch-therapeutisches Vorgehen und ärztliche Versorgung. Deutsches Ärzteblatt International. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0218
  5. Acharya S, Musa R. (2022): Polymyalgia Rheumatica. [Updated 2022 Jun 21]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; Online.
  6. Liozon E et al. (2009): Familial aggregation in giant cell arteritis and polymyalgia rheumatica: a comprehensive literature review including 4 new families. Clinical and experimental rheumatology.
  7. Weyand CM et al. (1994): HLA-DRB1 alleles in polymyalgia rheumatica, giant cell arteritis, and rheumatoid arthritis. Arthritis & rheumatology. DOI: 10.1002/art.1780370411
  8. Dejaco C et al. (2016): [Diagnostics and treatment of polymyalgia rheumatica]. Zeitschrift für Rheumatologie. DOI: 10.1007/s00393-016-0105-3
  9. van der Geest KS et al. (2014): Disturbed B cell homeostasis in newly diagnosed giant cell arteritis and polymyalgia rheumatica. Arthritis & rheumatology. DOI: 10.1002/art.38625
  10. Roche, N. E. et al. (1993): Correlation of interleukin-6 production and disease activity in polymyalgia rheumatica and giant cell arteritis. Arthritis and rheumatism.
  11. Hettenkofer, H.-J. (2003): Rheumatologie. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart. DOI: 10.1055/b-0034-45581
  12. Buttgereit F et al. (2016): Polymyalgia Rheumatica and Giant Cell Arteritis: A Systematic Review. Journal of the American Medical Association. DOI: 10.1001/jams.2016.5444
  13. Matteson EL, Dejaco C. (2017): Polymyalgia Rheumatica. Annals of internal medicine. DOI: 10.7326/AITC201705020
  14. Chuang TY et al. (1982): Polymyalgia rheumatica: a 10-year epidemiologic and clinical study. Annals of internal medicine. DOI: 10.7326/0003-4819-97-5-672
  15. González-Gay MA et al. (1997): Polymyalgia rheumatica without significantly increased erythrocyte sedimentation rate. A more benign syndrome. Archives of internal medicine. DOI: 10.1001/archinte.1997.00440240081012
  16. Cantini F et al. (2000): Erythrocyte sedimentation rate and C-reactive protein in the evaluation of disease activity and severity in polymyalgia rheumatica: a prospective follow-up study. Seminars in arthritis and rheumatism. DOI:10.1053/sarh.2000.8366
  17. Dasgupta B et al. (2012): Provisional classification criteria for polymyalgia rheumatica: a European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology collaborative initiative. Arthritis and rheumatism. DOI: 10.1002/art.34356
  18. Huwart A et al. (2018): Ultrasonography and magnetic resonance imaging changes in patients with polymyalgia rheumatica treated by tocilizumab. Arthritis Research & Therapy.
  19. Yuge S et al. (2018): Diagnosing polymyalgia rheumatica on 18F-FDG PET/CT: typical uptake patterns. Annals of nuclear medicine. DOI: 10.1007/s12149-018-1269-5
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