Antibiotika-Verordnungen gehen deutlich zurück

In den letzten Jahren sind die Antibiotika-Verordnungen deutschlandweit zurückgegangen. Dieser positive Trend war unabhängig von der Region und Wirkstoffgruppe zu verzeichnen. Den signifikantesten Rückgang gab es bei Kindern unter einem Jahr.

Antibiotika

Die Zahl der Verordnungen systemischer Antibiotika sank in den letzten Jahren drastisch, und zwar unabhängig von KV-Bereichen, Alter und Wirkstoffgruppen. Zu diesem Ergebnis kam eine zentrale Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), deren Daten aktuell in einer Pressemitteilung veröffentlicht wurden. Die Studie untersuchte detailliert die Anzahl systemischer Antibiotika, die niedergelassene Ärzte im Zeitraum zwischen 2010 und 2018 gesetzlich krankenversicherten Patienten verschrieben haben. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums konnte ein Rückgang von insgesamt 21% ermittelt werden. Am stärksten nahmen die Verordnungen bei Neugeborenen und Säuglingen ab.

Deutlichster Rückgang bei Kindern

GKV-Versicherten wurden im Jahr 2010 noch 562 Verordnungen pro 1000 Versicherte ausgestellt. Im Jahr 2018 ging der Anteil auf 446/1000 zurück. Das entspricht einer Reduktion um insgesamt 21%. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 14 Jahren ist ein noch stärkerer Trend zu verzeichnen. In diesem Alterssegment verringerte sich die Zahl der Antibiotika-Verordnungen um insgesamt 41%. Die deutlichste Abnahme gab es in dieser Gruppe bei Neugeborenen und Säuglingen. Bei Babys zwischen 0 und 12 Monaten hat sich die Verordnungsrate von 2010 bis 2018 fast halbiert. Brachten Ärzte im Jahr 2010 noch 630 Rezepte in Umlauf, lag die Anzahl der Verordnungen 2018 nur noch bei lediglich 320 pro 1000 Versicherte. Das entspricht einem Rückgang von minus 49%.

Wandel als Folge des Antibiotic Stewardship

„Der starke Rückgang des Antibiotikagebrauchs im gesamten Alterssegment der 0- bis 14-Jährigen markiert einen tiefgreifenden Wandel in der pädiatrischen Versorgung“, resümiert Dr. Jörg Bätzing-Feigenbaum, Leiter des Fachbereichs regionalisierte Versorgungsanalysen und Versorgungsatlas des Zi. Bätzing-Feigenbaum sieht den signifikanten Rückgang der Verordnungsraten als Ergebnis der zahlreichen bundesweiten Initiativen zur Stärkung eines angemessenen Antibiotikaeinsatzes. Diese sind in Deutschland unter der englischsprachigen Bezeichnung Antibiotic Stewardship (ABS) bekannt. ABS steht für den rationalen und verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika. Neben dem Nachweis einer (bakteriellen) Infektion vor einer Antibiotika-Gabe sind die folgenden Punkte relevant:

  • Wahl eines geeigneten Antibiotikums
  • Festlegung der Therapiedauer
  • Dosierung des Wirkstoffs
  • Applikationsform der Antibiotika-Gabe

Unter Beachtung dieser Aspekte erfahren die Patienten die bestmögliche antimikrobielle Behandlung. Gleichzeitig werden Selektionsprozesse und das Resistenzrisiko bei Bakterien minimiert.

Trend nach Wirkstoffen

Der Rückgang der Verordnungsraten war nahezu bei allen eingesetzten Arzneimittelklassen zu verzeichnen. Insgesamt wurden 8 von 10 der untersuchten Wirkstoffgruppen statistisch signifikant seltener verschrieben. Laut Versorgungsatlas gab es die deutlichste Verringerung bei den Tetracyclinen (-44%), Fluorchinolonen (-41%) und Sulfonamiden/Trimethoprim (-37%). Die Rezeptierung von Cephalosporinen ging zwischen 2010 bis 2018 um 17% zurück. Der geringste Unterschied bei den Wirkstoffgruppen mit signifikanter Abnahme war bei den Basispenicillinen festzustellen (-13%).

Regional wenig Unterschiede, jedoch kaum Veränderungen bei Allgemeinmedizinern

Der rückläufige Verbrauchstrend ist deutschlandweit in nahezu allen KV-Bereichen zu beobachten. Die meisten Antibiotika wurden mit 572 Verordnungen pro 1000 Versicherte im Saarland abgegeben. In dieser Region lag die Verordnungsrate im Jahr 2018 etwa 1,8% höher als in Sachsen, dem Bundesland mit dem niedrigsten Antibiotika-Gebrauch. Dort wurden nur 317 Antibiotika-Verschreibungen erfasst. Ausgeprägte Unterschiede in den Verordnungsraten zeigen, welche Bedeutung regional zugeschnittene Programme zur Förderung eines rationalen Antibiotikaeinsatzes haben, so das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung.

Fachgruppen-differenziert gab es bei den Allgemeinmedizinern und Hausärzten die geringsten Veränderungen. In dieser Fraktion lag die Antibiotika-Verordnungshäufigkeit zwischen den Jahren 2010 und 2018 bei rund 65%.

Einschränkungen der Studie

Nach Angaben des Zi-Versorgungsatlas beschränken sich die Ergebnisse der Studie lediglich auf systemische Antibiotika und Verordnungen bei GKV-Versicherten. Rückschlüsse auf topische Antibiotika oder den Antibiotikagebrauch bei PKV-Versicherten (etwa 13 bis 15% der Bundesbevölkerung) sind nicht möglich. Darüber hinaus liefert die Studie keine Informationen zu ausgestellten Antibiotikaverordnungen in ambulanten Zahnarztpraxen. Ferner ist nicht bekannt, ob ein verschriebenes Antibiotikum auch tatsächlich eingenommen wurde.

Autor:
Stand:
02.09.2019
Quelle:
  1. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung. Pressemitteilung: Zi-Studie zur Verordnungshäufigkeit systemischer Antibiotika. 21. August 2018.
  2. Holstiege, J. et al.: Update: Die ambulante Anwendung systemischer Antibiotika in Deutschland im Zeitraum 2010 bis 2018 – Eine populationsbasierte Studie. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 19/07. Berlin 2019. DOI: 10.20364/VA-19.07.
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