Fluorchinolone

Fluorchinolone gehören zur Gruppe der Antibiotika. Sie wurden früher auch Gyrasehemmer genannt und werden bei verschiedenen Infektionen, wie Harnwegsinfekte, Atemwegsinfekten und Pneumonien eingesetzt.

Fluorchinolone

Anwendung

Fluorchinolon-Antibiotika können anhand ihrer Wirkstärke und ihrem Wirkungsspektrum in folgende vier Gruppen unterteilt werden:

Gruppe

Wirkungspektrum/Indikation

Erreger

Substanz

1

(Harnwegsfluorchinolone)

Orale Fluorchinolone mit im Wesentlichen auf Harnwegsinfektionen eingeschränkter Indikation

Enterobacteriaceae

Norfloxacin

2

Oral und parenteral anwendbare Fluorchinolone mit breiter Indikation

Indikationen: (Harnwegs- und Atemwegsinfekte, aber keine Pneumokokken-Infektionen!), Haut-, Weichteil- und Knocheninfektionen, Infektionen des Bauchraumes, der Genitalorgane, Sepsis

Enterobacteriaceae, H. influenza
P. aeruginosa (nur Ciprofloxacin)

Enoxacin

Ofloxacin

Ciprofloxacin

3

Fluorchinolone mit verbesserter Aktivität gegen grampositive Erreger und atypische Erreger

Indikationen: Ambulant erworbene Pneumonien, komplizierte Harnwegsinfektionen, Haut-und Weichgewebeinfektionen

Grampositive Erreger und atypische Erreger, wie E. coli, Klebsiella (K.) pneumoniae, Enterobacter spp., Serratia marcescens, Proteus mirabilis

Levofloxacin

4

(Atemwegsfluorchinolone)

Fluorchinolone mit  nochmals verbesserter Aktivität gegen grampositive Erreger und atypische Erreger

Indikationen: Ambulant erworbene Pneumonien, komplizierte Harnwegsinfektionen, Haut-und Weichgewebeinfektionen

Grampositive Erreger und atypische Erreger, wie E. coli, Klebsiella (K.) pneumoniae, Enterobacter spp., Serratia marcescens, Proteus mirabilis und Anaerobier

Moxifloxacin

Indikationen von Fluorchinolonen

Fluorchinolone sind hochwirksame Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum. Sie wirken u.a. gegen gramnegative und grampositive Bakterien. Fluorchinolone spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen.

Die in Deutschland zugelassen Anwendungsgebiete umfassen

  • Behandlung intraabdomineller Infektionen
  • Infektionen der Knochen und Gelenke
  • Akute Exazerbation der chronischen Bronchitis
  • Ambulant erworbene Pneumonie (CAP)
  • Akute Exazerbation der chronischen Sinusitis
  • Akute bakterielle Sinusitis
  • Komplizierte und unkomplizierte Harnwegsinfektionen

Daneben werden einige wenige Vertreter der Fluorchinolone auch noch anderweitig eingesetzt:

Nadifloxacin ist ein Fluorchinolon zur topischen Behandlung von Acne vulgaris.

Einige Fluorchinolone, wie Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Ofloxacin und Levofloxacin werden auch zur Lokalbehandlung von Augenentzündungen eingesetzt.

Indikationseinschränkungen

  • Vorsicht bei Herzrhythmusstörungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Neugeborenen
  • Anwendungsbeschränkungen bei Kindern und Jugendlichen < 18 Jahre
  • Vorsicht im Straßenverkehr wegen Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens

Folgende Indikationseinschränkungen sind das Ergebnis des beendeten Risikoverfahrens zu Fluorchinolonen und Chinolonen:

Verschreiben Sie Fluorchinolone nicht:

  • zur Behandlung von nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen (wie Pharyngitis, Tonsillitis und akuter Bronchitis)
  • zur Prävention von Reisediarrhoe oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege
  • für nicht-bakterielle Infektionen, z.B. nicht-bakterielle (chronische) Prostatitis
  • bei leichten bis mittelschweren Infektionen (einschließlich unkomplizierter Zystitis, akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), akuter bakterieller Rhinosinusitis und akuter Otitis media), es sei denn, andere Antibiotika, die üblicherweise für diese Infektionen empfohlen werden, werden als ungeeignet erachtet
  • Patienten, die zuvor schwerwiegende Nebenwirkungen mit einem Chinolon-oder Fluorchinolon-Antibiotikum hatten

Besondere Vorsicht ist geboten bei der Verschreibung für ältere Menschen, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Patienten mit Organtransplantaten und solchen, die gleichzeitig mit Kortikosteroiden behandelt werden, da bei diesen Patienten das Risiko einer Fluorchinolon-induzierten Tendinitis und Sehnenruptur erhöht sein kann. Die gleichzeitige Anwendung von Kortikosteroiden mit Fluorchinolonen sollte vermieden werden.

Empfehlen Sie Ihren Patienten, die Behandlung zu beenden bei den ersten Anzeichen einer schwerwiegenden Nebenwirkung wie Tendinitis und Sehnenruptur, Muskelschmerzen, Muskelschwäche, Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen, peripherer Neuropathie und vom zentralen Nervensystem ausgehenden Beeinträchtigungen und sich zur weiteren Beratung an Ihren Arzt zu wenden.

Wirkmechanismus

Fluorchinolone sind Hemmstoffe der Untereinheit A der DNA-Gyrase. Sie werden auch als Gyrasehemmer bezeichnet. Hauptangriffspunkte sind die bakteriellen Topoisomerasen. Je nach Wirkstoff wird primär die Topoisomerase Typ II oder IV gehemmt. Beide Enzyme werden für die bakterielle Replikation, Transkription, Rekombination und Reparatur der DNA benötigt.

Antibiotika Targets

Pharmakokinetik

  • Fluorchinolone werden enteral gut resorbiert (bis > 90%, Ciprofloxacin 70%)
  • Ihre Halbwertszeit (HWZ) liegt bei drei bis sechs Stunden
  • Fluorchinolone werden vorwiegend renal ausgeschieden

Dosierung

Die mittleren Tagesdosen der einzelnen Fluorchinolone sind:

Wirkstoff

Halbwertszeit (HWZ) in Stunden

Mittlere Tagesdosis

Norfloxacin

3-4 h

0,8g oral

Ciprofloxacin

3-5 h

0,5-1,5 g oral, 0,8-1,2 g i.v.

Ofloxacin

6-7 h

0,2-0,4 g oral, 0,1-0,4 g i.v.

Levofloxacin

6-8 h

0,25 – 1 g oral, i.v.

Moxifloxacin

12 h

0,4 g oral, i.v.

Bei stärkeren Nierenfunktionsstörungen sollte bei Fluorchinolonen (außer Moxifloxacin) das Dosierungsintervall verlängert  bzw. die Dosis reduziert werden.

Nebenwirkungen

Typische Nebenwirkungen von Fluorchinolonen sind:

  • Sehnenrupturen
  • neuropsychiatrische Nebenwirkungen und Neuropathien
  • Sehstörungen
  • Photosensitivität
  • QT-Intervallverlängerung
  • Vaskulitiden
  • Dysglykämien
  • schwere Überempfindlichkeitsreaktionen

Einige dieser Nebenwirkungen gelten als Klasseneffekte. Allerdings gibt es Unterschiede in den individuellen Risikoprofilen der Fluorchinolone  für diese Nebenwirkungen.

Wechselwirkungen

  • Mineralische Antacida und andere Arzneimittel, die zwei oder dreiwertige Metallionen (z.B. Magnesium, Aluminium und Eisen) enthalten, sogenannte Chelatkomplexbildner, reduzieren die Bioverfügbarkeit von Fluorchinolonen teilweise um bis zu 90%
  • Wirkungsverstärkung von oralen Antikoagulanzien
  • Hemmung des Abbaus von Methylxanthinen, wie Theophyllin
  • Die gleichzeitige Gabe von NSAR erhöht das Risiko zentralnervös bedingter  Nebenwirkungen(psychische Störungen, Krämpfe etc.)
  • Die gleichzeitige Gabe von Glukokortikoiden erhöht das Tendopathierisiko

Kontraindikationen

  • Allergie gegen Chinolone
  • schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
  • zerebrale Schäden (Störungen der Blut-Liquor-Schranke)
  • Anfallsleiden

Hinweise

Resistenzen

Der häufigste Resistenzmechanismus gegen Fluorchinolone besteht in der Veränderung der Zielstrukturen durch chromosomale Mutation. Durch die Mutation des Gens, das die Struktur der Untereinheit A kodiert, entstehen Topoisomerasen mit geringerer Empfindlichkeit.

Die Tendenz zur Resistenzentwicklung ist bei den Fluorchinolonen geringer als es bei den früher genutzten Chinolonen war, allerdings ist die Tendenz bei Fluorchinolonen der ersten Generation immer noch vorhanden. Besonders bei E. coli ist eine Zunahme von Resistenzen zu verzeichnen, obwohl Fluorchinolon-resistente Stämme häufig multiresistent sind. Innerhalb der Fluorchinolone bestehen Parallelresistenzen.

RHB

Aufgrund des Risikos für das Auftreten von die Lebensqualität beeinträchtigenden, langanhaltenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen in Zusammenhang mit systemisch und inhalativ angewendeten Fluorchinolonen wird die Anwendung dieser Arzneimittelgruppe beschränkt und es werden neue Anwendungsempfehlungen gegeben, die im Rote-Hand-Brief zu Fluorchinolonen und Chinolonen vom April 2019 enthalten sind.

Wirkstoffe

Folgende Fluorchinolone werden derzeit in Deutschland als Arzneistoffe verwendet:

Autor:
Stand:
16.01.2023
Quelle:
  1. Mutschler, Geisslinger, Kroemer, Menzel, Ruth "Mutschler Arzneimittelwirkungen", 10 Auflage 2013
  2. Wirkstoff aktuell "Rationale Antibiotikatherapie bei Infektionen der unteren Atemwege", Ausgabe 01/17, AkdÄ, abgerufen am 04.06.2019
  3. Wirkstoff aktuell "Rationale Antibiotikatherapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen",  Ausgabe 03/17, AkdÄ, abgerufen am 04.06.2019
  4. "Ausgabe 1/2018 des Bulletins zur Arzneimittelsicherheit", PEI, abgerufen am 04.06.2019
  5. Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010

Abbildung

Dr. Isabelle Viktoria Maucher, Created with Biorender; Quelle: Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010

 

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