
Typisch für cholestatische Lebererkrankungen ist die Ansammlung von Gallenbestandteilen infolge einer gestörten Gallenbildung und/oder des Gallenflusses, wobei Leberschäden, Entzündungen und Fibrose hauptsächlich durch die Retention von Gallensäure ausgelöst werden. Zu den Symptomen können Juckreiz, Müdigkeit und Ikterus gehören, mit einer Progression zu einer Lebererkrankung im Endstadium, die in vielen Fällen eine Lebertransplantation erfordert. Es können auch asymptomatische Fälle auftreten, die oft durch erhöhte Werte bestimmter Leberenzyme bei routinemäßigen Laboruntersuchungen oder Tests auf eine andere Erkrankung identifiziert werden.
Es werden drei Typen der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase (PFIC) unterschieden:
- Typ 1 (auch als Morbus Byler bekannt)
- Typ 2 (klinisch und laborchemisch nicht vom Typ 1 zu unterscheiden). Wurde zuerst bei arabischen Familien beschrieben. Charakteristisch sind bei beiden Typen neben der familiären Häufung hohe Konzentrationen von Gallensäuren im Blut bei niedriger bis normaler Aktivität von dem Enzym Gammaglutamyltranspeptidase (γGT).
- Typ 3 weist ebenfalls hohe Konzentrationen von Gallensäuren im Blut auf, jedoch im Gegensatz zu den Typen 1 und 2 auch eine erhöhte γGT.
Allen drei Typen liegen Gendefekte unterschiedlicher Membrantransportproteine der Leberzellen zugrunde, die zu einer gestörten Galleproduktion und Gallensäureexkretion mit der Folge einer Gallestauung (Cholestase-Syndrom) führen.
Was ist Bylvay und wofür wird es angewendet?
Bylvay mit dem Wirkstoff Odevixibat des biopharmazeutischen Unternehmens Albireo Pharma ist ein potenter, nicht-systemischer ilealer Gallensäuretransport-Inhibitor (ileal bile acid transport inhibitor, IBATi), der für die Behandlung der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase (PFIC) bei Patienten ab einem Alter von 6 Monaten indiziert ist.
In den USA erhielt das Medikament eine Zulassung für die Therapie von Pruritus bei allen Formen von PFIC.
Der Wirkstoff hat sowohl in den USA als auch in der EU Orphan-Drug-Status.
Wie wird Bylvay angewendet?
Bylvay ist in Form von Hartkapseln in den Stärken 200 μg, 400 μg ,600 μg und 1200 μg für die orale Anwendung vorgesehen. Das Arzneimittel sollte morgens mit oder ohne Nahrung eingenommen werden.
Die Kapseln mit 200 μg und 600 μg sind größer als die Kapseln der anderen Stärken, da sie dazu bestimmt sind geöffnet und auf Lebensmittel gestreut zu werden.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt 40 µg/kg einmal täglich, oral morgens, mit oder ohne Nahrung. Die Dosis kann auf 120 µg/kg/Tag erhöht werden, wenn nach 3 Monaten kontinuierlicher Therapie mit Odevixibat kein ausreichendes klinisches Ansprechen erreicht wurde. Die maximale Tagesdosis von Odevixibat beträgt 7,2 mg pro Tag.
Wie wirkt Bylvay?
Odevixibat ist ein reversibler, starker, selektiver Inhibitor des ilealen Gallensäuretransporters (IBAT), der lokal im Dünndarm zur Wirkung kommt. IBAT ist normalerweise für die Rückresorption von ca. 95% der Gallensäuren verantwortlich. Durch die Bindung von Odevixibat an diesen Transporter wird die Rückresorption der Gallensäuren ins Blut und in die Leber gestoppt.
Gegenanzeigen
Bylvay darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen
Die häufigste Nebenwirkung unter der Anwendung von Bylvay ist Diarrhö, die in 7% der Fälle auftritt. Darüber hinaus kann es zu Abdominalschmerz‚ hämorrhagischer Diarrhö, weichem Stuhl oder Hepatomegalie kommen.
Wechselwirkungen
Odevixibat ist ein P-Glykoprotein-Substrat; seine Exposition kann daher bei gleichzeitiger Anwendung mit dem starken P-Glykoprotein-Inhibitor Itraconazol zunehmen. Diese Wechselwirkung wurde allerdings als nicht klinisch relevant eingestuft.
Obwohl Odevixibat ein CYP3A4/5-Inhibitor ist, verändert der Wirkstoff die Exposition gegenüber dem CYP3A4-Substrat Midazolam oder seinem 1-Hydroxy-Metaboliten in keinem klinisch relevanten Ausmaß.
In klinischen Studien wurden bei einigen Patienten unter Odevixibat reduzierte Spiegel fettlöslicher Vitamine beobachtet, weshalb die Spiegel fettlöslicher Vitamine unter der Therapie überwacht werden sollten. In ähnlicher Weise kann Odevixibat die Aufnahme von lipophilen oralen Kontrazeptiva oder anderen fettlöslichen Medikamenten beeinträchtigen.
Odevixibat kann durch Gallensäurebinder im Darm gebunden werden; daher wird eine zeitlich versetzte Einnahme zu diesen Verbindungen empfohlen.
Studienlage
Die Zulassung von Bylvay beruht auf zwei Phase-III-Studien, in denen die Wirksamkeit von Odevixibat bei Patienten mit PFIC bewertet wurde.
PEDFIC 1
Bei PEDFIC 1(NCT03566238) handelt es sich um eine 24-wöchige, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, an der Patienten zwischen 0,5 und 18 Jahren mit bestätigter PFIC-Typ-1- oder PFIC-Typ-2-Diagnose teilnahmen. Die Patienten wurden 1:1:1 zu Placebo (n=20), 40 μg/kg/Tag Odevixibat (n=23) oder 120 μg/kg/Tag (n=19) Odevixibat randomisiert und nach PFIC-Typ (1 oder 2) und Alter (6 Monate bis 5 Jahre, 6 bis 12 Jahre und 13 bis ≤18 Jahre) stratifiziert.
- Primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten, bei denen der Gallensäurespiegel im Serum (nüchtern) um mindestens 70% gesenkt wurde oder die in Woche 24 einen Wert von ≤70 μmol/l erreichten.
- Der sekundäre Endpunkt war der Anteil der positiven Pruritus-Bewertungen auf Patientenebene über den 24-wöchigen Behandlungszeitraum basierend auf einem von einem Beobachter festgestellten Ergebnis („observer-reported outcome“, ObsRO).
Ergebnisse
Der Anteil der Patienten mit reduzierten Gallensäurespiegeln im Serum am Ende der Behandlung betrug für Placebo 0% (95%-KI: 0,00, 16,84), für 40 μg/kg/Tag Odevixibat 43,5% (95%-KI: 23,19, 65,51) und für 120 μg/kg/Tag Odevixibat 21,1% (95%-KI: 6,05, 45,57). Darüber hinaus verbesserten sich unter Odevixibat auch die Leberfunktionswerte.
PEDFIC 2
PEDFIC 2 (NCT03659916) ist eine offene Langzeit-Phase-III-Studie, die den längerfristigen klinischen Nutzen von Odevixibat untersucht. Die Patienten in dieser Studie haben entweder PFIC Typ 1 oder 2, wurden in der PEDFIC-1-Studie mit Odevixibat (40 oder 120 µg/kg/Tag) (n=34) oder Placebo (n=19) behandelt oder waren neue Patienten (n=16).
Die zuvor behandelten Patienten wurden als P1O-Kohorte definiert, während die beiden letztgenannten Patientengruppen zu einer einzigen „therapienaiven“ (TN) Kohorte zusammengefasst wurden.
Alle Patienten erhielten 120 µg/kg/Tag Odevixibat.
Ergebnisse
In einer Zwischenanalyse konnte gezeigt werden, dass Odevixibat bei den 79 Patienten (PFIC1 [22%], PFIC2 [51%], PFIC3 [5%] oder PFIC6 [1%]), die bis zu 48 Wochen lang mit 120 μg/kg/Tag behandelt wurden, eine anhaltende Wirkung auf die Senkung der Gallensäurespiegel im Serum sowie eine Verbesserung des Pruritus-Scores, der ALT- und AST-Werte und des Gesamtbilirubins verursachte.
Darüber hinaus deuten Verbesserungen der z-Scores für Körpergröße und Körpergewicht darauf hin, dass die Wachstumsgeschwindigkeit gesteigert ist und dass aktiv wachsende Kinder potenziell Wachstumsrückstand aufholen können.
Weitere Studien
Zusätzlich zur Langzeit-Phase-III-Studie PEDFIC-2 werden derzeit zwei Phase-III-Studien durchgeführt zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Odevixibat bei Kindern und Erwachsenen mit Alagille-Syndrom (NCT04674761; ASSERT) und Kinder mit Gallengangsatresie, die sich einer Kasai-Hepatoportoenterostomie unterzogen haben (NCT04336722; BOLD).