P-Glykoprotein

P-Glykoprotein (P-gp) ist ein Effluxtransportprotein aus der Familie der ABC-Transporter. Seine Überexpression in Tumorzellen ist wichtige Ursache für ein vermindertes Ansprechen auf Zytostatika, die sogenannte Multidrug Resistance (MDR). P-gp ist außerdem für viele Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln verantwortlich.

P-GP

Funktion

P-Glykoprotein (P-gp) ist ein transmembranäres Effluxtransportprotein aus der Familie der sogenannten ABC-Transporter (ATP-binding-cassette-Transporter, ABCB1). Effluxtransporter wie P-gp spielen in vielen Organen eine wichtige Rolle beim Wirkstofftransport. P-gp pumpt Arzneimittel aktiv unter Energieverbrauch gegen ein Konzentrationsgefälle zurück ins Lumen, wodurch die Absorption der Xenobiotika verringert wird. Die Expression von P-gp kann direkte Auswirkungen auf die Resorption, Verteilung und Elimination von Arzneimitteln haben.  

Pharmakologie

Das Vorkommen von P-gp wurde erstmals für Tumorzellen beschrieben. Tumorzellen weisen eine P-gp-Überexpression auf, was den Zugang für zytotoxische Arzneimittel verringert. Da Tumore über diesen Mechanismus  gegen verschiedene Krebsmedikamente resistent werden können, wird P-gp auch als Multidrug-Resistenz-Protein 1 (MDR-1) bezeichnet. P-gp wird zudem in verschiedenen nicht-tumorösen Geweben mit Ausscheidungsfunktionen (Dünndarm, Leber und Niere) und an Blut-Gewebe-Schranken (Blut-Hirn-Schranke, Blut-Hoden-Schranke und Plazenta) exprimiert.

Neben der Cytochrom P450 (CYP)-Familie wird auch die Expression von P-gp als wichtige evolutionäre Anpassung gegen potenziell toxische Substanzen angesehen. Als Effluxtransporter schränkt P-gp die Bioverfügbarkeit oral verabreichter Arzneimittel ein. Dies fördert die Arzneimittelelimination über Galle und Urin und schützt eine Reihe von Geweben wie Gehirn, Hoden, Plazenta und Lymphozyten vor potenziell toxischen Verbindungen. Substrate von P-gp sind  eine Vielzahl strukturell unterschiedlichster Verbindungen.

Arzneimittelaufnahme

Die Epithelzellen des Dünndarms stellen eine wichtige Barriere für Xenobiotika dar. P-gp befindet sich in der apikalen (luminalen) Membran des gesamten Darms, vom Zwölffingerdarm bis zum Enddarm, wobei eine sehr hohe Expression in den Enterozyten des Dünndarms vorliegt. Die Hemmung von P-gp kann zu einer erhöhten Bioverfügbarkeit der betroffenen Arzneimittel führen; Eine Induktion verringert die Bioverfügbarkeit.

Arzneimittelverteilung

Sobald ein Medikament den systemischen Kreislauf erreicht, begrenzt P-gp die Penetration des jeweiligen Wirkstoffes in eine Reihe von empfindlichen Geweben (bspw. über die Blut-Hirn-Schranke).

Polymorphismus

P-gp wird vom Gen ABCB-1/MDR-1 kodiert, von dem über 50 Polymorphismen existieren. Diese können dazu führen, dass die codierten Transportproteine über unterschiedliche Aktivitäten verfügen, wodurch auch die Wirksamkeit sowie Verträglichkeit einiger Wirkstoffe beeinflusst wird. In den letzten Jahren wurden allein über 20 single nucleotide polymorphisms (SNPs) im humanen MDR-1-Gen identifiziert.

C3435T-Polymorphismus

Der sogenannte C3435T-Polymorphismus (im Exon 26 des ABCB1-Gens) führt zu einer verringerten Expression von P-gp im Darm, wodurch bei Patienten, die das mutierte Allel homozygot besitzen,  P-gp-Substrate langsamer ausgeschieden werden. Der homozygot mutierte Genotyp kommt bei etwa 29 Prozent der europäischen Bevölkerung vor, wohingegen nur 1 bis 6 der afrikanischen Populationen davon betroffen sind. Dies könnte eine Erklärung für die bei Afrikanern im Vergleichzu Kaukasiern signifikant höhere orale Clearance des P-gp-Substrates Ciclosporin sein.
Der 3435TT-Genotyp ist auch mit höheren Plasmakonzentrationen von Digoxin, Phenytoin und Tacrolimus assoziiert. Der Polymorphismus scheint interessanterweise die Elimination der P-gp-Substrate Talinolol, Fexofenadin und Nelfinavir nicht in gleicher Weise zu beeinflussen wie die Plasmakonzentration von Digoxin, Phenytoin und Tacrolimus. Die Ursachen hierfür sind bislang unklar. Vermutlich spielen hier noch weitere Aufnahmetransporter wie OATPs eine Rolle.

Wechselwirkungen

P-gp ist ein wichtiger Mediator für Arzneimittel-Arzneimittel-Wechselwirkungen. Die Hemmung bzw. Induktion von P-gp ist ein wichtiger Mechanismus von Arzneimittelinteraktionen. Die Pharmakokinetik eines Arzneimittels kann sich bei gleichzeitiger Anwendung mit Verbindungen ändern, die P-gp hemmen oder induzieren. P-gp hat ein sehr breites Substratspektrum. Das Spektrum an Substraten, Inhibitoren und Induktoren entspricht weitgehend dem von CYP3A4. Substrate sind meist lipophile oder amphiphile Verbindungen mit einer Masse von 200 bis etwa 2000 Da. Eine genaue Vorhersage möglicher Arzneimittel-Arzneimittel-Wechselwirkungen durch P-gp wird durch ausgeprägte interindividuelle Unterschiede erschwert. Arzneimittel, die P-gp induzieren können die Bioverfügbarkeit einiger anderer Arzneimittel verringern. Inhibitoren von P-gp erhöhen die Bioverfügbarkeit von anfälligen Arzneimitteln. Wird gleichzeitig ein P-gp-Substrat und ein P-gp-Inhibitor angewendet, so ist mit einer erhöhten Bioverfügbarkeit des P-gp-Substrats zu rechnen.Viele aber nicht alle Arzneimittel, die durch P-gp transportiert werden, werden auch durch CYP3A4 metabolisiert. P-gp-Substrate können sich auch kompetitiv antagonisieren. Wichtig ist dies vor allem bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite, bei denen bereits geringe Erhöhungen der Plasmakonzentration toxische Effekte hervorrufen.

Inhibitoren von P-gp

Die Expression von P-gp kann in Anwesenheit von Inhibitoren abnehmen Beispiele für P-gp-Inhibitoren sind:

Antiarrhythmika

Antibiotika

Antimykotika

Antitumorale Wirkstoffe

Calcium-Kanal-Blocker

HIV-Proteaseinhibitoren

Immunsuppressiva

Malaria-Medikamente

Nahrungsmittel

  • Grapefruitsaft

Statine

Induktoren von P-gp

Die Expression von P-gp kann in Anwesenheit von Induktoren zunehmen. Beispiele für P-gp-Induktoren sind:

Antidepressiva  

Antikonvulsiva

Chemotherapeutika

Enzalutamid, Vinblastin, Doxorubicin

HIV-Therapeutika

Glukokortikoide

Tuberkulostatika

Substrate von P-gp

Folgende Verbindungen sind Substrate von P-gp:

Antibiotika

Antidepressiva

Antiemetika

Antihistaminika

Antikoagulanzien

Antikonvulsiva

Antipsychotika

Betablocker

Calciumkanalblocker

Chemotherapeutika

Herzglykoside

Immunsuppressiva

Opioide

Proteaseinhibitoren

Statine

Steroidhormone

Gerinnungshemmende Arzneimittel

P-gp hat großen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit gerinnungshemmender Medikamente. Da bei Vitamin-K-Antagonisten der INR-Wert engmaschig überwacht und die Dosis angepasst werden kann, ist  eine gleichzeitige Anwendung mit starken P-gp-Inhibitoren grundsätzlich möglich. Die Kombination mit den direkten Gerinnungshemmern Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban ist wegen der fehlenden Möglichkeit einer Gerinnungsüberwachung kontraindiziert. Ticagrelor ist ein Substrat und schwacher Inhibitor von Pgp und CYP3A4. CYP3A4- und Pgp-Induktoren können theoretisch die Wirksamkeit der Thrombozytenaggregation verringern. Die tatsächliche klinische Auswirkung ist nicht bekannt. Clopidogrel ist ein Substrat von P-gp. Vorsicht ist geboten im Falle einer Komedikation mit einem Pgp-Inhibitor (Blutungsrisiko) oder P-gp-Induktor (Thromboserisiko).    

Zytostatika

Eine Vielzahl von Zytostatika (Daunorubicin, Doxorubicin, Etoposid, Paclitaxel, Vinblastin, Vincristin, Erlotinib, Trabectedin sind Substrate von Pgp. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Induktoren von P-gp kann die Wirksamkeit der P-gp-Substrate reduziert sein. Die gleichzeitige Anwendung von P-gp-Inhibitoren verstärkt die Wirkung der Substrate und setzt den Patienten einem hohen Risiko unerwünschter Wirkungen aus. P-gp wird auf der Oberfläche von Krebszellen überexprimiert und verhindert das Eindringen von Medikamenten in den Tumor. Es extrudiert Krebsmedikamente, bevor sie das beabsichtigte Ziel erreichen können. Darüber hinaus vermittelt P-gp häufig eine Resistenzentwicklung gegen Krebsmedikamente. Die verabreichten Arzneimittel bleiben so unwirksam. Es wurden verschiedene Ansätze zur Überwindung der P-gp-vermittelten Arzneimittelresistenz verfolgt wie bspw.:

  • Die gleichzeitige Verabreichung von Zytostatika und Hemmstoffen wie Verapamil oder Ciclosporin kann die P-gp-vermittelte Extrusion hemmen und dem Arzneimittel das Erreichen des Zielbereichs erleichtern
  • Monoklonale Anti-P-gp-Antikörper
  • Vincristin-beladene Lipidnanopartikel, die an einen monoklonalen Anti-P-gp-Antikörper (MRK-16) konjugiert sind
  • SP1049C ist ein nichtionisches Blockcopolymer aus einem hydrophoben Kern und einem hydrophilen Schwanz, das Doxorubicin enthält und die P-gp-vermittelte Arzneimittelresistenz in einem Mausmodell für Leukämie umgehen konnte

Loperamid

P-gp verhindert über die Blut-Hirn-Schranke, dass Loperamid ins ZNS gelangt. Im Drogenmilieu ist die Verwendung von starken P-gp-Inhibitoren zusammen mit Loperamid bekannt, da eine solche Kombination dazu führt, dass Loperamid ins ZNS zu gelangt und seine opioide Wirkung entfaltet.

Quelle:
  1. NCBI: Drug Target Insights: P-glycoprotein Inhibition for Optimal Drug Delivery
  2. NPS Medicinewise: P-glycoprotein and its role in drug-drug interactions
  3. Caduceus Express: P-Glykoprotein, eine Effluxpumpe : Achtung Arzneimittelinteraktionen
  4. Pharmacol Rep: C3435T polymorphism of the ABCB1 gene: impact on genetic susceptibility to peptic ulcers
  5. Biospektrum: Funktionelle Konsequenzen genetischer Polymorphismen im MDR1P-Glykoprotein-Arzneimitteltransporter
  6. Schaeffeler, E., Eichelbaum, M., Brinkmann,U., Penger, A., Asante-Poku, S., Zanger, U.M. &Schwab, M. (2001):Frequency of C3435T polymorphism of MDR1gene in African people. Lancet 358:383–384
     
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