
Hintergrund
Vom derzeit weltweit vorherrschenden multinationalen Affenpocken-Ausbruch sind überproportional häufig schwule, bisexuelle und andere Männer betroffen, die Sex mit Männern haben (MSM) – darunter auch Personen mit einer HIV-Infektion. In diesem Zusammenhang hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC einen vorläufigen Leitfaden zur Vorbeugung und Behandlung von Affenpocken bei HIV-Infizierten erarbeitet. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Behandlung mit Tecovirimat, die Prä- und Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit dem Impfstoff Jynneos und die Infektionskontrolle. Gemäß der Behörde könnten Affenpocken bei Personen mit fortgeschrittener HIV-Infektion schwerer als allgemein üblich verlaufen. Für diese Menschen sollten eine PEP und antivirale Behandlungen zur Verfügung stehen.
Therapieempfehlungen
Es gibt keine von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Therapieformen für Affenpocken. Medikamente, die für die Behandlung von Orthopox- und Zytomegalieviren zugelassen sind, könnten jedoch auch gegen das Affenpockenvirus wirksam sein – beispielsweise Tecovirimat.
Behandlung mit Tecovirimat
Die Behandlung von Affenpocken-Infektionen mit Tecovirimat als Erstlinientherapie wird von der CDC im Rahmen eines Prüfpräparate-Protokolls als „compassionate use“ angeboten. Hierüber ist der Einsatz von nicht bzw. noch nicht zugelassenen Arzneimitteln an Patienten in besonders schweren Krankheitsfällen möglich. Laut Behörde wurden keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln festgestellt, die eine gleichzeitige Gabe von Tecovirimat mit einer antiretroviralen Therapie (ART) zur Behandlung einer HIV-Infektion ausschließen würden. Klinische Studien am Menschen deuten darauf hin, dass der Wirkstoff sicher und gut verträglich ist.
STAKOB: Tecovirimat nur für Risiko-Patienten
In der Europäischen Union (EU) ist Tecovirimat als bislang einziges Arzneimittel für die Behandlung einer Affenpocken-Infektion zugelassen. Zulassungsschwerpunkt sind allerdings die klassischen Pocken. Aufgrund von Hinweisen auf eine mögliche rasche Resistenzentwicklung rät der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am Robert Koch-Institut (RKI), STAKOB, zu einer strengen Indikationsstellung. So sollte das Präparat primär Personen mit der Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs angeboten werden.
Weiterhin sei zu bedenken, dass Tecovirimat für die Therapie von Affenpocken in Deutschland nur in begrenzter Menge zur Verfügung steht. Bei entsprechender Indikation wird empfohlen, eine Tecovirimat-Gabe mit dem regional zuständigen STAKOB-Behandlungszentrum zu besprechen.
Behandlung mit humanen Vaccinia-Immunglobulinen, Cidofovir oder Brincidofovir
In schweren Fällen könnte laut CDC eine Behandlung mit intravenösen humanen Vaccinia-Immunglobulinen (VIGIV), Cidofovir oder Brincidofovir erwogen werden. Allerdings gibt es keine Studien, die belegen, dass Personen mit einem ausgeprägten Affenpockenverlauf von einer Behandlung mit diesen Arzneimitteln profitieren, so die Behörde.
STAKOB: VIGIV bei Kontraindikation für Tecovirimat
Die STAKOB empfiehlt die Anwendung humaner Vaccinia-Immunglobuline, wenn eine Kontraindikation für Tecovirimat sowie ein fulminanter Verlauf vorliegen.
Prä- und Postexpositionsprophylaxe
Gemäß CDC-Leitfaden kann eine prä- und postexpositionelle Prophylaxe für Menschen mit HIV bei entsprechender Indikation sinnvoll sein. Für die Prävention von Orthopoxvirus-Infektionen sind von der FDA zwei Impfstoffe zugelassen: Jynneos und der ACAM2000-Pockenimpfstoff.
Jynneos
Als Impfstoff gegen Affenpocken empfiehlt die US-Gesundheitsbehörde Jynneos von Bavarian Nordic, dessen Einsatz auch bei immunsupprimierten Menschen möglich ist. Da diese Vakzine replikationsdefiziente Modified-Vaccinia-Ankara-Viren (MVA) enthält, besteht kein Risiko einer disseminierten Infektion, einer Autoinokulation oder einer Übertragung auf andere. Jynneos wird in einem Zwei-Dosis-Schema im Abstand von mindestens 28 Tagen geimpft. Nach Angaben der CDC könnte eine frühzeitige Impfung (≤ 4 Tage nach Exposition) Affenpocken verhindern und eine spätere Gabe (5–14 Tage nach Exposition) den Schweregrad der Erkrankung im Falle einer Infektion verringern. Eine Impfung, die nach dem Auftreten von Anzeichen oder Symptomen von Affenpocken verabreicht wird, dürfte indes keinen Nutzen mehr bringen.
In Deutschland wird Jynneos unter der Bezeichnung Imvanex vertrieben und ebenfalls zum Schutz vor Affenpocken empfohlen.
ACAM2000-Pockenimpfstoff
ACAM2000 ist ein replikationskompetenter Lebendimpfstoff aus Vaccinia-Viren, der als Einzeldosis verabreicht wird. Dieser kann bei Personen mit geschwächtem Immunsystem – wie etwa bei einer HIV-Infektion – zu schweren lokalen oder systemischen Komplikationen führen. Der Einsatz bei HIV-Infizierten ist weder von der CDC noch von den deutschen Gesundheitsbehörden empfohlen.
Risiko und Verlauf bei HIV-Infektion
Derzeit ist nicht bekannt, ob und wie sich eine HIV-Infektion auf das Risiko von Affenpocken auswirkt. MSM mit HIV-Infektion sind unter den Affenpocken-Fällen jedoch überproportional häufig vertreten (28–51% der Patienten mit bekanntem HIV-Status). Sexuelle Verhaltensweisen, die das Risiko für den Erwerb von HIV beeinflussen, erhöhen auch das Risiko für den Erwerb anderer sexuell übertragbarer Infektionen (STI). Dies führt zu einer ähnlichen Überrepräsentation von MSM mit HIV bei den STI-Betroffenen. Das Risiko für Affenpocken durch sexuellen Kontakt ist wahrscheinlich ähnlich hoch.
Andererseits gibt es Hinweise, dass Personen mit einer HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten und stabile CD4-Werte aufweisen, kein erhöhtes Risiko für die meisten Infektionen, einschließlich opportunistischer Infektionen, haben. Dies könnte ebenso für Affenpocken gelten. Anders sieht es bei fortgeschrittener und unkontrollierter HIV-Infektion aus. Hier weisen Daten darauf hin, dass das Risiko für schwere und langwierige Verläufe nach einer Affenpocken-Infektion ansteigt.