
Apotheker in den USA dürfen das COVID-19-Medikament Paxlovid nun rezeptfrei an Patienten abgegeben. Die US-Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) erlaubt Pharmazeuten, das Medikament unter bestimmten Voraussetzungen ohne Verordnung eines Arztes zu verschreiben. Das antivirale Medikament Paxlovid der Firma Pfizer besteht aus zwei Wirkstoffen, Nirmatrelvir und Ritonavir, in zwei verschiedenen Tabletten. Bei frühzeitiger Einnahme nach Symptombeginn kann es einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion verhindern. Die Therapie sollte innerhalb der ersten fünf Tage nach Einsetzen der Symptome begonnen werden, nur dann ist sie wirksam und kann schwere COVID-19-Erkrankungsfälle verhindern. Damit eine schnelle Einnahme gewährleistet werden kann, dürfen Apotheker das Medikament in den USA deshalb auch ohne Rezept abgeben.
Gleichberechtigter Zugang zu lebensrettenden Medikamenten
Die FDA empfiehlt Patienten mit einem positiven COVID-19-Test, zunächst einen Besuch bei ihrem Arzt oder in einem sogenannten „Test-to-Treat“-Zentrum in Betracht zu ziehen, in dem sie am gleichen Ort nach einem positiven Test auch ein Rezept und Medikamente erhalten können. Von der neuen Regelung der Abgabe durch Apotheker sollen vor allem Menschen profitieren, die in ländlichen Regionen oder Gegenden mit unzureichender ärztlicher Versorgungsstruktur leben. Auch lassen sich viele Menschen nicht unmittelbar nach Auftreten von Symptomen testen oder haben nicht die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit einen Arzttermin zu erhalten.
Eine Analyse der CDC (Centers for Disease Control and Prevention, dt.: Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) hatte zuvor ergeben, dass es eine ungleiche Verteilung bei oral eingenommenen COVID-19-Medikamenten gibt. Mit der rezeptfreien Abgabe von Paxlovid in Apotheken soll ein gleichberechtigterer Zugang zu den Medikamenten erreicht werden. Zudem sollen so die Möglichkeiten für sozial schwache und medizinisch unterversorgte Bevölkerungsgruppen verbessert werden, diese lebensrettenden Medikamente zu erhalten.
Patrizia Cavazzoni, Ärztin und Direktorin des Zentrums für Arzneimittelbewertung und -forschung der FDA, begründet die Entscheidung: „Da Paxlovid innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn eingenommen werden muss, kann die Verordnung von Paxlovid durch Apotheker mehr Patienten den Zugang zu rechtzeitiger Behandlung der COVID-19-Infektion ermöglichen.“ Außerdem würdige die FDA damit auch die wichtige Rolle, die Pharmazeuten in der Bekämpfung der Pandemie gespielt haben und immer noch spielen.
Kontrolle von Leber- und Nierenfunktion
Um das Medikament Paxlovid rezeptfrei in der Apotheke zu erhalten, hat die FDA bestimmte Auflagen beschlossen. Die Patienten müssen eine elektronische oder gedruckte Patientenakte vorlegen, die nicht älter als zwölf Monate sein darf. Aus der Akte muss hervorgehen, ob der Patient an Leber- oder Nierenfunktionsstörungen leidet. Die Apotheker können diese Informationen auch von den Krankenkassen erhalten. Des Weiteren muss eine Liste aller aktuell eingenommenen Medikamente vorgezeigt werden, die sowohl rezeptpflichtige als auch rezeptfreie Mittel enthält. Dies soll Pharmazeuten die Möglichkeit geben, potenziell schwerwiegende Wechselwirkungen mit Paxlovid zu erkennen.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dürfen Apotheker das Medikament nicht abgeben und müssen den Patienten an einen Arzt verweisen. Diese Vorkehrungen sind wichtig, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, denn bei der Anwendung von Paxlovid sind die zahlreichen Wechselwirkungen zu beachten. Der Wirkstoff Nirmatrelvir wird über die Nieren eliminiert und bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte eine Dosisreduktion erfolgen. Ritonavir kann zu einer Erhöhung der Leberenzyme führen, weshalb die Einnahme von Paxlovid bei bestehenden Leberfunktionsstörungen nicht empfohlen wird. Außerdem ist zu beachten, dass Ritonavir das Enzym CYP3A in der Leber hemmt und dadurch den Abbau anderer Medikamente verlangsamen kann.
Geteilte Reaktionen von Ärzten und Apothekern
Auf Ärzte- und Apothekerseite rief der Beschluss der FDA geteilte Reaktionen hervor. Während die AMA (American Medical Association) zur Vorsicht mahnt und Patienten mit einem positiven COVID-19-Test rät, sich an ihren Arzt zu wenden, befürworten Apothekerverbände die Entscheidung der FDA. Der Apothekerverband ASHP (American Society of Health-System Pharmacists) hatte sich lange für die Regelung eingesetzt und begrüßte den Beschluss. Auch die APhA (American Pharmacists Association) reagierte erfreut. „Die APhA dankt der FDA für die Anerkennung der Expertise der Pharmazeuten als essenzielle Gesundheitsdienstleister für wichtige COVID-19-Behandlungen“, kommentierte Ilisa Bernstein, Apothekerin und einstweilige Vize-Präsidentin und Geschäftsführerin der APhA.
Die AMA (American Medical Association) hingegen betrachtet die Regelung kritisch. Jack Resneck, Arzt und Präsident der AMA sagte: „Paxlovid ist eine wichtige Behandlung und ein entscheidendes Instrument im Kampf gegen COVID-19. Während die Mehrheit der Erkrankten von Paxlovid profitieren kann, ist es nicht für jeden geeignet und erfordert die Kenntnis der Anamnese des Patienten, genauso wie klinische Überwachung von Nebenwirkungen und Verlaufskontrollen.“ Dies alles könne ein Apotheker nicht leisten. Er argumentierte, dass Entscheidungen über Verschreibungen von Arzneimitteln in die Hände von Ärzten gehörten und rät positiv getesteten Patienten, die Therapieoptionen mit ihrem behandelnden Arzt zu besprechen.
Paxlovid in Deutschland nur auf Rezept
In Deutschland darf Paxlovid in Apotheken nur auf ärztliches Rezept abgegeben werden. Das Virustatikum ist seit März dieses Jahres verfügbar und wird zur Therapie bei symptomatischen, nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf, jedoch mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf der Infektion eingesetzt.