
Hintergrund
Die meisten COVID-19-Fälle (ausgelöst durch SARS-CoV-2) verlaufen mild und die Patienten erholen sich vollständig. Doch einige Infektionen sind lebensbedrohlich und enden tödlich. Chinesische Forscher haben in einer aktuellen Studie Risikofaktoren zusammengetragen, die einen letalen Krankheitsverlauf begünstigen. Laut ihrer Publikation im Fachjournal The Lancet spielen das Alter sowie der SOFA-Index und die D-Dimer-Konzentration eine entscheidende prognostische Rolle.
Methodik
Die retrospektive, multizentrische Kohortenstudie schloss alle erwachsenen stationären Patienten (≥18 Jahre) mit einer laborbestätigten COVID-19 ein, die bis zum 31. Januar 2020 aus dem Jinyintan Hospital und der Lungenklinik in Wuhan (China) entlassen wurden oder gestorben waren. Demographische und klinische Daten sowie Behandlungs- und Laborergebnisse, einschließlich Serienproben zum Nachweis viraler RNA, entnahmen die Forscher aus elektronischen Krankenakten. Um mit dem Tod assoziierte Risikofaktoren zu ermitteln, verglichen sie die Resultate von Überlebenden mit denen Nichtüberlebender.
Ergebnisse
Von den insgesamt 191 Personen – 135 aus dem Jinyintan Hospital und 56 aus der Lungenklinik Wuhan – starben 54 Patienten. 137 Menschen wurden als geheilt entlassen. Bei den Überlebenden war SARS-CoV-2 im Mittel 20 Tage nachweisbar. Das Maximum lag bei 37 Tagen. Die Patienten erholten sich in der Regel nach zwölftägiger Fieberdauer. Die Atemnot blieb im Mittel 13 Tage bestehen. Rund 45% der Überlebenden wurden mit Husten entlassen.
Bei den Nichtüberlebenden konnte das Virus bis zum Tod nachgewiesen werden. Die Patienten verstarben median am 18. Therapietag, nachdem sie im Schnitt über 14,5 Tage mechanisch beatmet wurden. Bei drei Patienten blieb selbst eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erfolglos.
Komorbiditäten
Bei allen letalen Verläufen (100%) bestand eine Sepsis; bei den Überlebenden betrug die Rate lediglich 42%. Zudem erlitten:
- 53 Patienten einen Atemstillstand (Verhältnis 98% vs. 36%)
- 50 Patienten ein ARDS (93% vs. 7%)
- 28 Patienten eine Herzinsuffizienz (52% vs. 12%)
- 38 Patienten einen septischen Schock (70% vs. 0%)
- 27 Patienten eine Koagulopathie (50% vs. 7%)
Ferner wurden eine akute Koronarschädigung (59% vs. 1%), eine akute renale Funktionsstörung (50% vs. 1%) und eine sekundäre Infektion (50% versus 1%) beobachtet.
Risikofaktoren
Höheres Alter, Lymphopenie und Leukozytose wurden als besondere, mit einem lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf assoziierte Risikofaktoren identifiziert. Prognoseverschlechternd wirkten überdies eine verlängerte Prothrombinzeit sowie erhöhte Konzentrationen von:
- Alanin-Aminotransferase
- D-Dimer
- Kreatinkinase
- Hoch sensitives Troponin I
- Laktatdehydrogenase
- Serumferritin
- Interleukin 6
- Kreatinin
- Procalcitonin
Schlussfolgerung
Nach einer multivariaten Regressionsanalyse erfassten die Wissenschaftler drei Marker, die mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden sind, und zwar:
- Lebensalter
- SOFA-Score
- D-Dimer-Konzentration
Risikofaktor Lebensalter
Senioren haben ein besonders hohes Risiko, eine COVID-19 nicht zu überleben. Je älter man ist, desto höher ist die Sterblichkeitsrate (Odds Ratio 1,10 pro Lebensjahr). Grund dafür sind das oft abgeschwächte Immunsystem und diverse alterstypische Vorerkrankungen. Vor allem chronische inflammatorische Prozesse verstärken die Viruslast und verschlechtern die Prognose.
Risikofaktor SOFA-Score
Bei dem SOFA-Score bzw. SOFA-Index handelt es sich um ein Sequential Organ Failure Assessment, mit dem der Organzustand eines Intensiv-Patienten mit Sepsis oder Sepsisverdacht beurteilt wird. Dafür werden unter anderem der Bewusstseinszustand, Blutdruckwerte, Lungenfunktion, Gerinnungsparameter, sowie die Kreatinin-, Bilirubin- und Katecholamin-Konzentration bewertet. Je höher der SCORE, umso schlechter ist die Prognose. COVID-19-Patienten mit letalem Verlauf wurden mit einem SOFA-Index von 4,5 stationär aufgenommen. Die Überlebenden hatten mit 1,0 Punkten einen bedeutend besseren Ausgangsbefund.
Häufig vorkommende Begleitstörungen waren:
- Hypertonus (48% Nichtüberlebende vs. 23% Überlebende)
- Diabetes mellitus (31% vs. 14%)
- Koronare Herzkrankheit, KHK (24% vs. 1%)
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, COPD (7% vs. 1%)
- Renale Dysfunktion (4% vs. 0%)
Darüber hinaus gab es Unterschiede im Nikotinkonsum. So betrug der Anteil der aktiven Raucher bei den Nichtüberlebenden 8% – im Vergleich zu 4% bei den Patienten, die die Klinik virusfrei verlassen konnten.
Risikofaktor D-Dimer-Konzentration
Eine erhöhte D-Dimer-Konzentration weist auf eine Blutgerinnungsstörung mit erhöhter Thromboseneigung hin. Als Komplikation der COVID-19 stieg die Konzentration im Krankheitsverlauf speziell bei den Nichtüberlebenden an. Von einer eher ungünstigen Prognose ist bei einem D-Dimer-Ausgangswert von mehr als 1,0 µg/mL auszugehen.
Fazit
Wird ein an COVID-19 erkrankter Patient mit den drei potenziellen Risikofaktoren stationär aufgenommen, ist mit einem lebensbedrohlichen Verlauf zu rechnen. Die Ermittlung der Marker könnte Ärzten zukünftig helfen, mit SARS-CoV-2 infizierte Patienten mit schlechter Prognose bereits im Frühstadium zu identifizieren, zu isolieren und eine optimale antivirale Intervention einzuleiten.