
Obwohl klinische Studien und Real-World-Daten die Wirksamkeit und Sicherheit der zugelassenen COVID-19-Impfstoffe bestätigt haben, unterstreichen Berichte über nachlassende Impfwirksamkeiten gegenüber der neu auftretenden Coronavirus-Varianten die Notwendigkeit, die Wirksamkeit dieser Impfstoffe wachsam zu überwachen.
Aus diesem Grund verglich das Team um Arjun Puranik vom AI-Unternehmen Nference mit Hauptsitz in Cambridge, Massachusetts, und Kollegen von der Mayo Clinic in Minnesota die Wirksamkeit der zwei mRNA-Impfstoffe Spikevax (mRNA-1273) und Comirnaty (BNT162b2).
Hierfür wurden aus einem Datenpool der Mayo Clinic drei gematchte Gruppen mit jeweils 25.600 Personen gebildet, die entweder mit Spikevax, Comirnaty oder nicht geimpft waren. Analysiert wurden die Monate von Januar bis Juli 2021.
Ergebnisse
Beide Impfstoffe waren während des Studienzeitraums hochwirksam gegen SARS-CoV-2-Infektionen (mRNA-1273: 86%, 95%-KI: 81-90,6%; BNT162b2: 76%, 95%-KI: 69-81%) und COVID-19-assoziierte Krankenhausaufenthalte (mRNA-1273: 91,6%, 95 %-KI: 81-97%; BNT162b2: 85%, 95%-KI: 73-93%). Auch im Juli blieb die Wirksamkeit der Impfstoffe bei der Verhinderung von Krankenhausaufenthalte hoch (mRNA-1273: 81%, 95%-KI: 33-96,3%; BNT162b2: 75%, 95 %-KI: 24–93,9%), doch die Wirksamkeit gegen Infektionen war bei beiden Impfstoffen reduziert (mRNA-1273: 76%, 95 %-KI: 58-87%; BNT162b2: 42%, 95 %-KI: 13-62%), mit einer stärkeren Reduktion für BNT162b2.
Insbesondere stieg zu dieser Zeit die Prävalenz der Delta-Variante in Minnesota von 0,7% im Mai auf über 70% im Juli, während die Prävalenz der Alpha-Variante im gleichen Zeitraum von 85% auf 13% zurückging.
Beim Vergleich der Infektionsraten zwischen Personen, die vollständig mit mRNA-1273 oder mit BNT162b2 geimpft waren, ergab die Analyse für mRNA-1273 eine zweifache Risikoreduktion gegen Durchbruchinfektionen im Vergleich zu BNT162b2 (IRR = 0,50, 95%-KI: 0,39–0,64). In Florida, das derzeit seinen größten COVID-19-Anstieg erlebt, war das Infektionsrisiko im Juli nach einer vollständigen Impfung mit mRNA-1273 um etwa 60% niedriger als nach einer vollständigen Impfung mit BNT162b2 (IRR: 0,39, 95%-KI: 0,24 -0.62).
Gründe für reduzierte Wirksamkeit
Mehrere Faktoren könnten zu den beobachteten Unterschieden in der Wirksamkeit von mRNA-1273 und BNT162b2 beitragen. Obwohl es sich bei beiden um nukleosidmodifizierte mRNA-Impfstoffe handelt, die für das vorfusionsstabilisierte SARS-CoV-2-Spike-Protein kodieren, gibt es Unterschiede im Impfschema und in der Formulierung: BNT162b2 wird in Dosen von 30 μg/0,3 ml (100 μg/ml) im Abstand von 21 Tagen verabreicht, wohingegen Spikevax in Dosen von 100 μg/0,5 ml (200 μg/ml) im Abstand von 28 Tagen appliziert wird.
Unter der Annahme ähnlich großer Konstrukte bedeutet dies, dass jede mRNA-1273-Dosis dreimal mehr mRNA-Kopien des Spike-Proteins liefert als BNT162b2, was zu einem wirksameren Priming der Immunantwort führen könnte.
Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass kein direkter Vergleich der neutralisierenden Antikörpertiter von BNT162b2 und mRNA-1273 durchgeführt wurde, aber eine solche Studie einen wichtigen Kontext für die Ergebnisse liefern könnte. Darüber hinaus seien für mRNA-1273 bestimmte Nebenwirkungen wie Myalgie und Arthralgie häufiger als nach einer Impfung mit BNT162b2, was auf eine erhöhte Immunogenität von mRNA-1273 zurückgehen könnte.
Die beiden Impfstoffe unterscheiden sich zudem auch in der Lipidzusammensetzung der Nanopartikel, die zum Verpacken der mRNA verwendet werden:
Während die Lipid-Nanopartikel von BNT162b2 aus ALC-0315, ALC-0159, Distearolyphosphatidycholin (DSPC) und Cholesterin bestehen, enthalten die Lipid-Nanopartikel von mRNA-1273 SM-102, PEG-DMG, DSPC und Cholesterin.
Einschränkungen
Die Autoren weisen auf einige Limitationen dieser Studie hin. So seien die Kohorten demografisch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung was die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte. Um die Wirksamkeit von mRNA-1273 und BNT162b2 zuverlässiger zu vergleichen, müssten ähnliche klinische Studien aus Real-World-Daten an größeren und variableren Bevölkerungsgruppen aus verschiedenen Gesundheitssystemen durchgeführt werden.
Darüber hinaus könnten Schätzungen der Impfstoffwirksamkeit durch unbekannte Expositionsrisikovariablen beeinflusst werden, auch wenn alle verglichenen Kohorten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses ähnliche Ausgangsrisiken für die definierten Endpunkte aufgewiesen hatten. Schließlich haben wir im Juli zwar eine kürzliche Verringerung der Wirksamkeit des Impfstoffs beobachtet, aber das relative Infektionsrisiko nicht analysiert.
Fazit
Die aktuelle Studie zeigt eine anhaltend hohe Impfstoffwirksamkeit der mRNA-Vakzinen Comirnaty und Spikevax gegen SARS-CoV-2-Infektionen und gegen schweres COVID-19. So erfüllen beide Impfstoffe weiterhin ihr ursprüngliches Ziel, die Belastung durch symptomatische Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion zu reduzieren.
Die Beobachtungsstudie hebt jedoch hervor, dass beide mRNA-Corona-Impfstoffe zwar stark vor Infektionen und schweren Erkrankungen schützen, aber es weitere Untersuchungen zu den Mechanismen bedarf, die den Unterschieden zugrunde liegen.