
Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die schwerwiegenden und potentiell dauerhaften Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Arzneimittelgruppe der Fluorchinolone und Chinolone, die oral eingenommen, injiziert oder inhaliert werden, wissenschaftlich neu bewertet. In diese Bewertung sind auch Informationen von Patienten, Ärzten, Apothekern eingeflossen, die im Juni 2018 bei der öffentlichen Anhörung der EMA zu den Fluorchinolonen und Chinolonen präsentiert wurden. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) hat den Empfehlungen des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) zugestimmt.
Arzneimittelzulassungen mit den Wirkstoffen Cinoxacin, Flumequin, Nalidinsäure und Pipemidinsäure sollen künftig ruhen. Allerdings waren diese Arzneimittel nie beziehungsweise bereits seit längerer Zeit in Deutschland nicht mehr zugelassen. Zugelassene Wirkstoffe in Deutschland: Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin.
Nebenwirkungen der Fluorchinolone
Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen der Fluorchinolone gehören Sehnenentzündungen und -risse, Arthralgien, Schmerzen in den Extremitäten, Gangstörungen, Neuropathien, Depressionen, Fatigue, Gedächtnis- und Schlafstörungen, Beeinträchtigungen des Hörens, Sehens sowie des Geschmacks- und Geruchssinn.
Anwendungseinschränkungen für Fluorchinolone
Der CHMP bestätigte, dass die Anwendung der verbleibenden fluorchinolonhaltigen Antibiotika eingeschränkt werden sollte.Außerdem werden in den Fachinformationen für Ärzte und in den Gebrauchsinformationen für Patienten die Nebenwirkungen dargestellt. Den Patienten wird geraten, die Behandlung bei ersten Anzeichen von Nebenwirkungen, die die Muskeln, Sehnen oder Gelenke beziehungsweise das Nervensystem betreffen, zu beenden.
Die Einschränkungen für die fluorchinolonhaltigen Antibiotika bedeuten, dass diese nicht angewendet werden sollten:
- zur Behandlung von Infektionen, die auch ohne Behandlung abklingen oder die nicht schwerwiegend sind (z.B. Entzündungen des Halses)
- zur Behandlung von nicht-bakteriell verursachten Infektionen, wie z.B. nicht-bakterielle (chronische) Prostatitis
- zur Vorbeugung der Reisediarrhöe oder wiederkehrender Infektionen der unteren Harnwege (solche, die nicht über die Blase hinausgehen)
- zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Infektionen, es sei denn, andere Antibiotika, die üblicherweise zur Behandlung dieser Infektionen empfohlen werden, können nicht angewendet werden
Es ist wichtig, dass Fluorchinolone generell bei Patienten, die zuvor schwerwiegende Nebenwirkungen mit einem Fluorchinolon- oder Chinolon-Antibiotikum hatten, vermieden werden sollten. Sie sollten bei älteren Patienten, Patienten mit Nierenerkrankungen und Patienten, die sich einer Organtransplantation unterzogen haben, mit besonderer Vorsicht angewendet werden, da bei diesen Patienten ein höheres Risiko einer Sehnenverletzung besteht. Da die Anwendung eines Corticosteroids mit einem Fluorchinolon dieses Risiko erhöht, sollte die kombinierte Anwendung dieser Arzneimittel vermieden werden.
Die Stellungnahme des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die eine endgültige rechtsverbindliche Entscheidung trifft, die in allen EU-Ländern gilt. Die nationalen Behörden werden diese Entscheidung für die in ihren Ländern zugelassenen Fluorchinolon- und Chinolon-Arzneimittel durchsetzen und auch andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um die korrekte Anwendung dieser Antibiotika zu fördern.