Was ist das Post-Vac-Syndrom?

Noch weiß man wenig über das Post-Vac-Syndrom. Offizielle Therapieempfehlungen gibt es nicht. Das Angebot für Betroffene ist rar.

Post Covid

Hintergrund

Anhaltende Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit, mangelnde Belastbarkeit, Schwindel und wiederkehrendes Herzrasen nach einer SARS-CoV-2-Infektion sind bereits als Symptome des Post-Covid- bzw. Long-Covid-Syndroms bekannt. Ähnliche Beschwerden werden selten auch nach einer Covid-19-Impfung beschrieben. Das als Post-Vac-Syndrom bezeichnete Phänomen ist nicht Covid-spezifisch, sondern nach verschiedenen Impfungen möglich. Aufgrund der sehr vielen Corona-Impfungen steigt entsprechend die Zahl der Post-Vac-Fälle.

Fallzahl nicht ungewöhnlich hoch

Verdachtsmeldungen werden nach den international abgestimmten Kodierungen des „Medical Dictionary for Regulatory Activities“ (MedDRA) erhoben und kategorisiert. Laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sei der Anteil der Post-Vac-Fälle nicht ungewöhnlich hoch. Das hätten Auswertungen internationaler Verdachtsfallmeldungen aus 36 Staaten anhand der Nebenwirkungsdatenbank (EudraVigilance-Datenbank) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency [EMA]) ergeben [1].

Was ist das Post-Vac-Syndrom?

Für das Post-Vac-Syndrom gibt es noch keine international anerkannte, standardisierte Falldefinition. Ebenso wenig ist die Ursache für die Entstehung des Erkrankungsbilds bekannt. Möglicherweise wird eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) reaktiviert.

Professor Bernhard Schieffer, Leiter der Sprechstunde für Post-Vaccination-Patienten am Universitätsklinikum in Marburg, beobachtet bei den meisten Patienten ein sich hochschaukelndes Immunsystem. „Das verselbstständigt sich dann im Sinne einer Autoimmunerkrankung“, erklärt Schieffer gegenüber der Tagesschau [2]. Der Organismus sei unfähig, eine selbst verursachte Entzündungsreaktion zu beenden. „Dann läuft immer eine Spirale los, die am Ende zu einer Erschöpfung des Immunsystems führt“, so Schieffer [2]. Dies betreffe vor allem Frauen mit leichter Immunschwäche.

Symptome

Post-Vac-Syndrom-Betroffene beschreiben meist identische Symptome, wie man sie von Post-Covid-Patienten nach einer Infektion kennt. Häufige Beschwerden sind Konzentrationsschwierigkeiten, Blutdruckschwankungen, plötzliches Herzrasen, Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen, langanhaltende Kopfschmerzen und chronische Müdigkeit [1,3].

Wie viele sind betroffen?

Im Vergleich zu Post-Covid nach einer SARS-CoV-2-Infektion erkranken Geimpfte deutlich seltener am Post-Vac-Syndrom. Nach einer Infektion mit dem Coronavirus sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 10–20% der Patienten betroffen [4]. Bei Geimpften kann der Anteil bislang nur geschätzt werden, ist aber vermutlich im Promillebereich anzusiedeln: „0,02 Prozent oder ein bisschen höher“, vermutet Schieffer [2]. Das sei allerdings nur eine grobe Schätzung, die unter anderem auf einem Bericht von BioNTech und Pfizer basiere.    

Laut Bundesregierung sind bis zum 31. Oktober 2022 insgesamt 943 Verdachtsmeldungen beim PEI eingegangen, in denen über Beschwerden wie chronisches Ermüdungssyndrom (chronic fatigue syndrome [CFS]), post-vaccination syndrome, posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) und Post-Covid nach einer Covid-19-Impfung berichtet wurde. Das geht aus einer Stellungnahme der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Union im Bundestag hervor [5]. Gemessen an der Anzahl der Geimpften entspräche das nur einer Quote von 0,001%.

Angesichts der großen Impfdichte in der Bevölkerung ist die Anzahl der Verdachtsfallmeldungen nicht ungewöhnlich hoch. Auf der Basis der nationalen und internationalen Meldungen sei derzeit kein Risikosignal abzuleiten, schreibt das PEI [1].

Therapie

Noch gibt es keine Leitlinien zur Behandlung des Post-Vac-Syndroms. Für aussagekräftige, verlässliche Erkenntnisse sind weitere Untersuchungen bzw. Studien erforderlich. Schieffer zufolge sei die Betreuung der Betroffenen sehr aufwändig. „Es braucht ein richtiges Screening“, so der Leiter der Marburger Post-Vax-Ambulanz. Man versuche die ablaufende Entzündungsreaktion im Körper zu stoppen. Konkrete Therapieoptionen sind zum Beispiel Allergietests, Darmsanierungen und histaminarme Diäten – immer individuell abgestimmt auf den einzelnen Patienten [3].

Bis zu neun Monate Wartezeit  

Deutschlandweit gibt es bisher nur zwei spezialisierte Anlaufstellen für Patienten mit Verdacht auf das Post-Vac-Syndrom: eine Spezialambulanz am Universitätsklinikum Marburg und die neurologische Post-Covid-19-Sprechstunde an der Charité in Berlin [2]. Die Nachfrage ist groß. In Marburg müssen Patienten bis zu neun Monate warten, um einen Termin zu bekommen [3].

Meldungen von Verdachtsfällen

Neben medizinischem Personal können auch Betroffene selbst Impfnebenwirkungen an das PEI melden, entweder online oder telefonisch. Zur Diagnose und Behandlung der Symptome sollte aber in jedem Fall ein Arztbesuch erfolgen.

Autor:
Stand:
17.01.2023
Quelle:
  1. Paul-Ehrlich-Institut (PEI), FAQ, Stand 04. Oktober 2022.
  2. Tagesschau, Beitrag, 11. Januar 2023.
  3. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), FAQ, Stand 22. Dezember 2023.
  4. World Health Organization (WHO), Informationsblatt, 07. Dezember 2022.
  5. Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung, 21. Dezember 2022.
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