Neueinführung Zynteglo bei Thalassämie

Zynteglo ist die weltweit erste Gentherapie zur Behandlung der transfusionsabhängigen ß-Thalassämie. Die Thalassämie zählt zu den seltenen Erkrankungen und wird durch eine Genmutation verursacht.

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Hintergrund

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die neue Therapieoption Zynteglo im Rahmen des Priority Medicines (PRIME)-Schemas in Rekordzeit zugelassen.

Im März 2019 hatte der Ausschuss EMA für Humanarzneimittel (CHMP) eine bedingte Genehmigung für das Inverkehrbringen von Zynteglo empfohlen. Im Juni wurde die Gentherapie dann von der EU-Kommission zugelassen. Das Arzneimittel wurde unter „Besonderen Bedingungen“ zugelassen. Das bedeutet, dass weitere Nachweise für den Nutzen erwartet werden. Die EMA wird neue Informationen zu Zynteglo mindestens jährlich bewerten und, falls erforderlich, wird die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels aktualisiert werden.

Bisher wurde die ß-Thalassämie mit Bluttransfusionen behandelt, die allerdings nur die Symptome dieser seltenen Erkrankung behandeln und keinen kurativen Ansatz darstellen. Als kurative Therapieoption sind Stammzelltransplantation möglich, die sich durch Suche nach einem passenden Spender als sehr schwierig gestalten können und auch schwere Nebenwirkungen hervorrufen können.

Zynteglo wird ab dem 01.04.2020 in Deutschland verfügbar sein.

Es ist das bislang teuerste Medikament, das in Europa zugelassen wurde mit Kosten von ca.1,5 Millionen Euro pro Therapie.

Was ist Zynteglo und wofür wird es angewendet?

Das Arzneimittel Zynteglo der Firma Bluebird Bio (Niederlande) B.V enthält genetisch modifizierte, autologe, mit CD34+-Zellen angereicherte hämatopoetische Stammzellen (HSZ). Das Gentherapeutikum wird angewendet für die Behandlung von Patienten ab 12 Jahren mit transfusionsabhängiger β-Thalassämie (TDT), die keinen β0/β0-Genotyp haben, und die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) geeignet sind, für die aber kein humanes Leukozyten-Antigen (HLA)-kompatibler, verwandter HSZ-Spender zur Verfügung steht.

Wie wird Zynteglo angewendet?

Zynteglo ist eine Infusionsdispersion, die zur autologen Anwendung bestimmt ist und nur einmalig verabreicht werden sollte.

Dosierung

Die empfohlene Mindestdosis von Zynteglo beträgt 5,0 x 106 CD34+-Zellen/kg. In klinischen Studien wurden Dosen von bis zu 20 x 106 CD34+-Zellen/kg angewendet.

Wie wirkt Zynteglo?

Zynteglo bringt funktionelle Kopien eines modifizierten β-Globin-Gens in die HSZ des Patienten ein, indem autologe CD34+-Zellen mit einem lentiviralen Vektor (BB305LVV) transduziert werden.

Hierdurch wird die zugrundeliegende genetische Ursache der Krankheit behandelt. Nach der Zynteglo-Infusion siedeln sich transduzierte CD34+-HSZ im Knochenmark an und differenzieren, was zur Erythrozytenbildung führt. Diese Erythrozyten enthalten ein modifiziertes β-Globin-Protein, welches in Kombination mit α-Globin zur Bildung von funktionellem, ß-A-T87QGlobin-haltigem Hb (HbAT87Q) führt.

Gegenanzeigen

Zynteglo darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Vorheriger Behandlung mit einer HSZ-Gentherapie

Gegenanzeigen für die Mobilisierungswirkstoffe und den Wirkstoff für die myeloablative Konditionierung müssen ebenfalls berücksichtigt werden

Nebenwirkungen

Zynteglo kann häufig (≥1% -<10%) zu folgenden Nebenwirkungen führen:

  • Thrombozytopenie
  • Hitzewallung
  • Dyspnoe
  • Abdominalschmerz
  • Schmerzen in einer Extremität
  • Thoraxschmerz nicht kardialen Ursprungs

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Zynteglo müssen folgende Wechselwirkungen beachtet werden:

  • Patienten sollten für mindestens einen Monat vor der Mobilisierung bis mindestens 7 Tage nach der Zynteglo-Infusion keine antiretroviralen Arzneimittel oder Hydroxyharnstoff einnehmen.
  • Eisenchelatoren sollten 7 Tage vor Beginn der Konditionierung abgesetzt werden. Manche Eisenchelatoren sind myelosuppressiv. Nach der Zynteglo-Infusion ist die Anwendung dieser Eisenchelatoren für 6 Monate zu vermeiden. Wenn eine Eisenchelattherapie erforderlich ist, sollten nicht-myelosuppressive Eisenchelatoren erwogen werden.

Es wird nicht davon ausgegangen, dass Zynteglo mit Enzymen der hepatischen Cytochrom P-450-Familie oder Arzneimitteltransportern interagiert.

Studienlage

Studien HGB-204, HGB-205, HGB-207, HGB-212

Zynteglo wurde in vier klinischen Studien und einer Langzeit-Studie zur Nachbeobachtung untersucht. 42 Patienten wurden in die Sicherheitsbeurteilung von Zynteglo eingeschlossen (≥12 Jahre mit TDT). 32 Patienten wurden in Bezug auf die Wirksamkeit ausgewertet (≥12 Jahre mit Nicht-β0/β0-TDT).

Studiendesigns

Patienten wurden auf Transfusionsunabhängigkeit (TI) untersucht:

  • Offen
  • Einarmig
  • Erythrozytentransfusionen in der Vorgeschichte mit mindestens 100 ml/kg pro Jahr oder mindestens acht Transfusionen pro Jahr in den zwei Jahren vor Aufnahme in die Studie

Die Transfusionsunabhängigkeit war definiert als gewichteter durchschnittlicher Hb-Wert von ≥9 g/dl ohne Transfusionen über einen kontinuierlichen Zeitraum von ≥12 Monaten zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe der Studie nach der ZYNTEGLO-Infusion.

Die Wirksamkeit basiert laut Fachinformation auf Daten von 32 erwachsenen und jugendlichen TDT-Patienten mit einem Non-β0/β0-Genotyp, die mit Zynteglo behandelt wurden (N=10, HGB-204; N=4,  HGB-205; N=15, c; N=3, HGB-212). In die klinischen Studien wurden nur wenige Patienten mit Genotypen eingeschlossen, die durch eine geringe endogene ß-Globin-Produktion charakterisiert sind, wie z. B. Patienten, die homozygot für IVS-I-110 oder IVS-I-5 sind, und phänotypisch ähnlich zu Patienten mit einem β0/β0-Genotyp sind. Allen Patienten (N=32) wurde Zynteglo in einer medianen (min.; max.) Zelldosis von 7,80 × 106 (5,0;19,4) CD34+-Zellen/kg als intravenöse Infusion verabreicht.

In den beiden Hauptstudien zur Demonstration der Wirkung von Zynteglo erreichten bis Monat 24 von den Patienten mit einem Non-β0/β0-Genotyp 11/14 (78,6 %;95 %-KI 49,2 %-95,3 %) eine TI.

Die EMA hat für Zynteglo eine Zurückstellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Ergebnissen von Studien in einer oder mehreren pädiatrischen Altersklassen mit β-Thalassämie gewährt.

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