Die Cytochrome P450 (CYP) stellen die Hauptenzymfamilie dar, die die oxidative Biotransformation der meisten Arzneimittel und den oxidativen Abbau lipophiler Xenobiotika katalysieren. Wirkstoffe, die durch CYP-Enzyme verstoffwechselt werden sind anfällig für Arzneimittel-Wechselwirkungen.
Cytochrom-P450-Isoenzyme gehören zu den wichtigsten Abwehrsystemen gegen körperfremde Substanzen (Xenobiotika).
CYP450 sind Monooxygenasen, die eine sehr wichtige Rolle beim Phase-I-Metabolismus (durch Hydrolyse, Desalkylierung, Desaminierung oder Oxidation) und dem Abbau vieler endogener und exogener Substanzen spielen. Sie unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Substratspezifität, Enzymaktivität sowie Gewebeverteilung. Die Leber weist hierbei die höchste Expression von Cytochrom-P450-Enzymen auf.
Die am stärksten exprimierten CYP-Enzyme in der Leber sind CYP3A4, 2C9, 2C8, 2E1 und 1A2, während 2A6, 2D6, 2B6, 2C19 und 3A5 weniger häufig vorkommen und CYP2J2, 1A1 und 1B1 hauptsächlich extrahepatisch exprimiert werden. Die Expression jedes CYP-Enzymes wird durch eine einzigartige Kombination von Mechanismen und Faktoren beeinflusst, einschließlich genetischer Polymorphismen, Induktion durch Xenobiotika, Regulation durch Zytokine, Hormone, Krankheitszustände sowie Geschlecht oder Alter.
Interaktionspotenzial
Findet eine gleichzeitige Appplikation eines Enzyminhibitors oder Enzyminduktors mit einem Arzneistoff statt, welcher durch dasselbe Cytochrom-P450-Enzym metabolisiert wird, hat dies einen reduzierten oder verstärkten Abbau des Arzneistoffes zur Folge.
Eine Enzyminhibition tritt auf, wenn ein Arzneistoff wenig bis gar nicht metabolisiert wird, weil ein zeitgleich verabreichter zweiter Arzneistoff das metabolisierende Enzym inhibiert. Infolgedessen kann es zu erhöhten Wirkstoffkonzentrationen, einer verlängerten Halbwertszeit und verstärkten unerwünschten Wirkungen kommen. In der klinischen Praxis erfordert dies eine Anpassung der Dosierung des Pharmakons – niedriger während der Kombinationsbehandlung mit einem Enzyminhibitor und höher nach dessen Absetzen.
Eine Enzyminduktion liegt hingegen vor, wenn ein Arzneistoff beschleunigt metabolisiert, weil ein gleichzeitig gegebenes Medikament das metabolisierende Enzym induziert. Daraus ergibt sich eine gesteigerte Biotransformationsrate, die zu einer verringerten Plasmakonzentration und schließlich zu einer Abnahme der Wirkung führt. Folglich ist die Verwendung einer höheren Arzneistoffdosis notwendig, die nach dem Absetzen des Enzyminduktors wieder verringert werden muss.
Handelt es sich bei dem verabreichten Pharmakon um ein Prodrug, fällt die Wirkungsänderung durch Enzyminduktoren oder Enzyminhibitoren entgegengesetzt aus. Infolgedessen hemmt der CYP-Inhibitor die Bildung der aktiven Metaboliten und schwächt damit deren Wirkung ab, während der CYP-Induktor hingegen die Metabolisierung fördert und schließlich zu einer Wirkungsverstärkung führt.
Wird ein Arzneistoff nur von einem einzigen Enzym metabolisiert, hat dies ein hohes Interaktionspotenzial zur Folge. Erfolgt die Metabolisierung dagegen über mehrere CYP-Enzyme, nimmt die das Interaktionsrisiko ab. Zudem kann sich die Metabolisierung in Abhängigkeit der Arzneistoffkonzentration verändern. Ein Beispiel hierfür ist Mirtazapin, das in niedrigen Konzentrationen überwiegend durch CYP2D6 verstoffwechselt wird und bei höheren Konzentrationen durch CYP3A4.
Generell liegt ein hohes Interaktionsrisiko vor, wenn:
die Elimination des Arzneistoffes nur über ein einziges Enzym erfolgt und/oder
die präsystemische Metabolisierung in der Leber und/oder im Gastrointestinaltrakt sehr ausgeprägt und die orale Bioverfügbarkeit damit sehr niedrig ist
Chemische Reaktion
CYP-Enzyme enthalten als Cofaktor ein Häm-Molekül. Mit dem zentralen Eisenatom binden und aktivieren sie Sauerstoff und übertragen diesen auf das jeweilige Substrat. NADH/NADPH, Flavine, Flavoproteine oder Eisen-Schwefel-Proteine stellen die hierfür benötigten Elektronen bereit.
Folgende Reaktion wird durch sie katalysiert (R= Rest des Substrates):
R–H + O2 + NADPH + H+ → R–OH + H2O + NADP+
Weitere Faktoren, die die Expression und Funktion von CYP450 beeinflussen
Die Expression und Funktion der CYP-Enzyme wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Die variable Funktionsfähigkeit der CYP-Enzyme kann bei Arzneimitteltherapien Ursache für Unterschiedliche Intensität und Dauer von Wirkungen, Nebenwirkungen oder Nicht-Ansprechen auf eine Therapie sein.
Genetischer Polymorphismus
Genetische Polymorphismen, die stark von der Ethnizität abhängen, spielen eine wichtige Rolle für die Funktion der CYP 2D6, 2C19, 2C9, 2B6, 3A5 und 2A6 und führen zu unterschiedlichen pharmakogenetischen Phänotypen, die als arme, intermediäre, extensive und ultraschnelle Metabolisierer (poor, intermediate, extensive, ultrarapid metabolizers) bezeichnet werden. Aus den jeweils vorliegenden genetischen CYP-Varianten lässt sich der Metabolisiererstatus ableiten. Die Induktion der CYP-Enzyme beruht darauf, dass ein Induktor an einen Transkriptionsfaktor bindet und so die Expression des entsprechenden CYP-Gens verstärkt. Die klinischen Auswirkungen eines Polymorphismus müssen im pharmakologischen Kontext berücksichtigt werden. Funktionsverlustvarianten (Loss-of-function) führen zu einer verringerten Clearance und erhöhten Plasmakonzentrationen, während Funktionsgewinnvarianten (gain-of-function) zu einer erhöhten Clearance und niedrigeren Arzneimittelkonzentrationen führen. Wenn ein Medikament metabolisch aktiviert wird (Prodrug) muss die pharmakologische Aktivität oder Toxizität des Metaboliten berücksichtigt werden, wie beispielsweise im Fall der CYP2D6-abhängigen Morphinbildung aus Codein.
Epigenetische Einflüsse
Einige vererbbare Veränderungen der Genfunktion beruhen nicht auf Variationen der DNA-Sequenz. Um solche Phänomene zu beschreiben, wurde der Begriff Epigenetik geprägt. Zwei wichtige Mechanismen sind die DNA-Methylierung und die Histonproteinmodifikation. Während die DNA-Methylierung an der normalen zellulären Kontrolle der Genexpression beteiligt ist, beeinflusst die Histonmodifikation die Zugänglichkeit und die Transkriptionsaktivität des Chromatins in der Zelle. Der Begriff Epigenetik umfasst ferner Genregulationsmechanismen durch microRNAs (miRNAs). Epigenetische Muster sind hauptsächlich reversibel und können gewebespezifisch sein und durch Wirtsfaktoren (Geschlecht, Alter) und Umweltfaktoren beeinflusst werden.
Nichtgenetische Faktoren
Das Geschlecht oder das Alter beeinflusst eine Reihe von pharmakokinetisch Parametern wie z.B. das Körpergewicht, die Fettverteilung, den Leberblutfluss sowie auch die Expression von Enzymen und Transportern. Auch Krankheitszustände wirken sich auf die Stoffwechselkapazität aus. Bei der Leberzirrhose führen bspw. Veränderungen in der Leberarchitektur zu einer Verringerung des Blutflusses, einem Verlust an funktionellen Hepatozyten und somit zu einer verminderten Anzahl an Arzneimittelmetabolisierungsenzymen. Während einer Infektion, Entzündung oder bei Krebs können zirkulierende proinflammatorische Zytokine wie Interleukin (IL) -1β, TNF-α und IL-6 zu einer Herunterregulierung vieler Arzneimittelmetabolisierungen Enzyme führen.
Nomenklatur
Bezeichnet werden die Enzyme mit CYP, gefolgt von einer arabischen Ziffer für die entsprechende Familie. Anschließend folgt ein Buchstabe für die Subfamilie. Nach einem „*“ folgt die Bezifferung der Allel-Variante.