FDA-Zulassung von Ivosidenib

Die Zulassung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA basiert auf den Daten der Phase-III-Studie AGILE, in der sich eine statistisch signifikante Verbesserung des ereignisfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens zeigte, teilte das Unternehmen Servier mit.

FDA

Servier gab am 25.05.2022 bekannt, dass die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) Ivosidenib (Handelsname Tibsovo) die Zulassung erteilte. Sie beruht auf positiven Ergebnissen der Phase-III-Studie AGILE. Der ergänzende Antrag auf ein neues Arzneimittel (supplemental New Drug Application [sNDA]) für Tibsovo erhielt einen Vorrangstatus und wurde von der FDA im Rahmen ihres Pilotprogramms Real-Time Oncology Review (RTOR) geprüft. Dies soll sicherstellen, dass sichere und wirksame Behandlungen für Patienten so früh wie möglich zur Verfügung stehen.

Akute myeloische Leukämie (AML) ist eine schwer zu behandelnde Krebserkrankung des Blutes und des Knochenmarks und eine der häufigsten Leukämiearten bei Erwachsenen. In den USA werden jedes Jahr schätzungsweise etwa 20.000 neue Fälle diagnostiziert. Bei 6-10% der Fälle blockiert das mutierte Enzym Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1) die normale Differenzierung der Blutstammzellen und trägt so zur Entstehung einer akuten Leukämie bei. „Akute myeloische Leukämie ist ein schnell fortschreitender, schwer zu behandelnder Blutkrebs mit einer schlechten Prognose", sagte Dr. Eytan M. Stein, Director, Program for Drug Development in Leukemia, Leukemia Service, Department of Medicine am Memorial Sloan Kettering Cancer Center. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt etwa 29,5%.

„Menschen, die mit akuter myeloischer Leukämie leben, insbesondere diejenigen, die neu diagnostiziert werden und nicht für eine intensive Chemotherapie in Frage kommen, hatten bisher nur wenige Behandlungsmöglichkeiten", sagte Dr. Susan Pandya, Vice President Clinical Development und Leiterin der Abteilung Cancer Metabolism Global Development Oncology and Immuno-Oncology bei Servier.

„Neben einem günstigen Sicherheitsprofil ist Tibsovo die erste Therapie, die auf den Krebsstoffwechsel abzielt und in Kombination mit Azacitidin einen beeindruckenden, signifikanten Vorteil beim ereignisfreien Überleben und beim Gesamtüberleben zeigt. Dies unterstreicht die Bedeutung von Tibsovo als Teil eines neuen Kombinationsschemas für Patienten mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter akuter myeloischer Leukämie, die keine Kandidaten für eine intensive Induktionschemotherapie sind", so Stein weiter [1].

Über Tibsovo (Wirkstoff Ivosidenib)

Ivosidenib ist ein Inhibitor des mutierten Enzyms IDH1. Die mutierte Form von IDH1 produziert den Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2-HG). Wissenschaftler nehmen an, dass dieser eine Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten von AML, Gliomen und anderen Krebsarten spielt. Erhöhte 2-HG-Spiegel stören den Zellstoffwechsel und die epigenetische Regulation und tragen so zur Onkogenese bei. Ivosidenib zielt auf den IDH1-Stoffwechselweg ab und soll eine Ansammlung des Onkometaboliten 2-HG verhindern [2]. Die empfohlene Dosierung von Tibsovo bei neu diagnostizierter IDH1-mutierter AML beträgt 500 mg einmal täglich oral. Das Vorliegen einer ansprechbaren IDH1-Mutation muss durch einen von der FDA zugelassenen Test bestätigt sein.
Tibsovo ist in den USA schon als Monotherapie für die Behandlung von Erwachsenen mit IDH1-mutierter rezidivierter oder refraktärer AML und für Erwachsene mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter AML zugelassen, die mindestens 75 Jahre alt sind oder Komorbiditäten aufweisen, die eine intensive Induktionschemotherapie ausschließen. Außerdem erhielt Tibsovo am 25.08.2021 von der FDA eine erste Zulassung für ein nicht-hämatologisches Malignom, für die Behandlung von Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten, vorbehandelten IDH1-mutierten Cholangiokarzinom [3].

Über die AGILE-Studie

AGILE (ClinicalTrials.gov NCT03173248) war eine globale, multizentrische, doppelt verblindete, randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie der Phase III. Das Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Tibsovo in Kombination mit Azacitidin im Vergleich zu Placebo in Kombination mit Azacitidin bei Erwachsenen mit zuvor unbehandelter IDH1-mutierter AML, die keine Kandidaten für eine intensive Chemotherapie waren (mindestens 75 Jahre alt oder mit Begleiterkrankungen, die eine intensive Induktionschemotherapie ausschlossen) zu bewerten.

Die Patienten erhielten Ivosidenib 500 mg einmal täglich oral plus Azacitidin 75 mg/m2 Körperoberfläche subkutan oder intravenös für sieben Tage in 28-Tage-Zyklen oder ein entsprechendes Placebo plus Azacitidin.

Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (event-free survival [EFS]), definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zum Behandlungsversagen, dem Rückfall aus der Remission oder dem Tod aus jedweder Ursache, je nachdem, was zuerst eintrat. Behandlungsversagen war definiert als das Nichterreichen einer kompletten Remission (complete remission [CR]) bis zur 24. Woche.

Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten der Anteil der Studienteilnehmer, die eine CR erreichten, und das Gesamtüberleben (overall survival [OS]), definiert als die Zeit vom Zeitpunkt der Randomisierung bis zum Tod aus jedweder Ursache.

Studienergebnisse

Die Intention-to-treat-Population umfasste 146 Patienten: 72 in der Ivosidenib-plus-Azacitidin-Gruppe und 74 in der Placebo-plus-Azacitidin-Gruppe. Die Daten zeigten eine statistisch signifikante Verbesserung des EFS (Hazard Ratio [HR] = 0,35; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,17-0,72; 2-seitiger p-Wert = 0,0038) und des OS (HR = 0,44 [95%-KI 0,27-0,73]; 2-seitiger p-Wert = 0,0010). Die Behandlung mit Tibsovo plus Azacitidin als Erstlinientherapie für IDH1-mutierte AML führte zu einem dreifach verbesserten medianen Überleben im Vergleich zu Placebo plus Azacitidin (24 Monate vs. 7,9 Monate). Die Ergebnisse der AGILE-Studie wurden auf der Jahrestagung und Ausstellung der American Society of Hematology (ASH) 2021 vorgestellt und kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht [4].

Sicherheitsprofil von Tibsovo

Die Kombination von Tibsovo plus Azacitidin zeigte ein Sicherheitsprofil, das mit den zuvor veröffentlichten Daten übereinstimmte. Die häufigsten Nebenwirkungen (≥10%) bei Patienten mit neu diagnostizierter AML, die Tibsovo in Kombination mit Azacitidin erhalten hatten, waren Übelkeit, Erbrechen, Verlängerung des QT-Intervalls im Elektrokardiogramm, Schlaflosigkeit, Differenzierungssyndrom, Leukozytose, Hämatom, Bluthochdruck, Arthralgie, Dyspnoe und Kopfschmerzen. Auffällige Laborwerte (≥10%) waren verminderte Leukozytenzahl, verminderte Blutplättchenzahl, verringerter Hämoglobinwert, verminderte Neutrophilenzahl, erhöhte Lymphozytenzahl, höherer Glukosespiegel, verminderter Phosphatspiegel, erhöhter Aspartat-Aminotransferase-Spiegel, verminderter Magnesiumspiegel, erhöhter alkalische Phosphatase-Spiegel und erhöhter Kaliumspiegel.

Ausblick

„Die heutige Zulassung von Tibsovo in Kombination mit Azacitidin ist ein großer Fortschritt für Patienten mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter akuter myeloischer Leukämie in den Vereinigten Staaten, und wir freuen uns darauf, unser Engagement bei den Zulassungsbehörden weltweit fortzusetzen", sagte Pandya.

Ein Zulassungsantrag für die Erstlinien-Anwendung von Tibsovo in Kombination mit Azacitidin bei Patienten mit zuvor unbehandelter IDH1-mutierter AML, die keine Kandidaten für eine intensive Induktionschemotherapie sind, oder mit vorbehandeltem, lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem, IDH1-mutiertem Cholangiokarzinom wurde bei der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht. Tibsovo ist die erste spezifisch gegen eine IDH1-Mutation zielgerichtete Therapie, für die in Europa ein Zulassungsantrag eingereicht wurde [5].

Autor:
Stand:
13.06.2022
Quelle:
  1. Servier, Pressemeldung, 25.05.2022
  2. Dhillon (2018): Ivosidenib: first global approval. Drugs, DOI: 10.1007/s40265-018-1050-z
  3. Food and Drug Administration, Pressemeldung, 25.08.2021
  4. Montesinos et al. (2022): Ivosidenib and azacitidine in IDH1-mutated acute myeloid leukemia. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa2117344
  5. Servier, Pressemeldung, 10.03.2022
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