
Die Therapie mit T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T) ist der jüngste revolutionäre Fortschritt in der Krebstherapie. Durch die Verwendung von T-Zellen, die ex vivo biotechnologisch so verändert wurden, dass sie spezifische Antigene ansprechen können, wird eine gezielte Immunreaktion induziert. Die CAR-T-Zelltherapie ist für Patienten zugelassen, die an fortgeschrittenen und refraktären B-Zell- und Plasmazell-Malignomen leiden, und wird bei verschiedenen anderen hämatologischen und soliden Malignomen getestet.
Bei der Auslösung einer Antikrebs-Immunreaktion kann eine systemische Entzündungsreaktion, das Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS), auftreten. Der Schweregrad des CRS ist bei den Patienten sehr unterschiedlich und reicht von leichten grippeähnlichen Symptomen bis hin zu fulminanten hyperinflammatorischen Zuständen mit übermäßiger Immunaktivierung, assoziiertem Multiorganversagen und hohem Mortalitätsrisiko. Das CRS ist auch ein wichtiger Faktor für unerwünschte kardiovaskuläre (CV) Ereignisse. Weitere unerwünschte CV Ereignisse können unabhängig von einem CRS direkt durch die im Zuge der CAR-T-Zelltherapie ausgelösten Effekte provoziert werden.
Zielsetzung
Klinische Beobachtungen, unter anderem in Phase-I/III-Studien, deuten darauf hin, dass bei einem hohen Prozentsatz von Patienten, die sich einer CAR-T-Zelltherapie unterziehen, CV Nebenwirkungen auftreten und dass diese Nebenwirkungen mit einer signifikanten Morbidität und Mortalität verbunden sind. Es wird erwartet, dass die Zahl der Patienten, die für eine CAR-T-Zelltherapie in Frage kommen, rasch zunehmen wird, und damit die Notwendigkeit der Behandlung von Nebenwirkungen. Die Vertrautheit mit diesem Thema ist also für jeden Kardiologen wichtig, betont das Autorenteam einer aktuellen Publikation.
In dem Projekt widmeten sich die Experten der Zusammenfassung des aktuellen Wissens über die durch den Einsatz der CAR-T-Zelltherapie hervorgerufene CV Toxizität, um Empfehlungen zur Prävention, Überwachung und Behandlung zu geben und zukünftige Herausforderungen und Entwicklungsrichtungen zu diskutieren.
Die Übersichtsarbeit wurde unter Erstautor Prof. Dr. med. Matthias Totzeck im European Heart Journal veröffentlicht [1]. Der Kardiologe befasst sich am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum, Klinik für Kardiologie und Angiologie der Universität Duisburg-Essen, unter anderem mit den Nebenwirkungen von Krebstherapien. Wir geben die Inhalte der Publikation auszugsweise wieder.
Aktuelle Landschaft der CAR-T-Zelltherapie
Der Begriff adoptive T-Zell-Transfer-Therapie (ATC) beschreibt die Infusion von modifizierten autologen oder allogenen T-Zellen zu dem Zweck, eine Anti-Krebs-Immunreaktion zu induzieren. Dazu werden unter anderem CAR-T-Zellen verwendet. Dabei handelt es sich um gentechnisch veränderte autologe T-Zellen, die einen künstlichen CAR exprimieren. Die Herstellung kann unter Verwendung von durch Leukapherese gewonnenen oder anderweitig isolierten Zellen erfolgen.
Die genetische Veränderung ex vivo erfolgt durch Transduktion mit lentiviralen oder retroviralen Vektoren, die CAR-Konstrukte enthalten. Die charakteristische chimäre Struktur des CAR ermöglicht die gleichzeitige Detektion von Oberflächenantigenen und die Aktivierung von T-Zellen. Neuere Generationen der CAR-T-Zelltherapie sind durch Einschluss, Ausschluss und Modifikation von Domänen auf spezifische Tumore zugeschnitten, und neuartige Zielantigene befinden sich in der präklinischen und klinischen Bewertung.
Modifikationen an CAR-T-Zellen, wie zum Beispiel manipulierte Immun-Checkpoint-Inhibitoren oder die Steigerung der Interleukin (IL)-12-Produktion, erhöhen die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen weiter. Während die genetische Veränderung üblicherweise durch virale Transduktion erreicht wird, wurde mit der Methode CRISPR-Cas9 nun erfolgreich die direkte genetische Veränderung von T-Zell-Rezeptoren eingesetzt. Es ist auch wichtig zu bedenken, dass Patienten vor der Infusion von CAR-T-Zellen eine konditionierende Chemotherapie, hauptsächlich Fludarabin und Cyclophosphamid, erhalten, um die Expansion, Funktion und Persistenz der CAR-T-Zellen durch die Depletion immunsuppressiver Zellen und homöostatischer Zytokinsenken zu erhöhen.
Derzeit sind vier Präparate zur Therapie hämatologischer Malignome von der US-amerikanischen und der europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen (Tisagenlecleucel [Kymriah, Novartis], Axicabtagen ciloleucel [Yescarta, Kite Pharma], Lisocabtagen maraleucel [Breyanzi, Juno Therapeutics/ Bristol Myers Squibb], Brexucabtagen autoleucel [Tecartus, Kite Pharma]). Im Februar 2022 erhielt außerdem Ciltacabtagen autoleucel (Carvykti, Johnson & Johnson) die US-Zulassung (Anm. d. R., Gelbe Liste Online berichtete [2]).
Aufbauend auf diesen früheren Erfahrungen und vielversprechenden therapeutischen Zielen, die in präklinischen Studien identifiziert wurden, waren zum Stichtag 25. Dezember 2021 mehr als 600 interventionelle Studien zur CAR-T-Zelltherapie auf www.clinicaltrials.gov aufgeführt, darunter 14 Phase III-Studien. Insbesondere die Ausweitung der CAR-T-Zelltherapie auf solide Tumore ist Gegenstand laufender Forschungsanstrengungen, ebenso wie eine Erweiterung auf nicht-maligne Erkrankungen, einschließlich Autoimmunerkrankungen und die Infektion mit dem humanen Immunschwächevirus (HIV).
Unerwünschte Ereignisse aus der CAR-T-Zelltherapie
Die CAR-T-Zelltherapie ist mit einer Reihe von allgemeinen und organspezifischen Toxizitäten assoziiert. Das CRS ist das häufigste behandlungsbedingte unerwünschte Ereignis und wird bei 85-93% der Patienten beschrieben, wobei es bei 0-46% der Patienten zu schweren oder tödlichen Verläufen kommt.
Die Entwicklung des CRS basiert auf einer Kaskade proinflammatorischer Effekte von CAR-T-Zellen mit der Tumormikroumgebung. Daten zeigten, dass die Verwendung von Tocilizumab und Kortikosteroiden zur Behandlung des CRS das klinische Ansprechen nicht negativ beeinflusst. Daher wird aktuell bei mildem, niedriggradigem CRS eine frühe Intervention mit Tocilizumab und Steroiden durchgeführt.
In den meisten Fällen von organspezifischen unerwünschten Ereignissen ist zu erwarten, aber unbewiesen, dass die organspezifischen Nebenwirkungen ein Symptom von CRS sind oder aus unabhängigen Mechanismen entstehen. Eine häufige Form behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse ist die Neurotoxizität. Die CAR-T-Zell-bedingte Neurotoxizität wird als Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome [ICANS]) bezeichnet. Andere Komplikationen im Zusammenhang mit der CAR-T-Zelltherapie umfassen hämatologische ([3], Gelbe Liste online berichtete [4]), gastrointestinale und CV-Toxizitäten.
Kardiovaskuläre unerwünschte Ereignisse
Die kardiovaskuläre Toxizität der CAR-T-Zelltherapie wurde in klinischen Phase I-III-Studien und retrospektiven Studien beobachtet. Pharmakovigilanz-Daten zeigten kürzlich eine relative Mortalität von 30,9% bei Patienten mit CV und pulmonalen unerwünschten Ereignissen (CPAE) im Vergleich zu 17,4% bei Patienten mit CRS im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie, was die Notwendigkeit der Behandlung dieser Komplikationen unterstreicht.
Mit dem Übergang der CAR-T-Zelltherapie in das Standard-Behandlungsrepertoir und der steigenden Zahl von Patienten mit vorbestehenden CV Erkrankungen ist die Charakterisierung von CV Nebenwirkungen von entscheidender Bedeutung. Insbesondere im Hinblick auf die durch CRS verursachte kardiozirkulatorische Belastung erscheint eine ausreichende kardiale Reservekapazität unerlässlich, um lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Es ist zu erwarten, dass die Prävalenz von CV Nebenwirkungen mit dem zunehmenden Einsatz der CAR-T-Zelltherapie im realen Umfeld außerhalb klinischer Studien zunehmen wird, da Patienten mit vorbestehender CV Erkrankung und Hochrisikokonstellationen von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlossen waren.
Es wurden mehrere Formen von CV Komplikationen nach CAR-T-Zelltherapie, einschließlich linksventrikulärer (LV) Dysfunktion, erhöhtem Troponinwert, Arrhythmie und plötzlichem Herztod, berichtet. Während nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Sinustachykardie und arterielle Hypotonie als separate CV Toxizitäten entwickeln, können sie hauptsächlich als Folge von CRS betrachtet. Systemische CRS-Effekte, einschließlich Tachykardie und geringer peripherer Widerstand, belasten das CV System und verstärken die Manifestation von Toxizitäten. Besonders betroffen sind Patienten mit vorbestehender CV Erkrankung oder Patienten mit schwerem CRS.
Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind unvollständig verstanden. In der Publikation werden die Effekte der CRS-bedingten Erhöhung von Zytokinen und die direkten Auswirkungen der CAR-T-Zelltherapien im Detail diskutiert.
Kardioonkologisches Management von Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie erhalten
Aufgrund der hohen Inzidenz von CRS mit anschließender Belastung des CV Systems und potenziell lebensbedrohlichen Folgen wurden Algorithmen für das kardioonkologische Management von Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie erhalten, entwickelt [1].
Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie erhalten sollen, sollten sich zuvor einer Bewertung von CV-Erkrankungen und Risikofaktoren, Elektrokardiogramm, Echokardiographie und kardialen Biomarkern unterziehen. Die medizinische Therapie für bereits bestehende CV Erkrankungen, einschließlich Herzinsuffizienztherapie, Bluthochdruck und eine antithrombotische Behandlung sollten vor der CAR-T-Zelltherapie optimiert werden.
Die prophylaktische Anwendung von Betablockern oder Angiotensinrezeptorblockern kann bei bestimmten Patientengruppen in Betracht gezogen werden. Die Rolle immunmodulierender Medikamente bei der Verhinderung unerwünschter Ereignisse bei Patienten mit hohem Risiko für eine CV Toxizität wurde noch nicht untersucht. Es ist möglich, dass Patienten mit erhöhtem Troponin von einer frühen Schutztherapie mit Tocilizumab profitieren. Die prophylaktische Anwendung von Tocilizumab zur Verringerung eines schweren CRS kann die Rate schwerer Neurotoxizität erhöhen. Daher kann ein prophylaktischer Ansatz nicht generell empfohlen werden.
Während der Therapie sollten die Patienten engmaschig bezüglich des Auftretens des CRS und kardialer Komplikationen überwacht werden. In der Publikation werden Maßnahmen zum Management von unerwünschten Ereignissen diskutiert. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Onkologen, Kardioonkologen mit Expertise in der Intensivmedizin, Neurologen, Apothekern und spezialisierten Krankenschwestern ist für das bestmögliche Management der CV Komplikationen der CAR-T-Zelltherapie unerlässlich.
Ausblick: CAR-T-Zellen zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Zu Beginn des Jahres 2022 wurde über den ersten Einsatz von CAR-T-Zellen zur Bekämpfung der Myokardfibrose in einem Mausmodell für hypertensive Herzinsuffizienz berichtet. Wissenschaftler entwickelten eine impfstoffähnliche mRNA-Injektion, mit der sie CAR-T-Zellen direkt im Körper herstellten. Diese eliminierten im Mausmodell aktivierte kardiale Fibroblasten und stellten damit die Herzfunktion wieder her ([5], Gelbe Liste Online berichtete [6]). Obwohl es sich um das erste experimentelle Modell handelt, zeigten überzeugende Ergebnisse, dass die Anwendung der CAR-T-Zelltherapie in der zielgerichteten CV Medizin in Zukunft denkbar ist.
Fazit
Die CAR-T-Zelltherapie ist eine revolutionäre Form der Krebsimmuntherapie, und biochemische Optimierngen und die Expansion auf neue Krebsentitäten werden zu einem schnell zunehmenden Einsatz führen. Das Verständins der komplexen Natur der CAR-T-Zell-bedingten Nebenwirkungen steht noch am Anfang, und tiefgreifende Auswirkungen auf das CV System sind aus präklinischen und klinischen Daten ersichtlich. Dies unterstreicht die Bedeutung der bestmöglichen kardioonkologischen Versorgung dieses gefährdeten Patientenkollektivs.
Die größte zukünftige Herausforderung für die Kardio-Onkologie wird im effektiven Management von unerwünschten CV Ereignissen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Wirksamkeit von Krebstherapien bestehen, resümieren die Autoren der Publikation. Ein besseres Verständnis der Merkmale der CV Toxizität wird zu einem verbesserten klinischen Management und einer besseren protektiven Behandlung führen.
Das Projekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (RA 969/12-1) und durch das National Institute of Health / National Cancer Institute (R01CA233601) finanziell unterstützt.