Ibuprofen

Leitlinien empfehlen Ibuprofen als eines der Mittel der Wahl zur Behandlung akuter Migräneattacken. Vorteilhaft sind die schnell einsetzende Wirkung und die gute Verträglichkeit. Studien bestätigen die Wirksamkeit.

Ibuprofen Tabletten 1

Ibuprofen (z.B. Dolormin Migräne Filmtabletten, Ibu 400 - 1 A Pharma, IbuHEXAL 400 mg Filmtabletten, IBU-ratiopharm 400 mg akut Schmerztabletten) ist ein nicht-steroidales Antirheumatikum (NSAR). Das 2-Phenylpropionsäurederivat wirkt schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend, indem es die Cyclooxygenasen (COX) COX-1 und COX-2 hemmt. Dadurch wird die Bildung von Prostaglandinen blockiert. Prostaglandine spielen eine wichtige Rolle im Entzündungsgeschehen [2,7].

Da Prostaglandine auch die schützende Magenschleimhaut aufbauen, ist als Nebenwirkung eine Reduktion der Schleimschicht zu beachten. Die COX-Hemmung führt zudem zu einer vermehrten Bildung von Leukotrienen. Bei Asthmatikern steigt das Risiko für eine Bronchokonstriktion [7].

Was ist zu beachten?

Die S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ von 2018 empfiehlt als Einzeldosis 200 bis 600 mg Ibuprofen. Rezeptfrei sind Präparate mit einer Einzeldosis von bis zu 400 mg erhältlich. Eine Einzeldosis von 400 mg können Patienten in der Selbstmedikation bis zu viermal täglich nehmen. Als Tageshöchstdosis dürfen 1200 mg Ibuprofen in der Selbstmedikation nicht überschritten werden [2,7]. Besonders schnell tritt die Wirkung ein, wenn Ibuprofen als D,L-Lysin-Salz gegeben wird, da dieses besonders gut wasserlöslich ist [7].

Kinder

Kinder nehmen ein- bis dreimal täglich 7 bis 10 mg Ibuprofen pro kg KG ein. Die Tageshöchstdosis beträgt 30 mg Ibuprofen pro kg KG, wobei zwischen den Einnahmen Zeitabstände von 6 bis 8 Stunden liegen sollten.

Schwangerschaft und Stillzeit

Für Schwangere ist laut der Datenbank „Embryotox“ Ibuprofen eines der Mittel der Wahl bei Migräne. Das Arzneimittel darf aber nur bis zur 28. Schwangerschaftswoche und unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Schwangerschaft im letzten Trimenon stellt eine Kontraindikation für die Anwendung von Ibuprofen dar [2,9]. Während der Stillzeit ist eine kurzfristige Einnahme vertretbar [2].

Wichtige Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Ibuprofen hat von allen NSARs das geringste Risiko für schwere Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt [7]. Wie andere NSARs ist Ibuprofen bei Magen-Darm-Ulzera, Asthma bronchiale, hämorrhagischer Diathese sowie schweren Herz-, Nieren- und Leberfunktionsstörungen kontraindiziert. Dasselbe gilt für das letzte Drittel der Schwangerschaft [7].

Studienlage

Ibuprofen ist eines der effektivsten Mittel in der Selbstmedikation bei akuten Migräneattacken und die Wirksamkeit ist sehr gut durch klinische Prüfungen belegt. 2015 zählten NSARs wie Ibuprofen zu den von der American Headache Society empfohlenen Arzneimitteln zur Therapie von Migräneanfällen [12]. Auch gemäß der deutschen S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ von 2018 sollten leichtere und mittelstarke Migräneattacken zunächst mit Analgetika wie Ibuprofen behandelt werden [1]. Nach Haag et al. zählt Ibuprofen als Monotherapie zu den wissenschaftlich erprobten Arzneistoffen für die Behandlung von Migräne und wird als Erstlinientherapie empfohlen [6].

Rabbie et al. bewerteten 2013 in einem aktualisierten Cochrane Review die Wirksamkeit von Ibuprofen in der akuten Migräneattacke allein oder in Kombination mit Antiemetika. Neun eingeschlossene Studien (4373 Teilnehmer, 5223 Attacken) verglichen Ibuprofen mit Placebo oder aktiven Vergleichspräparaten. In keiner Studie wurde Ibuprofen mit einem selbstverabreichten Antiemetikum kombiniert. Es zeigte sich, dass Ibuprofen in der höheren Dosis von 400 mg signifikant wirksamer ist als in der Dosis von 200 mg. Die Autoren schlussfolgerten, dass Ibuprofen eine wirksame Behandlung für akute Migränekopfschmerzen sei, die bei etwa der Hälfte der Betroffenen eine Schmerzlinderung, aber nur bei einer Minderheit eine vollständige Linderung der Schmerzen und der damit verbundenen Symptome bewirke. Die Nebenwirkungen waren meist mild und vorübergehend und traten mit der gleichen Häufigkeit auf wie unter Placebo [13].

Kellstein et al. fanden 2000 in einer großen RCT mit insgesamt 729 Migränepatienten mit mäßigen bis starken Ausgangsschmerzen keinen signifikanten Unterschied zwischen den Dosierungen von 200 mg, 400 mg und 600 mg Ibuprofen. Verabreicht wurde eine neue Liquigel-Formulierung von Ibuprofen. Alle drei Ibuprofen-Liquigels waren Placebo in Bezug auf die kumulative Kopfschmerzreaktion, dem Ansprechen zwei Stunden nach Einnahme sowie bezogen auf eine zweistündige Schmerzfreiheit überlegen. Auch die Nebensymptome und Aktivitätseinschränkungen von Migräne linderten die Ibuprofen-Liquigels [14].

2015 verglichen Moore et al. in einer Übersichtsarbeit zu systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen die beiden Analgetika Ibuprofen und Paracetamol in Standarddosen direkt oder indirekt im Vergleich mit Placebo bei bestimmten Schmerzzuständen, wozu auch Migräne zählte. Sie schlossen sechzehn systematische Übersichtsarbeiten und vier individuelle Patientendaten-Metaanalysen ein. Ibuprofen war Paracetamol in konventionellen Dosierungen bei einer Reihe von Schmerzzuständen durchweg überlegen. Zwei direkte Vergleiche favorisierten Ibuprofen (akute Schmerzen, Arthrose), ebenso drei von vier indirekten Vergleichen (akute Schmerzen, Migräne, Arthrose). Die Autoren schlussfolgerten, dass in Standarddosen bei verschiedenen Schmerzzuständen Ibuprofen in der Regel überlegen sei. Sie wiesen aber auch daraufhin, dass keines der Medikamente für alle wirksam sein könne und beide werden benötigt würden [15].

Suthisisang et al. bewerteten 2007 die Wirksamkeit von niedrig dosiertem Ibuprofen zur Behandlung akuter Migräneattacken. Ibuprofen 200 und 400 mg erwiesen sich als wirksamer als Placebo hinsichtlich der Verringerung der Schmerzintensität und der Schmerzfreiheit innerhalb von zwei Stunden bei Erwachsenen mit mittelschweren oder schweren Migräneanfällen. Bezogen auf eine 24-Stunden anhaltende Schmerzfreiheit war Ibuprofen nicht besser als Placebo. Photophobie und Phonophobie verbesserten sich mit einer Dosierung von 400 mg [16].

Eine klinische Datenbasis für Ibuprofen-Lysinat, das in der Selbstmedikation häufig verwendet wird, fehlt noch bezogen auf Migränekopfschmerzen.

Autor:
Stand:
03.08.2022
Quelle:
  1. Diener et al. (2018): Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, Registernummer 030 – 057. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.); (abgerufen am 03.08.2022)
  2. Neubeck: Evidenzbasierte Selbstmedikation, Deutscher Apotheker Verlag, 5. Auflage 2021
  3. Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG): Migräne. (abgerufen am 20.06.2022)
  4. Internationale Kopfschmerzgesellschaft (2018). 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen. Online: ICHD-3), (aufgerufen am 20.06.2022)
  5. Schmerzklinik Kiel. Mögliche Auslöser der Attacken; (abgerufen am 20.06.2022)
  6. Haag et al. (2009): Self medication in migraine and tension type headache – guidelines of the German, Austrian and Swiss headache societies and the German Society of Neurology. Nervenheilkunde, DOI: 10.1007/s10194-010-0266-4
  7. Geisslinger et al. (2020): Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  8. Bayer Vital GmbH: Fachinformation Aspirin. Stand: Februar 2022
  9. Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité - Universitätsmedizin, Campus Virchow- Klinikum (Embryotox); (abgerufen am 31.07.2022)
  10. Kirthi, Derry, Moore (2013): Aspirin with or without an antiemetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI:10.1002/14651858
  11. VanderPluym et al. (2021): Acute Treatments for Episodic Migraine in Adults. A Systematic Review and Meta-analysis. The Journal of the American Medical Association, DOI: 10.1001/jama.2021.7939
  12. Marmura, Silberstein, Schwedt (2015): The acute treatment of migraine in adults: the American Headache Society evidence assessment of migraine pharmacotherapies. Headache, DOI:10.1111/head.12499
  13. Rabbie, Derry, Moore (2013): Ibuprofen with or without an antiemetic for acute mi-graine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI: 10.1002/14651858.CD008039.pub3
  14. Kellstein et al. (2000): Evaluation of a novel solubilized formulation of ibuprofen in the treatment of migraine headache: a randomized, double-blind, placebo-controlled, dose-ranging study. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.2000.00055.x
  15. Moore at al. (2015): Overview review: Comparative efficacy of oral ibuprofen and paracetamol (acetaminophen) across acute and chronic pain conditions. European journal of pain, DOI: 10.1002/ejp.649
  16. Suthisisang et al. (2007): Efficacy of low-dose ibuprofen in acute migraine treatment: systematic review and meta-analysis. Annals of Pharmacotherapy, DOI: 10.1345/aph.1K121
  17. Diener et al. (2006): Efficacy and tolerability of diclofenac potassium sachets in migraine: a randomized, double-blind, cross-over study in comparison with diclofenac potassium tablets and placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2005.01064.x
  18. Massiou et al. (1991): Effectiveness of oral diclofenac in the acute treatment of common migraine attacks: a double-blind study versus placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.1991.1102059.x
  19. Peroutka et al. (2004): Efficacy of diclofenac sodium softgel 100 mg with or without caffeine 100 mg in migraine without aura: a randomized, double-blind, crossover study. Headache, DOI: 10.1111/j.1526-4610.2004.04029.x
  20. Derry, Moore (2013): Paracetamol (acetaminophen) with or without an anti- emetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database Syst Rev., DOI: 10.1002/14651858.CD008040.pub3
  21. Lipton et al. (2000): Efficacy and safety of acetaminophen in the treatment of migraine—results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, population-based study. Archives of internal medicine, DOI: 10.1001/archinte.160.22.3486
  22. Thorlund et al. (2014): Comparative efficacy of triptans for the abortive treatment of migraine: A multiple treatment comparison meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102413508661
  23. Cameron et al. (2015): Triptans in the Acute Treatment of Migraine: A Systematic Review and Network Meta-Analysis. Headache, DOI: 10.1111/head.12601
  24. Ferrari et al. (2001): Oral triptans (serotonin 5-HT(1B/1D) ago-nists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials. Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(01)06711-3
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  27. Thorlund et al. (2017): Comparative tolerability of treatments for acute migraine: A network meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102416660552
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