
Ende Februar gab die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) die jährliche Empfehlung zur Zusammensetzung der Grippeimpfstoffe für die Saison 2021/22 der Nordhalbkugel bekannt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) empfiehlt für die Grippe-Saison 2021/22 die Impfung von Personen über 60 Jahren mit einer Hochdosis-Vakzine. Aufgrund dessen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einem Beschluss vom 21. Januar 2021 die Anpassung der Anlage I der Schutzimpfungs-Richtline veranlasst, um die Erstattungsfähigkeit des Hochdosis-Impfstoffs zu gewährleisten. Dieser Beschluss soll zum 1. April in Kraft treten. Da es in der Vergangenheit bei Grippeimpfstoffen zu Lieferengpässen kam, möchte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) durch eine Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfungen gegen Influenza und Masern den Ärzten mehr Handlungsspielraum bei der Verordnung der Grippeimpfstoffe an Ältere einräumen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßt dieses Vorgehen.
Rekordtief bei Influenza-Infektionen
Die WHO verzeichnete im Beobachtungszeitraum von September 2020 bis Januar 2021 in den gemäßigten Klimazonen der Nordhalbkugel eine deutlich niedrigere Aktivität der Influenza-Viren als gewöhnlich. Generell seien die Detektionslevel sowohl für Influenza A als auch B sehr niedrig gewesen. In Europa wurden etwa 20% weniger Proben getestet und die Anzahl positiver Proben ging um 99% zurück. Weltweit wurden von allen Proben weniger als 0,2% positiv auf Influenza-Viren getestet, während im gleichen Zeitraum in den drei Jahren zuvor (2017-2020) im Schnitt etwa 17% positiv waren.
Ursachen für den starken Rückgang der Influenza-Infektionen werden in der Corona-Pandemie gesehen. Aufgrund der Hygiene- und Schutzmaßnahmen, sowie Ausgangs- und Reisebeschränkungen konnte ein Rekordtief an Influenza-Infektionen verzeichnet werden. Allerdings standen dadurch auch weniger Viren zur Charakterisierung zur Verfügung. Die WHO empfiehlt auf Grundlage ihrer Untersuchungen folgende Stämme.
Ei-basierte Impfstoffe | Zellbasierte oder rekombinante Impfstoffe | |
Tetravalent |
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Trivalent |
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STIKO empfiehlt Hochdosis-Influenza-Impfstoff für Ältere
In der 1. Auflage des Epidemiologischen Bulletins der STIKO von Januar 2021 gibt diese den Beschluss zur Empfehlung der Impfung von Personen ab einem Alter von 60 Jahren mit einem Hochdosis-Grippeimpfstoff bekannt. Die Evidenz für dessen Wirksamkeit in Bezug auf die Verhinderung von Influenza-Infektionen bei Personen im Alter ab 60 Jahren sei als hoch einzustufen. Die Daten zeigten, dass der Hochdosis-Impfstoff den konventionellen Impfstoffen wahrscheinlich überlegen sei und die Influenza-bedingte Morbidität und Mortalität senke.
Der zum Zeitpunkt der Empfehlung einzige in Deutschland zugelassene Hochdosis-Impfstoff war und ist das Präparat Efluelda der Sanofi Deutschland GmbH. Das Arzneimittel ist pharmakologisch identisch zum ebenfalls von Sanofi vertriebenen Impfstoff Fluzone High-Dose Quadrivalent. Dieser wurde in der vergangenen Grippe-Saison durch das BMG aus den USA importiert, um der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Versorgungsknappheit mit Grippeimpfstoff entgegenzuwirken. Efluelda wurde im Mai 2020 in der EU zugelassen, die Anwendung beschränkte sich auf Personen ab einem Alter von 65 Jahren. Ende Februar 2021 ist eine Indikationserweiterung auf Personen ab einem Alter von 60 Jahren erfolgt.
Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie verursacht Schwierigkeiten
Um den Empfehlungen der STIKO nachzukommen legte der G-BA Ende Januar 2021 einen Beschluss zur Änderung der Anlage I der Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) vor, der zum 1. April in Kraft treten soll. Dadurch wird die Erstattungsfähigkeit des Hochdosis-Impfstoffes für über 60-Jährige durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gewährleistet. Der Beschluss sollte als Basis für die rechtzeitige Planung der Impfstoff-Beschaffung für die Grippe-Saison 2021/22 dienen.
Der KBV zufolge war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ein Großteil der Grippeimpfstoff-Bestellungen in den Arztpraxen und Apotheken erfolgt. Eine Stornierung der Lieferungen war laut KBV in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Da die SI-RL bei Älteren nur die Erstattung des Hochdosis-Impfstoffes vorsieht, standen die Arztpraxen und Apotheken nun vor dem Problem, gegebenenfalls mehr Hochdosis-Impfstoff als zunächst erwartet zu benötigen. Auf der anderen Seite können Ärzte nach § 106B Abs. 1a SGB V in Regress genommen werden, wenn die bestellte Menge Impfstoff um einen bestimmten Prozentsatz höher liegt als die verbrauchte Menge (in Saison 2021/22 voraussichtlich 30%). Da bis Ende Februar zudem unklar war, welchen Impfstoff 60- bis 64-Jährige erhalten würden, konnte bei der Impfstoff-Bestellung die Empfehlung der STIKO laut des KBV in den meisten Fällen nicht adäquat berücksichtigt werden.
BMG entschärft Schutzimpfungs-Richtlinie des G-BA
In einem Verordnungsentwurf zum Anspruch auf Schutzimpfungen gegen Influenza und Masern entschärft das BMG die Regelungen der geänderten Schutzimpfungs-Richtlinie des G-BA. Darin heißt es, dass Versicherte ab einem Alter von 60 Jahren im Rahmen der Verfügbarkeit auch einen Anspruch auf eine Grippeschutz-Impfung mit den konventionellen tetravalenten Influenza-Impfstoffen haben. Dadurch wird den Ärzten ermöglicht, beispielsweise bei möglichen Lieferengpässen von Efluelda, auf andere nicht-Hochdosis-Impfstoffe auszuweichen. Weiter heißt es, dass der Anspruch auf die Verordnung des Influenza-Hochdosis-Impfstoffes bestehen bleibe und trotz der höheren Kosten als wirtschaftlich gelte.
In einer Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf des BMG begrüßt die KBV den vorgesehenen Leistungsanspruch der GKV-Versicherten auch auf inaktivierten, tetravalenten Impfstoff. Dies böte sowohl Versicherten als auch den Ärzten eine höhere Verordnungs- bzw. Versorgungssicherheit. Allerdings sei dadurch das Problem nicht gelöst, dass der Arzt bei Überschreitung der bestellten gegenüber der verimpften Mengen in Regress genommen werden könne. Der KBV schlägt daher eine Streichung des entsprechenden Paragrafen des SGB V oder den Ausschluss des Hochdosis-Influenza-Impfstoffs bei den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, vor.
PEI ruft zur Bestellung bis Ende März auf
In einer Pressemitteilung erklärt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dass die Bestellung der Grippeimpfstoffe bis Ende März abgeschlossen sein sollte, da der Umfang der Impfstoff-Herstellung auf den Bestellmengen basiere. Die Herstellung der Grippeimpfstoffe sei langwierig und dauere etwa vier bis fünf Monate. Sind die Bestellungen nicht vollständig, könne es im Herbst zu einem Mangel an Grippeimpfstoffen kommen. Nachbestellungen könnten nicht berücksichtigt werden. Aufgrund des weltweiten Bedarfs seien auch keine Zusatzkontingente vorhanden.
Die Bestellung der konventionellen Impfstoffe sollte daher bis spätestens 20.03.2021 und die des Hochdosis-Impfstoffs bis zum 31.03.2021 erfolgen.